The End of Money
Many commoners are too shy to talk about ending the monetary system. But some do. Kéllia Ramares does. She asks a simple question: »Why must we pay to live on the planet we’re born on?«. Watch her video explaining her vision.
Many commoners are too shy to talk about ending the monetary system. But some do. Kéllia Ramares does. She asks a simple question: »Why must we pay to live on the planet we’re born on?«. Watch her video explaining her vision.
Post from: Streifzüge. Liebe Leute: Allein hier zu schreiben, dass wir ein Leben ohne Geld wollen, kostet welches. Wer unsere Texte mag, soll dazu beitragen, dass sie hier (ent)stehen können. Wenn wer sich’s leisten kann. Eh klar. Dann aber seid so lieb: Her mit der Marie! Löst uns aus!
von Franz Nahrada
1. Der Film “Zeitgeist:Moving Forward” ist eine längst fällige Abrechnung mit lähmenden und dominanten Ideologien, ein erfrischendes und monumentales Statement gegen den Zeitgeist der letzten Jahrzehnte.
1.1. Der Film nimmt seinen Ausgangspunkt beim Konstrukt einer menschlichen Natur, der die gegenwärtige Gesellschaft entsprechen soll und weist nach, dass die Verhaltensdispositionen weitgehend selbst hergestellt sind (Zum Beispiel anhand des Zusammenhangs von Gewalt in der Familie und späterer Gewaltbereitschaft). Das was oberflächlich als Egoismus oder Altruismus bezeichnet wird, liegt nicht in den Genen, sondern wird von tiefen – zumeist sehr frühkindlichen – Erfahrungen geformt.
1.2.1. Bestimmt so das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein und Verhalten, wendet sich der Film eben diesem gesellschaftlichen Sein zu. In einer fundamentalen Kritik werden die zwei Doppelmonster Warenproduktion und Finanzsystem vorgeführt, die zu einer notwendigen tragischen Fehlentwicklung von menschlicher Gesellschaft führen müssen, die sich selbst zunehmend ad absurdum führt. Materieller Reichtum akkumuliert sich selbstzweckhaft und ohne Rücksicht auf seinen Sinn oder seine Bedingungen, der Konsum ist nur Mittel dieser Akkumulation und daher zur systemischen Verschwendung verkommen. Geld als die ultimate und dauerhafte Gestalt dieses Reichtums ist folgerichtig gar nicht an realen Reichtum als Substanz gebunden und entwickelt in sich selbst noch einmal ein unheimliches Eigenleben, indem es als reine Spekulation auf zukünftige Vermehrung geschaffen wird, also eigentlich substanzloser Bezug auf sich selbst ist.
1.2.2. Gerade darin, durch seine schiere Größe und Wucht, bestätigt sichdas zum Finanzkapital aufgestiegene Geld als das Ermächtigungsmittel einer schrankenlosen Diktatur über alle Lebenschancen, das erst durch die folgerichtige Krise, aber doch immer nur zum Teil, vernichtet wird, um nach dieser Häutung den nächsten Zyklus zu beginnen. Die Darstellung versäumt es zwar, den inneren Zusammenhang von Warensystem und Geldsystem darzustellen, doch schon die äußere Krise, die Krise fast aller materiellen Ressourcen, zeigt dass dieses Doppelsystem zur existentiellen Gefahr für das Fortbestehen der Menschheit geworden ist.
1.3. Der Film wagt es auszusprechen was die einzig richtige Konsequenz dieser Gefahr ist: Beides, das Warensystem UND das Geldsystem und damit aber auch der gesamte Überbau der auf ihm beruhenden, gewaltsamen und verschwenderischen gesellschaftlichen Instanzen müssen abgeschafft werden. Eine Alternative ist denkbar und machbar, sie ist überfällig und notwendig – eine Alternative, die vom menschlichen Bedürfnis und den natürlichen Ressourcen ihren Ausgangspunkt nimmt und ihren inneren Bezug vernünftig organisiert. Zugleich ist diese Alternative von Anfang an nur als globale Alternative denkbar, denn wir leben längst in einer tausendfach vernetzten und verketteten Welt. Abstrahieren wir für einen Moment von der totalitären Einschränkung durch die Form des gesellschaftlichen Reichtums, so stehen uns noch immer genug Mittel zur Verfügung, eine Welt des guten Lebens für alle einzurichten.
1.4. Die praktische Schwierigkeit dieses Überganges ist freilich ungeheuerlich groß. Der Film endet in einer optimistischen Vision einer globalen Protestbewegung, die die Herrschenden zur Abdankung zwingt, warnt aber zugleich vor dem Dilemma, in eine Gewaltkonkurrenz gezwungen zu werden.
