Klassenkampf als immanenter Konflikt

Ein Gespräch zwischen Andreas Exner und Stefan Meretz

Teil 4 und Schluss (Teil 1, Teil 2, Teil 3)

[Erschienen in: Grundrisse 42/2012]

Stefan: Du hast viele interessante Fragen aufgeworfen, auf die ich nur ausschnitthaft eingehen kann. Ich habe verstanden, dass du vom Primat der Herrschaft ausgehst und die Produktionsweise wesentlich dadurch bestimmt siehst. Folglich siehst du den Ansatzpunkt der Transformation bei der Herrschaftsfrage. Bei mir ist es umgekehrt. Nun könnten wir uns auf ein Mittelding einigen, aber das wäre ein fauler Kompromiss und keine theoretische Debatte. Also will ich darauf noch etwas eingehen.

Du sagst, „Kapitalisten trachten danach Kapitalisten zu bleiben“, nicht als souveräne Subjekte, sondern um ihren Status zu bewahren oder auszubauen. Das gleiche gilt aber auch für die Arbeitskraftverkäufer. Der alte Radio-Eriwan-Witz mit der Frage „Was ist schlimmer als ausgebeutet zu werden?“ hat eine tiefe Wahrheit: „Nicht ausgebeutet zu werden“. „Kapitalist“ und „Arbeiter“ sind notwendige, gesellschaftliche Funktionen, die asymmetrisch aufeinander bezogen sind. Die Notwendigkeit ergibt sich allein aus der kapitalistischen Betriebsweise, zu der die Asymmetrie, der Gegensatz, der Interessenkampf, der Klassenkampf gehören. Der Klassenkampf ist aus meiner Sicht eine immanente Bewegungsform des kapitalistischen Betriebssystems. Er ist auf die kapital-immanent notwendigen gesellschaftlichen Funktionen bezogen und enthält in seiner eigenen Interessenlogik keine emanzipatorischen Ansatzpunkte. Solche emanzipatorischen Ansatzpunkte müssten stets zusätzlich in den Klassenkampf von außen hineingetragen werden, sie kommen nicht aus ihm selbst. Das ist keine besonders originelle Position, im Grunde hat das schon Lenin so gesehen. Nur war sein Schluss, dass die Kader-Partei das revolutionäre Bewusstsein in die Arbeiterklasse tragen müsse. Apropos „arbeitende Klasse“: Kapitalist will ich nicht sein müssen, das wäre mir viel zu viel „Arbeit“. Ist alles gescheitert und Vergangenheit.

Ist der Klassenkampf trotzdem ein wichtige Kategorie? Ja, aber nur in dem klaren Bewusstsein, dass es sich um eine systemimmanente Kategorie handelt, die sich dazu eignet, die funktional notwendigen Interessenunterschiede analysierbar zu machen. Denn, da stimme ich dir zu, tatsächlich ist zwischen den Interessen der bäuerlich Produzierenden und dem Industriekapital, dem Arztunternehmer und dem Krankenhauskonzern usw. zu unterscheiden. Mein entscheidender Punkt: Es bewegt sich alles im systemimmanenten Kampf der einen Interessen gegen die anderen. Damit illustrierst du also meine allgemeine Kennzeichnung der basalen Funktionsweise als Exklusionslogik. Innerhalb der Exklusionslogik gibt es keine allgemeine Emanzipation, sondern jede partielle Durchsetzung der eigenen, auch kollektiven Interessen geht stets zu Lasten von anderen. Für eine allgemeine Emanzipation ist der Interessenmodus selbst aufzuheben, und zwar denkend theoretisch wie praktisch handelnd. Was das heißen kann, diskutiere ich unten.