2. Soweit eine Würdigung des Films, der in einer neuen und drastischen Wendung auch die Macht der Medien und des Netzes bei der Bildung neuer und bedeutender sozialer Bewegungen zeigt. Ohne Zweifel ist durch diesen Film und die gut besuchten Screenings die Existenz einer globalen Bewegung bestätigt, ohne dass wir noch wüssten, was die nächsten Schritte, die Strategie und die Kampfmittel dieser Bewegung sein werden. Es scheint ein hoher Bewusstseinsstand zu herrschen der diese Bewegung dazu bringt, sich vom traditionellen Marxismus abzugrenzen:
“Wir werden aufhören, das System zu unterstützen, während wir zur selben Zeit konstant Wissen, Frieden, Einheit und Mitgefühl befürworten und verbreiten werden. Wir können nicht “gegen das System kämpfen”. Hass, Wut und die “Kriegsmentalität” haben als Weg zur Veränderung versagt, da sie sich der selben Mittel der korrupten, etablierten Mächte bedienen, welche sie als Werkzeug zur Wahrung der Kontrolle einsetzen.” (Christian Kogler/Zeitgeist Website)
Die Bewegung ist zunächst weniger Subjekt als Katalysator; es ist der massenhaft verstärkte Druck der besseren Einsicht, der Menschen dazu bringt, ihren realen Lebensprozess revolutionieren zu wollen:
“Wie machen wir den ersten Schritt, wie sollen wir den Übergang schaffen?” Das ist natürlich die schwerste Frage. Die Antwort: Irgendwo müssen wir anfangen! Es gibt viele Dinge, die eine Einzelperson oder Gruppe tun kann, um dieser Vision Gestalt zu geben. Der wichtigste Schritt ist Bildung. (Jacob Olszewski/Zeitgeist Website)
Und im Unterschied zu vorangegangen Bildungsbewegungen, die es sich sich in der Selbstbezüglichkeit ihrer besseren Einsichten sektenhaft gemütlich gemacht haben, sucht die Zeitgeist – Bewegung den Dialog. Dahinter steht die richtige Einsicht, dass es durchaus die intellektuellen Ressourcen des herrschenden Systems selber sind, die anzusprechen wären. Gerade diejenigen, deren Beruf es ist, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse am Laufen zu halten, sind nicht einfach Funktionäre der Ware und des Geldes; sie sind vielmehr in ihrer Tätigkeit zunehmend mit der Tatsache konfrontiert dass die “Sachzwänge” die die Budgets und Buchhaltungen regieren eine vernünftige Erfüllung ihrer Aufgaben schlechterdings unmöglich machen. Der beständige Zwang die eigenen Ansprüche, die eigene Arbeit als Erzieher, Verwalter, Experte, Mediziner, Wissenschaftler und so weiter an diesen Sachzwängen zu relativieren und zu akkomodieren und die Produktion von menschlichem Elend erleben zu müssen, kann nur selbst zu menschlichen Tragödien und zu einem Gefühl der zunehmenden Uneträglichkeit führen.
Gerade dort, wo Intellektuelle direkt mit Fragen der gesellschaftlichen Reproduktion beschäftigt sind, wird man hinter vorgehaltener Hand erfahren wie sehr sie die offiziell verkündeten Botschaften des Zynismus bezichtigen. Und wo sie es nicht direkt sind, in der Kunst- und Ideologieproduktion, wird die Freude am schönen Schein immer schaler und der hohe Status der selbstzufriedenen Weltfremdheit nimmt ab.
Nach fünfundreißig bleiernen Jahren kehrt also fundamentale Gesellschaftskritik zurück, verstärkt und beschleunigt durch das Netz. Und sie kehrt vermutlich in einer gereiften Form zurück, nicht mehr in der irrigen Annahme, dass alle Fragen prinzipiell geklärt seien und nur mehr die Wissenden die Unwissenden zu belehren hätten.
3. In diesem Sinn hat sich die Zeitgeist Bewegung auch an mich gewandt, den Film zu kommentieren. Ich werde im folgenden versuchen, Kritik zu üben, nachdem ich die Würdigung bereits geleistet habe. In einem Wort: der Film hat eine wichtige Botschaft, aber er enthält noch viele Fehler, die hoffentlich im Lauf der Zeit zu korrigieren sein werden.
3.1. Zunächst laboriert der Film wie die gesamte Zeitgeist – Bewegung an einem Selbstwiderspruch: das Projekt einer neuen Gesellschaft wird vorgestellt, ohne es selbst dem Prinzip einer kritischen Selbstüberprüfung und Experimentation auszusetzen. In einer wunderbaren Stelle des Filmes spricht Jacques Fresco über die “Formelgläubigkeit” der Wissenschaft und die Tendenz, die kritische Rolle des Experimentes bei der Entwicklung von Lösungen zu vergessen. Er tut dies am Beispiel der Entwicklung des Flugzeuges. Eine logische Konsequenz müsste also sein, dass die Bewegung die Realisierung eines Experimentalraumes für Ressourcenbasierende Wirtschaft fordert, dies geradezu zu einem leidenschaftlichen Anliegen macht. Die “Erfindung” einer geldfreien Gesellschaft und einer ressourcenbasierenden Ökonomie lässt sich nicht im Ernst mit der Bemerkung (im Film) abtun, das “jede größere Supermarktkette dies im Kleinen schon vorwegnimmt”. Das erinnert ein wenig an die unsäglich dumme Aussage eines marxistischen Teach-In Redners in den Siebzigern, die Planwirtschaft sei deswegen kein theoretisches Problem weil ja auch die Züge der Bundesbahn planmäßig führen (was übrigens damals noch der Fall war). Die Arroganz und Ignoranz dieses Arguments ist kaum zu überbieten. Es handelt sich dabei auch um kein quantitatives Problem oder ein Problem lediglich gesteigerter Komplexität, sondern um einen vollkommenen qualitativen Unterschied. Wir sprechen hier von einem Projekt einer partizipativen und über die Bedürfnisse der Menschen konstituierten Produktion, einem inhärent dynamischen Vorgang der möglichst vielen Varianten Rechnung tragen und alle Rahmenbedingungen einbeziehen soll. Das Ganze übrigens unter der Voraussetzung einer kapitalistisch vorgegebenen, vollkommen überzogenen Totalvergesellschaftung, die in ihren prekären Rahmenbedingungen schlechterdings nicht planbar ist. Alle diese Auseinandersetzungen über den notwendigen Rückbau, die aspektuelle Autarkie von Teilsystemen als notwendige Bedingung zur Lebensfähigkeit des Ganzen usw. werden noch zu führen sein: doch bleibt in jedem Fall der Widerspruch schon stehen, dass das Neue “dogmatisch antizipiert wird”, anstatt dass es inmitten der alten Welt schon keimhaft seine Wahrheit unter Beweis gestellt hätte. Noch niemals hat sich geselschaftliche Entwicklung so vollzogen, und wir tun gut daran, historischer Erfahrung zu vertrauen, wenn wir tatsächlich Geschichte schreiben wollen. Adam Smith wies in seinem “Wealth of Nations” auf die erfolgreiche Praxis in Oberitalien und Flandern hin, als er seinen adligen Lesern die Einführung von Kapitalismus und freier Lohnarbeit als Reichtumsquelle für moderne Kriegsführung anempfahl.
3.2. Der zweite Punkt scheint mir ebenso fundamental wie der erste: Jacques Fresco, der geistige Ahnvater der Zeitgeist – Bewegung, postuliert eine immanente Logik des Zusammenhanges von Bedürfnis und Produktion, wie sie nur aus dem abstrakten Denken eines modernistischen Stadtplaners entspringen kann. Nicht die Menschen und ihre kulturelle Verschiedenheit, ihre Verwurzelung mit Werthaltungen und Lebensprozessen sind der prägende Faktor der Gestaltung ihres Lebenssystems, sondern eine mathematisch zu berechnende Idealformel, aus der folgt dass wir in kreisförmigen Städten leben werden, die versorgungsoptimiert geplant und realisiert sind. Meine erste Reaktion darauf war: in dieser Stadt würde ich nicht wirklich leben wollen, sie ist wirklichkeitsentleert wie Huxleys Brave New World. Nicht dass es ab und zu ganz angenehm wäre, in diesem gigantischen Erholungsheim dahinzudösen oder Spektakel aufzuführen – aber auf die Dauer wäre das eine eintönige Umgebung, in der es keinen Spaß macht zu erfinden oder kreativ zu sein. Kluge Utopisten wie Franz Werfel (Stern der Ungeborenen) oder Hermann Hesse (Glasperlenspiel) haben diese Idealwelt ihrer immanenten Menschenfeindlichkeit überführt. Ich möchte als provokative Antithese zu Frescos Idealstadt ganz bewusst das Gegenbild des Dorfes einführen, in der der Mensch nach wie vor mit dem Nichtverfügbaren der Natur als ewigem Dialogpartner und Konterpart konfrontiert ist – nicht um sich ihr zu unterwerfen oder vor ihr zu kapitulieren, sondern um in immer neuer Form mit ihr ein dynamisches Spiel der Umgestaltung und Transformation zu spielen, durch das er selbst erst Zugang zur Quelle seiner Lebendigkeit findet.
Ernst genommen hieß das einen wesentlich größeren Freiraum der menschlichen Gestaltung von Lebenswelten und Lebensformen zu fordern, dem Individuum auch die Freiheit geben zwischen solchen Lebensformen zu wählen. Der Schweizer Visionär P.M. stellt deswegen auch die Form der kleinräumigen kooperativen Lebensgestaltung in den Mittelpunkt (Life Maintainance Organisation, bolo), deren Qualität gerade ihre Diversität ist, die Fülle an menschlichen Lebensentwürfen und dementsprechend gewählten “Bühnen” (aber nicht im Sinn eines Spektakels), in denen Werte und Muster in Resonanz miteinander gehen können.
3.3. Das leitet schließlich auch zum dritten Hauptargument über, das ich hier noch anführen muss. Weder wird die derzeit offizielle Vision der Zeitgeist – Bewegung unseren Möglichkeiten gerecht noch der tatsächlichen Beschränkung unserer Ressourcen. Wir haben vielleicht gar nicht mehr die Zeit und die Mittel, in unserer Lebensspanne die Frescoschen Idealstädte zu bauen, aber wir haben eine Fülle von Möglichkeiten des organischen Umbaues unserer derzeitigen Lebensräume. Im Film wird – leider -eine ganz, ganz wichtige Unterscheidung nicht gemacht, die konstitutiv für die vollkommen veränderten Perspektiven unserer Zeit ist. McLuhan hat sie am besten herausgearbeitet, indem er der Gleichsetzung von Automatisierung und Mechanisierung bzw. Industrialisierung ihren scharfen Unterschied entgegensetzte.
Industrialisierung verlangt große, zentralisierte, standardisierte Lebenswelten, städtische Lebensräume am besten, in denen gewaltige Inputs zu großen Outputs verarbeitet werden müssen. Automatisierung kann in alle Lebenswelten vordringen, auch in die peripheren, sich dort in vorhandene Kreisläufe eingliedern und diese optimieren. Sie ist, wie McLuhan sagt, inhärent dezentralistisch und antihierarchisch. Toffler hat gezeigt, wie die Industrie selber stofflich und technisch gesehen zur Mutter der Automatisierung wurde und eine Fülle von Produkten hervorbrachte, die selber ihre lokale Produktionsintelligenz mitbringen, die durch globale Vernetzung der dezentralen Produktionsaggregate eine neue lokale Renaissance einleiten können.
All dies fehlt in Frescos Vision, uns sollte von der Zeitgeist Bewegung neu bedacht werden – auch und gerade um handlungsfähig zu bleiben in einer Gesellschaft die die Erde fast aller leicht verfügbaren Ressourcen beraubt hat (der Film zeigt auch dankenswerterweise, wie schwierig die Wiedergewinnung dieser Ressourcen über Jahrzehnte und Jahrhunderte sein wird). Wir müssen uns auf eine langsame Periode der Erholung einstellen, auf eine Entschleunigung. Deswegen ist es heute wichtig, die Einsichten der Transition – Bewegung mit den erfrischen radikalen und klaren Thesen der Zeitgeist Bewegung hinsichtlich des Waren- und Geldsystems zu verknüpfen.
4. Damit vermeiden wir auch einen historischen Fehler, der uns viel zu wenig bewusst ist: den Verlust und das Leid, das mit einem totalen Bruch, mit der scheinbar so jugendfrohen Emphase des Einreißens, Ausreißens und Neuaufbauens verbunden ist. Revolutionen sind tiefe Wunden, die Gesellschaften für Generationen erschüttern, und die Kunst der Geburtshilfe einer neuen Gesellschaft besteht darin, solche Wunden möglichst zu vermeiden – ohne das eigene Anliegen aufzugeben.
Nachfolgend der»Partner-Artikel« zu dem bereits veröffentlichten Text »Einschluss statt Ausschluss«. Die Zeitschrift iz3w hat beide Artikel als Kontroverse initiiert. Nach der Auslotung der emanzipatorischen Möglichkeiten folgt also nun eine Kritik des Commons-Ansatzes. Weitere Artikel zum Thema gibt’s in der aktuellen Ausgabe iz3w 322. Danke an den Autor und iz3w für die Genehmigung zur Veröffentlichung.