Wenn ich nun auf dem Primat der Produktion vor der Frage der Herrschaft bestehe, dann hat das mehrere Gründe. Erstens ist ganz allgemein die gesellschaftliche Produktion der Lebensbedingungen Wesensmerkmal des Menschen, Herrschaft hingegen keineswegs. Das finde ich wichtig, um naturalisierende Seinszuschreibungen zurückweisen zu können. Zweitens sind im Kapitalismus die Produktionsverhältnisse herrschaftsförmig. Es handelt sich also nicht um ein Außenverhältnis zweier wechselwirkender Faktoren, etwa von Produktion und Herrschaft, sondern um einen inneren Zusammenhang. Von einem Binnenverhältnis auszugehen hat zur Folge, dass ich über den Hebel der Herrschaft zwar einiges bewegen, aber allgemeine Emanzipation nicht erreichen kann. Aus meiner Sicht sind im Interessenmodus der Exklusionslogik nur immanente, beschränkte Schritte möglich. Diese immanenten Zuwächse an Handlungsmöglichkeiten will ich nicht gering schätzen, ich kann sie aber nicht als Schritte auf dem Weg zu einer allgemeinen Emanzipation unter Aufhebung des Kapitalismus stilisieren. Das sind sie nämlich nicht.

Demonetarisierung und Entwarenformung

Demonetarisierung als emanzipatorische Perspektive, die wir teilen, ist für mich daher zuvörderst mit einem Prozess der Entwarenformung der Produktion und dem Aufbau genuin nicht-warenförmiger Produktionsverhältnisse verbunden. Die Waschmaschinen produzierende Genossenschaft mag intern gleichberechtigter und partizipatorischer organisiert sein als ein normales Unternehmen, doch die gleichberechtigte Partizipation bezieht sich primär auf den Erfolg am Markt zu Lasten der anderen Waschmaschinenproduzenten. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat als Co-Management sind nur eine andere Form der Partizipation zu gleichen Zwecken. Es geht jedoch darum, den Zweck der Vermarktung, also die Warenform, aufzuheben.

Ich habe als Alternative die commons-basierte Peer-Produktion angeführt. Hier wendest du nun wie auch andere zurecht ein, dass es um die Produktionsmittel ginge und da sähe es schlecht aus. Bei den digitalen Commons stehen diese zwar bei den meisten als Privatbesitz auf dem Schreibtisch, im globalen Norden zumindest, aber wenn es um die stoffliche Produktion und die dafür nötigen Produktionsmittel geht, sieht das anders aus. Soll das nun alles neu gebaut werden? Ist das nicht ökologischer Wahnsinn? Warum also nicht Aneignung der Produktionsmittel und Einsatz für die allgemeine Emanzipation?

Dagegen spricht, dass viele Produktionsmittel nicht neutral sind, sondern die soziale Form und damit der Zweck der Verwertung in ihre stoffliche Gestalt eingeschrieben ist. Das fängt damit an, dass die meisten Güter – Produktionsmittel wie Konsumgüter – closed-source und überkomplex sind, um einerseits Nutzer abhängig zu machen und zum anderen den Nachbau zu verhindern. Auch das ist sachliche Herrschaft!

Opensourcing und Peer-Produktion ist nun eine Bewegung, diese in die nicht-stofflichen wie stofflichen Güter eingeschriebene Herrschaftsmatrix, die Exklusionslogik, aufzubrechen. Es ist eine allgemeine Bewegung zur Wiederaneignung der eigenen produktiven Potenzen, von Kreativität, Wissen und Fertigkeiten. Das ist die Voraussetzung dafür, um überhaupt so etwas wie eine Produktion jenseits der Warenform aufbauen zu können. Aus der Warenproduktion heraus ist so ein Prozess kaum denkbar – es sei denn, eine Firma gibt ein Geschäftsfeld auf oder geht Pleite, oft nehmen sie jedoch ihr Wissen mit in die Insolvenz.