Die Debatte um Gemeingüter ist oft rückwärtsgewandt
von Winfried Rust
Ein Programmierer formuliert auf einem Commons-Kongress die Freiheiten offener Software: »Benutzen, studieren, anwenden, teilen und die verbesserte Variante neu verteilen.«1 Darauf ruft eine Kleinbäuerin: »Genau. Das fordern wir für unsere Saaten!« Diese Begegnung hat einen rebellischen Charme. Allerdings führt die Freie-Software-Szene eine Parallelexistenz gegenüber der kommerziellen Softwarewelt. Und kleinbäuerliche Gemeingüter stellen keinen Großgrundbesitz infrage.
Commons begründen sich oft mit Tradition. An die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und an die dominierenden Produktionsmittel rühren sie nicht. Wenn diese Beschränkung nicht übersehen wird, kann der Commons-Ansatz neben anderen alternativen Ansätzen, wie etwa Genossenschaften oder Alternativprojekten, spannend sein. Ansonsten ist der Ansatz nur ein Farbtupfer im bestehenden Ausbeutungsregime. Oder, wie es im Vorwort des Commons-Sammelbandes »Wem gehört die Welt?«2 gesagt wird, ein Beitrag zur »Idee der ökosozialen Marktwirtschaft«.
Gegenüber den meisten Verteilungskämpfen erweitert der Gemeingüter-Ansatz den Bezug über die Besitzebene hinaus auf die soziale Interaktion. Das ist durchaus jenseits von Markt und Staat gedacht. Kapitalismuskritisch ist es nicht unbedingt. Das Commoning birgt sogar die Gefahr, freiwillige Selbstbeschränkungen schön zu malen. Commons konstituieren sich aus den Krümeln des gesellschaftlichen Reichtums, die vom Tisch fallen. Fast immer sind die Bezugspunkte Grundgüter wie das Land neben dem Dorf, Wasser oder Saatgut.
An die Ländereien, Konten, Stadtteile oder Besitztümer der Reichen reicht der Commons-Ansatz nicht heran. Sowohl Verteilungsfragen, als auch die Frage, wie Güter oder Infrastrukturen herzustellen sind, erfordern den Blick von den realen Lebensverhältnissen aus. Diese sind selten ein Stück Allmende. Bis in kleinbäuerliche Lebenswelten hinein wird das Leben komplexer, technisierter und arbeitsteiliger. Es hilft nicht, die neuen informellen Dienstleister-Arbeitswelten und Billiglohnfabriken abzulehnen und demgegenüber einige Gemeingüter hervorzuheben. Spannend ist, wie eine Aneignung und Veränderung durch die bestehenden Verhältnisse hindurch geschehen kann. Um Brechts Frage »Wem gehört die Welt?« nicht zu verballhornen, wäre der Bezug zum gesellschaftlichen Reichtum, also auch zu Fabriken oder Logistiksystemen, herzustellen.
Wessen Gemeinschaft?
Nicht nur die (Selbst-)Beschränkung der Commonsdebatte bei Verteilungsfragen verdient Kritik. Der Rückbezug auf alte Zeiten, in denen die Allmendewirtschaft den Dorffamilien ein Auskommen gesichert habe, ist eine konservative oder gar reaktionäre Sehnsucht, die besonders gut in Krisen- und Umbruchszeiten passt. Zwar wird dieser Bezug auf vormoderne Konzeptionen innerhalb der Commons-Debatte teils explizit abgelehnt. Aber in vielen Statements (siehe unten) ist er präsent.
Dabei ist unklar, ob in der Kategorie Gesellschaft oder Gemeinschaft gedacht wird. Der Begriff Gemeinschaft ist der häufiger verwendete. Was meint er? Zugespitzt formuliert kann im Mittelalter – in der Hochzeit der Allmende – von Individuum und Gesellschaft kaum die Rede sein. Der Einzelne stand nicht in Beziehung zur Gesamtgesellschaft, sondern er war eingebunden in Sippe, Dorf und Zunft. Heute zeigt das Primat der Gemeinschaft seine Gefahr besonders in Nationalismen. Es steht dem Begreifen der Weltgesellschaft entgegen. Entsprechend gelten in der Esoterikszene indigene und religiöse Gemeinschaften als letzte Refugien einer heilen Welt.
Dabei war die vorkapitalistische Zeit nicht einmal eine Zeit größerer sozialer Gleichheit. Die ständischen Grenzen waren fast undurchdringlich. Reichtum und Macht waren von den Allmenden weit entfernt. Das wird hier deshalb betont, weil in der heutigen Commons-Debatte die Worte »wieder«, »Erbe«, »zurückgewinnen«, »Wiederbelebung« oder »Renaissance« ein fester Bestandteil sind. Demgegenüber sollte man besser zugeben, dass linke Ideen eigentlich neue Ideen sind.
Drang zur Verklärung
In dem hier beispielhaft herangezogenen Dossier des INKOTA-Briefs »Die Renaissance der Gemeingüter« finden sich viele Belege für die genannten Kritikpunkte. Das dort verwendete Bildmaterial zeichnet den Antagonismus zwischen gutem Landleben und böser Moderne. Ein hübscher Saatgutkasten, gemeinsam arbeitende Kleinbäuerinnen und Kleinbauern oder ein kleiner Wasserkanal zwischen Gräsern werden kontrastiert mit Fließbandarbeit, einem Industrieschlot und der Stadt im Smog. Fortschritt ist hier nicht ambivalent, sondern böse. Ein Cartoon zeigt einen dicken, grimmigen Kapitalisten mit seinen Geldsäcken. Solche Bilder werden auch im Text so häufig reproduziert, dass sie nur beispielhaft wiedergegeben werden können.
Die (Selbst-)Kulturalisierung der Gemeinschaft zeigt sich etwa in der Vorstellung »Wir müssen das Indigene in uns entdecken«. Die Bildunterschrift kommentiert: »Commoning gelingt in den Anden so gut, weil die Indigenen sich wie Geschwister fühlen – als Kinder der Pachamama (Mutter Erde), die sie mit Steinaltären ehren«. Der Bezug ist auffällig häufig »von der Dorf- bis zur Weltgemeinschaft«. Die gesellschaftlichen Interessengegensätze verschwinden bei diesem Blick, solange zum Beispiel alle gleichermaßen als in die Selbstverwaltung von Trinkwasser eingebunden wahrgenommen werden. Die Sozialstruktur, wie bei der Shona-Kultur in Simbabwe, kann dabei »traditionell« sein: »Der Chief ist einem König vergleichbar«. Patriarchale Strukturen bleiben unthematisiert.
Um die Herausforderungen in der Landwirtschaft zu bewältigen, bedarf es »der Vielfalt des Wissens von Landwirten und Gärtnern, Waldnutzern, Fischern, Viehaltern, Jägern, Schamanen, Hexen, Köchen, Sammlern und sonstigen Expertinnen und Experten vor Ort.« Doch Kritik an der vorherrschenden Landwirtschaft muss nicht zu Schamanen und Hexen führen. Nicht Kapitalismus wird kritisiert, sondern die »Industrialisierung der Landwirtschaft«. Um die Forderung zu stellen, Saatgut aus dem Eigentumsregime herauszunehmen, muss es nicht als »Erbe der Menschheit« verklärt werden.
Wenn das erklärte Ziel ist, dass »wir wieder einen starken Begriff für die Commons haben«, so liegt die Zielrichtung im Zurück, nicht durch das Bestehende hindurch. Die wirkliche Tragik der Grundgüter ist im INKOTA-Dossier: »Wir haben vergessen, was es braucht, damit sie funktionieren.« Das verkennt, dass vielfach in sozialen Auseinandersetzungen, Besetzungen, Aneignungen, linken und alternativen Projekten, Genossenschaften usw. neue Erfahrungen mit Gemeingütern und Selbstverwaltung gemacht werden.
Es gibt allerdings auch elaboriertere Diskussionen um die Commons. Im Sammelband »Wem gehört die Welt?« bezieht sich José Esteban Castro auf Verteilungskämpfe um Gemeingüter als soziale Praxis. In ihnen werde Solidarität, Selbstverwaltung und Aneignung von Unten erprobt. Entsprechend argumentiert Christian Siefkes auf »Projektebene«: Aus der Erfahrung mit Freier Software zieht er Schlüsse auf deren subversiven Einfluss auf das Eigentumsregime. Mit seinem Ansatz »Beitragen statt tauschen« schließt er zudem vereinfachende Geldkritik aus. Idealistischen Zauber um Erbe und Geist unterlassen diese Autoren. Auch Ulrich Brand warnt davor, Commons nur darauf zu beziehen, was der Staat als Dienstleister der kapitalistischen Gesellschaft ohnehin verwalten muss und was an unprofitablen Terrains übrig bleibt. Damit wären Commons in Nischen verbannt, anstatt eine wesentliche Rolle bei der Transformation der kapitalistischen Verhältnisse zu spielen.
Doch auch in diesem Sammelband ist die Ökonomiekritik oft bloßes Unbehagen an der Zirkulations- und Geldsphäre. Gegen den »westlichen Eigentumsindividualismus« beklagt ein Autor die »zerstörerische Umwandlung unserer gesamten Lebenswelt in ‚fressendes Kapital’ (Martin Luther)«. Dem stellt der Autor alttestamentarische Tendenzen für ein Zinsverbot, die islamische zinslose Ökonomie oder die Überwindung der Gier im Buddhismus entgegen. Das bürgerliche Zeitalter »brachte das ausbalancierte bisherige Abgabensystem ins Wanken«. Die Folge: »Aus der Hilfe und der gemeinsamen Arbeit der Bauern wurden durch Geld vermittelte Vertrags- und Konkurrenzbeziehungen.« Das Unbehagen am Kapitalismus richtet sich hier verkürzt gegen die Zirkulationssphäre der Ökonomie und gegen die Moderne. Dagegen wird das Bauerntum im Feudalismus verklärt. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft kann zutiefst konservativ sein.
Wer ist wir?
Spannend wären Ansätze, die eine theoretisch fundierte Kritik auf Basisprozesse, Gruppenprozesse und Selbstverwaltungsexperimente beziehen, ohne dass sie bei der Denkfigur vorgegebener Gemeinschaften landen. André Gorz diskutierte das in seinem Aufsatz »Der schwierige Sozialismus«3 einmal mit einem gänzlich anderen Fokus. Das Phänomen der »Gruppe« sei in der kapitalistischen Vergesellschaftung als »Serie« zu fassen, als Kollektiv isolierter Subjekte. Dagegen helfe allerdings keine Gemeinschaftsideologie, sondern gesellschaftlicher Fortschritt.
Bei fortschrittlichen Prozessen sind Gruppen und Strukturen nicht vorgegeben und kein Erbe. In ihrer Praxis ändern sie sich selbst und die Umwelt. Das Soziale überdeckt das Serielle. Gemeinschaft »wie bei den Quäkern« lehnte Gorz allerdings ab, weil sie einfach als »konstituiert« besteht. Soziale Gruppenprozesse sind dagegen »konstituierend« – zum Beispiel in sozialen Kämpfen. Von Dauer könne die Aufhebung der Entfremdung in der fusionierenden Gruppe jedoch erst sein »durch die Aufhebung der Arbeit als vom Elend und äußeren Zwecken aufgezwungener Zwang.« Anstatt traditioneller, automatischer Gemeingüter steht hier der Bezug zur modernen, entfremdeten Arbeitswelt, aus der heraus sich die sozialen Prozesse ereignen. Dabei gibt es einen Fixpunkt, und das ist die Kritik, die über das Bestehende hinaus weist.
Was lernen wir aus all dem? Man kann sehr verschieden über Gruppenprozesse sprechen. Die Inhalte der Commons-Debatte scheinen recht beliebig zu sein. Renaissance geht, Revolution aber auch. Und während Gemeinschaft Gegensätze vereint, benennt Kritik sie, mit dem Ziel ihrer fortschrittlichen Überwindung.
Anmerkungen
1. Inkota-Dossier 8: Die Renaissance der Gemeingüter, S. 21
2. Silke Helfrich u.a.: Wem gehört die Welt? München 2009
3. André Gorz: Der schwierige Sozialismus. In: Kleine Bibliothek des Wissens und des Fortschritts, Band 5, S. 2415f. Frankfurt/M. 1974
Winfried Rust ist Mitarbeiter im iz3w.
* * *
Erschienen in: »iz3w — Zeitschrift zwischen Nord und Süd«, Nr. 322
Einzelhefte können auf der Website vom iz3w für 5,30 € bestellt werden (Papier oder als Download).
David Ellerman – Abolish Human Rentals
The only difference between slavery and wage work is the length of the contract. Ever hear or use the term “wage-slave”?
The links here are to a You Tube Playlist. Each part is about 10 minutes long. Thanks to Mike Leung of the web site Abolish Human Rentals for this.
David Ellerman – Abolish Human Rentals Pt. 1
During the International Commons Conference in Berlin (Oct 31–Nov 2, 2010) I gave a keynote speech in the stream »The Generative Logic of the Commons« together with Roberto Verzola. I slidecasted (slides+audio) my talk which you can watch and listen to here:
If you wish to see me speaking at the desk—which isn’t really interesting—you may switch to the Böll conference page and choose part 10. There you’ll also find Robertos presentation (part 9) and all other ICC talks, which have been recorded. And I can recommend the discussion after Roberto’s and my talk (part 11), which was loaded with a lot of critical but constructive energy
[Update: Here are the slides in PDF or ODP format]
During the first two days of November, the International Commons Conference organized by the Heinrich Böll Foundation and the Commons Strategies Group took place in Berlin. Throughout the conference, I wrote down various remarks by participants which I considered insightful, interesting, or amusing. The following quotes are meant to convey the spirit of what the quoted person said, but not necessarily the precise wording (since I often wasn’t fast enough to exactly get the latter).
Ruth Meinzen-Dick (president of the International Association for the Study of the Commons):
Massimo Banzi [IT], presenting the Arduino:
Barbara Unmüßig [DE]:
Rainer Kuhnen [DE]:
Silke Helfrich [DE]:
Silke Helfrich [DE]:
Andreas Weber [DE]:
Don’t remember who said that:
From the beautiful little commons video (is it already available somewhere?):
Additional information on the conference is available in the P2P Foundation Wiki, including some documentation of the workshops and of the World Cafe talks held there (for me, the World Cafe [PDF] was actually the best part of the conference, along with the wonderful “join-in concert” organized by Johannes Heimrath [DE]).
On the Commons has published a report by Jay Walljasper: Potato Commons & the Power of Standing Up.
Some additional information is available in German language:
Has anyone encountered additional articles on the conference, in German or in English?
Heute, am 3.11.2010, gibt es in der »Zwille«, einem offenen Raum an der TU Berlin einen interessanten Vortrag und Workshop (Referent: Tom Novak). Die »Zwille« befindet sich in der Fasanenstr. 1 , 10623 Berlin, Z-Gebäude, 3. Obergeschoss. Hier die Einladung:
Kompetenzen in kollektiver Selbstorganisation
In dieser Gesellschaft fallen einem Kompetenzen, die für kollektive Selbstorganisation benötigt werden, nicht in den Schoß; denn unsere Gesellschaft ist nicht so eingerichtet, dass man sich die genannten Kompetenzen beim Aufwachsen im Überfluss aneignet. Für kollektive bzw. plurale Selbstorganisation sind mindestens emotionale, motivationale, soziale und fachliche Kompetenzen notwendig.
Gefühle deuten auf die (erfüllten oder nicht erfüllten) Bedürfnisse hin und geben Orientierung. Mit motivationalen Kompetenzen findet man heraus, unter welchen Bedingungen man gerne tätig ist, und kann sich diese Bedingungen verbessern. Mit sozial kompetentem Verhalten macht man sich seine Bedürfnisse bewusst und vertritt seine Interessen auf (für das Gegenüber) akzeptable Weise. Mit fachlichen Kompetenzen lassen sich die aufkommenden sachlichen Aufgaben lösen. Ohne diese Grundlagen können die Individuen kaum eine Gesellschaft bilden, in welcher Tausch, Geld, Herrschaft überwunden werden.
Inwiefern hängt das Wollen einer ganzen Gesellschaft, die sich auf freiwilliger Basis organisiert, vom Vertrauen ab, dass sich genügend Individuen die benötigten Kompetenzen aneignen werden? Wird der Gedanke an eine auf Freiwilligkeit beruhende Gesellschaft von den meisten Menschen deshalb verworfen, weil sie sich von den Anforderungen überfordert fühlen? Wie sieht es mit der Entwicklung derer aus, die eine solche Gesellschaft schon wollen? Worin unterscheidet sich eine Untersuchung und Aneignung von Kompetenzen im neoliberalen Interesse von einer mit emanzipatorischem Interesse? Wie lassen sich Kompetenzen unter den gegebenen schwierigen Bedingungen aneignen?
Im anschließenden Workshop geht es um die Bedingungen unserer Kooperationsbereitschaft. Gerne Stift und Schreibunterlage mitbringen.
So groß waren meine Kristallkugel-Fähigkeiten nicht, um vorherzusagen (Folie 23, Folie 39), was nun tatsächlich kommt: Die Nutzung der Commons, um den Sozialstaat abzuschaffen. »Big Society« nennt sich die »Idee«. Sie war Teil des Wahlpogramms der Tories und wurde vom neuen britischen Staatschef David Cameron als Handlungsleitlinie der Regierung vorgestellt.
Was ist dran an der »Big Society«, ist alles nur ein schlauer Coup der Rechten? Oder gibt es — eben weil dahinter Elemente der Commons-Ansatzes stecken — auch Chancen für die Commons? Dieser kleine Artikel wird keine erschöpfende Antwort geben, zu schwammig sind die bisherigen Infos. Aber ich sage mal mutig voraus: Es dauert nicht lange, dann wird die »Idee« auch auf dem Kontinent entdeckt — fehlt den hiesigen Regierungen doch eine echte »Leitidee«. Dann aber werden uns die Commons noch so richtig um die Ohren fliegen…
So sehen die Ziele von »Big Society« aus:
Zu diesem Zweck soll eine »Big Society Bank« gegründet werden, die Anschubfinanzierungen für Start-up-Initiativen bereitstellt. Vier Gemeinden wurden als Testfelder ausgewählt.
Zunächst sieht das Konzept nach einem »alternativen Kürzungsplan« aus, bei dem Freiwillige unbezahlt das machen sollen, was früher staatlich organisiert war (entsprechend protestieren die Gewerkschaften). Doch im Unterschied zur neoliberalen Tirade der Privatisierung-löst-alle-Probleme, sollen mit »Big Society« nicht weitere Funktionen an den Markt, sondern an die Menschen vor Ort übergeben werden — zumindest die Funktionen, die sich im Wortsinne nicht mehr »vermarkten« lassen. »Big Society« trifft in jedem Fall auf existierende Ansätze des DIY Britain und der unvermeidlichen Lokalgeld-Initiativen.
Interessant ist es, danach zu fragen, ob »Big Society« Funktionen des Marktes genauso übernehmen kann wie solche der Regierung. Dazu müssten sich existierende Basis-Bewegungen den Ansatz aneignen und mit eigenen Forderungen verbinden. Denn es liegt aus meiner Sicht auf der Hand: Ohne Ressourcen ist »Big Society« nur ein kommunitaristisches Entstaatlichungsprogramm. Die erste Forderung muss also sein: Her mit den Ressourcen, her mit den Gebäuden, den städtischen Flächen, dem Land, den Produktionsmitteln — und nicht nur Geld (das aber auch).
Gestern fand der achte Salon »Zeit für Allmende« in der Heinrich-Böll-Stiftung statt, zu dem ich eingeladen war. Wie schon der vorhergehende Salon, bestimmte das Thema »Wirtschaft« die Diskussion, zumal die Wirtschaftsvertreter_innen in der großen Überzahl vertreten waren. Entsprechend waren die Beträge von Überlegungen bestimmt, wie man Commons und Wirtschaftslogik verbinden könne. Allein Christian und ich sprachen uns für eine deutliche Trennung der beiden Logiken aus.
Im Anschluss an den Salon gab es einen Fragebogen, mit dem wir um ein Feedback gebeten wurden. Ich beantworte die Fragen einfach gleich mal öffentlich — Transparenz ist ja ein wichtiges Element der Commons
1) Was ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus dem Salon mitnehmen?
Nach der Free Culture Conference kam auch beim Salon eine Frage auf, von der ich denke, dass sie die Debatte in naher Zukunft bestimmen wird: Können Commons skaliert werden und wenn ja, wie? Bislang werden Commons in der Regel mit kleinen Gemeinschaften identifiert, und das ist auch nicht falsch. Aus zwei Richtungen kommt nun die Frage der Skalierung: von der Seiten der Politikfähigmacher_innen und von Seiten der Verallgemeiner_innen.
Die erste Gruppe möchte gerne die Politik mit Commons-Konzepten zu einer Richtungsänderung bringen. Dazu müssen auch die »großen Themen« commonifiziert werden: Wie können neue Regeln für die Wirtschaft formuliert werden (zum Beispiel Re-Internalisierung von externalisierten Kosten mit Hilfe von Gesetzen)? Wie können auch große Unternehmen Commons-Praxen übernehmen und sich so in Richtung »Nachhaltigkeit« und »Ende des Wachstums« verändern? Wie können neue commons-basierte Wirtschaftskreisläufe erzeugt und politisch unterstützt werden?
Die zweite Gruppe, zu der ich eher gehöre, will die Commons verallgemeinern. Diese Sicht geht zuerst nicht in Richtung Politik und Wirtschaft, sondern fragt danach, was — jenseits von Markt und Staat — getan werden kann, um immer mehr gesellschaftliche Bereiche nach dem Prinzip der Commons zu organisieren. Dazu gehören sowohl bisher »wirtschaftlich« dominierte Sphären wie auch jene zwei Drittel, die nicht-wirtschaftlich organisiert sind. Politik und Staat kommen in dieser Sicht nicht als Gestalter, sondern bestensfall als Ermöglicher vor. Langfristig gehört dazu die Frage, die zunächst theoretisch zu bewegen ist, wie eine commons-basierte Gesellschaft organisiert sein kann, die alle für das Leben notwendigen Dinge produziert — ohne Markt und Staat.
2) Welchen Beitrag kann Ihrer Meinung nach der Blick auf Gemeingüter für die Wachstumsdebatte leisten? Weist die Diskussion um die Peer-to-Peer Ökonomie einen Weg aus dem Wachstumszwang und Übernutzung natürlicher Ressourcen? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum?
Die Commons-Debatte weist einen Weg aus dem Wachstumszwang, wenn sie sich keine Tabus auferlegt. Der Wachstumszwanz ist ein systemischer Effekt, der nicht durch einzelne Modifikationen beendet werden kann. Beim Salon brachte ich folgende knappe Argumentation: Eine wachsende Wirtschaft minimiert den Arbeitsaufwand, wodurch Arbeitsplätze wegfallen. Will man dies nicht, muss Wirtschaft den Rationalisierungseffekt überkompensieren, d.h. sie muss stärker wachsen. Das somit notwendige exponentielle Wachstum ist logisch begrenzt (endliche natürliche Ressourcen), und diese Grenzen erreichen wir derzeit (Peak-Anything). Ergo: Wirtschaft kann nicht nicht wachsen, will sie kein soziales und ökologisches Desaster auslösen (was für weite Teile der Welt bereits der Fall ist).
Die Diskussion war davon bestimmt, den systemischen Effekt (den man auch noch fundierter begründen kann) in eine Frage der persönlichen Haltungen, Ethiken und Handlungen umzudeuten. Diese gehen der Wirtschaft jedoch nicht voraus (um Wirtschaft zu gestalten etwa), sondern sie sind Resultat der wirtschaftlichen Systemlogik. Abweichungen sind möglich, aber nur dort, wo ein Unternehmen eine luxuriöse Marktposition und daher genug Spielgeld hat, um diese Abweichungen zu finanzieren. Commons repräsentieren hingegen tatsächlich jene personal steuerbaren Strukturen, die sich die gutmeinenden, sozial und ökologisch engagierten Wirtschaftsvertreter_innen vorstellen. Wer an systemische Elemente von Wirtschaft nicht ran will, wird den Wachstumszwang nicht stoppen.
Es ist jedoch vielmehr zu befürchten, dass sich das Ende des Wachstums als gigantische Krise auf katastrophale Weise Geltung verschafft. Das ist ein Prozess, der im für viele Regionen der Welt schon Realität hat, der aber in wesentlich größerer Dimension auch die bislang privilegierten Sektoren treffen wird. Der Wirtschaftswissenschaftler Franz Hörmann hat den systemischen Aspekt tatsächlich in den Blick genommen und kommt zu dem Schluss, dass das System Wirtschaft noch etwa drei Jahre hat, bevor es zusammenbricht. Nun wird nicht einer den richtigen Kristallkugelblick haben, aber die Tendenz scheint mir eindeutig zu sein.
3) Welche Rolle spielen Gemeingüter (als produktive “setting”) für Wohlstandsmehrung? Für den Einzelnen und die Gesellschaft? Was heißt das für die Rolle der Wirtschaft?
Wie Silke Helfrich auf dem Salon ausführte, spielen Commons für 3,5 2,5 Millarden Menschen eine entscheidende Rolle beim Überleben. Doch ist hier zu fragen, ob es sich weitgehend und zunehmend um Elends-Commons handelt, über die sich die aus Wirtschaft ausgespuckten Menschen versorgen. Tatsächlich könnten Commons die zentrale Rolle bei der Wohlstandserhaltung und -mehrung für sehr viele Menschen spielen, allerdings nur, wenn das globale Enclosure der Commons beendet wird. Dies kann jedoch nur zu Lasten von Wirtschaft geschehen: Wenn Hybrid- oder Terminator-Saatgut kein Verwertungsgut ist, dann werden dort in dem entsprechenden Wirtschaftssektor keine Einnahmen mehr erzielt, es werden keine Gewinne mehr gemacht und es gehen Arbeitsplätze verloren. Darüber muss man sich klar sein. In der Bilanz könnte freie Commons jedoch für wesentlich mehr Menschen den Wohlstand mehren, da Commons direkt die Güter produzieren, die benötigt werden und nicht über den Umweg des »Geldverdienens« gehen.
In der Salon-Diskussion wurde darauf verwiesen, dass Unternehmen auch substanzerhaltend agieren könnten und darüber hinaus keinen Gewinn machen müssten (also schon Gewinn: aber nur für die Erhaltungsinvestitionen). Aus Gründen der Marktkonkurrenz bezweifele ich, dass das eine verallgemeinerbare Möglichkeit ist, aber gehen wir einmal davon aus — im Einzelfall geht es sicherlich (das wird dann Philanthropie genannt). Faktisch heisst das, dass Unternehmen auf einen Teil des Gewinns verzichten und ihn zu anderen Zwecken abgeben. Sie könnten dieses Geld in Commons-Projekte geben (ich kenne da ein paar FabLabs, die was brauchen — bitte melden!). Das wäre ein sinnvolles Setting, und für die Gesellschaft wäre das »produktiv«. Spätestens wenn die geförderten Commons allerdings den Markt ersetzen, der von dem Unternehmen bedient wird, wird mit der Philanthropie Schluss sein.
4) Gibt es Bereiche der Wirtschaft, die von der erstarkenden Diskussion um Gemeingüter profitieren können? Wenn ja, welche, wie und warum?
Diese Bereiche wird es sicherlich geben. Wie unter 3) dargestellt, wird es auch Bereiche geben, zu deren Lasten die Ausweitung der Commons geht. Ich kann nicht spekulieren, in welchen Bereichen welche Entwicklung geschehen wird.
5) Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Fragen 1-4 für die Politik? Wo besteht politischer Gestaltungsbedarf? Wenn Sie zwei Sofortmaßnahmen vorschlagen könnten, welche wären das?
Die Politik könnte sich als Ermöglicher der weiteren Ausdehnung von Commons-Projekten verstehen. Hier gibt es sicher eine Reihe von Möglichkeiten: Räume und Flächen in staatlicher Verwaltung könnten Commons-Projekten treuhänderisch zur Verfügung gestellt werden (mit Existenzgarantie), Enclosures könnten zurückgenommen werden (in sehr vielen Bereichen: vom Saatgut bis zu Kulturgütern), Patente und Urheberrechte begrenzt werden etc.
Erste Sofortmaßnahme: Das (kurz vor der Verbschiedung stehende) ACTA-Abkommen wird in Europa und Deutschland nicht umgesetzt.
Zweite Sofortmaßnahme: S21 wird nicht umgesetzt, sondern das Vorhaben wird in ein Commons-Projekt umgewandelt, in dem die Beteiligten selbst entscheiden, welches Konzept realisiert wird.
6) Raum für Sonstiges
Ich bin auf die nächsten Salons gespannt.
Am 8. und 9. Oktober 2010 findet an der Freien Universität Berlin die dritte wissenschaftliche Konferenz über Freie Kultur statt. Titel der Konferenz: »Freie Kultur zwischen Commons und Märkten — Annäherung an eine hybride Ökonomie?« Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenlos, eine Anmeldung ist jedoch erforderlich. Die Konferenzsprache ist englisch (=>Programm).
Hier die Themen der Konferenz (englisch):
Der Wunsch, die Gegensätze von Freiheit und Verwertung zusammenzubringen, scheint ein unabweisbarer Zwang zu sein.