Opensourcing und Peer-Produktion sind Voraussetzungen, andere Zwecke in die Produkte selbst einzuschreiben. Das möchte ich an einem Beispiel illustrieren. Traktoren werden für die landwirtschaftliche Produktion benötigt, sei es vom Ökolandbau, der konventionellen Produktion oder der nicht-kommerziellen Landwirtschaft, die ihre Produkte nicht vermarktet, sondern verteilt. Solche Traktoren sind teuer, closed-source und überkomplex. Es ist ihr Zweck, abhängig zu machen und irgendwann ersetzt zu werden – Stichwort: geplanter Verfall. Solche Traktoren kann man kurzfristig nutzen, wenn man sie hat, sie sind für eine allgemeine Emanzipation jedoch nicht zu gebrauchen. Sie müssen neu entwickelt werden. Dabei müssen wir unsere Kriterien in den Traktor einschreiben: Modularität, Einfachheit, Langlebigkeit, niedriger Betriebsaufwand, geschlossene Stoffkreisläufe, Eigenbau, flexible Fertigung, hohe Leistung. Open Source ist dafür die unabdingbare Voraussetzung. Wir müssen den Traktor neu bauen in dem Maße wie wir die Gesellschaft neu bauen.

Das Projekt „Open Source Ecology“ (OSE) hat sich genau dieses Ziel gesetzt: Neuentwicklung bekannter Maschinen. Nicht nur den Traktor, sondern im ersten Schritt die 50 wichtigsten Produktionsmittel, um eine lokale Produktion aufzubauen. „Global Village Construction Set“ (GVCS) nennen sie es. Dabei handelt es sich nicht um ein warenkritisches Projekt. Sie unterliegen sogar der Illusion, das Projekt irgendwann durch den Verkauf der Produkte finanzieren zu können. Ich hoffe, dass sie erfahren werden, dass es ihre Ziele beschädigt, wenn sie sich auf den Markt ausrichten. Bislang ist es nicht nötig, da sie aufgrund großer Aufmerksamkeit ganz gut von Spenden leben können. Denn das ist klar: Die Werkzeuge zum Bau der neuen Produktionsmittel kaufen sie ganz herkömmlich ein. Bislang sind sie noch nicht zu „Investionsmitteln“ mutiert, die sich in der Verwertungslogik irgendwann wieder bezahlt machen müssen. Mal sehn, ob es so bleibt. Auch das ist ein Lernprozess.

OSE mit dem GVCS ist nur ein Beispiel aus einer Liste von 300 offenen Hardware-Projekten, die im Wiki der P2P-Foundation geführt werden (p2pfoundation.net/Product_Hacking). Nach Freier Software, Freiem Wissen und Freiem Design ist Opensourcing jetzt in der physischen Welt angekommen. Sehr wichtig finde ich auch zu beachten, dass es nicht nur darum geht, die Produktion im engeren Sinne auf eine neue Grundlage zu stellen, sondern dass sich gleichzeitig die sozialen Beziehungen verändern. Die Effekte, die du auch schon für Kooperativen berichtet hast, kommen unter Commons-Bedingungen erst recht zum Tragen. Ferne zu Markt bedeutet Entscheidungsfreiheit, aber auch Verantwortung. Wenn es den Scharfrichter des Marktes nicht gibt, müssen alle Konflikte – etwa, welche Bedürfnisse Vorrang haben sollen – direkt sozial ausgetragen werden. Dafür brauchen wir neue Formen der Kommunikation und Entscheidung. Erfahrungen wie sie im Occupy-Kontext mit den Asambleas gesammelt werden sind dabei wichtig. Allerdings könnte die Vernetzung zwischen den opponierenden und konstruktiven Bewegungen noch besser werden. Wir brauchen beides.

Bedeutet Neubau aller Mittel nicht eine ungeheuren Ressourcenaufwand, den wir uns nicht leisten können? Ist also der Open-Source-Weg keiner für die ganze Welt? Das sehe ich nicht so. Das Argument übersieht, dass der laufende Kapitalismus in ungeheurer Geschwindigkeit permanent seine komplette produktive Basis erneuert. Aus diesem Wachstums- und Erneuerungswahnsinn gilt es auszusteigen, indem nicht mehr die alten, proprietären, monolithischen Wegwerfgüter, sondern langlebige, modulare, reparierbare Open-Source-Güter produziert werden. Nur so kann die kapitalistische Produktionsweise auf der stofflichen Seite beendet werden: durch Ersetzung mit einer stofflich und sozial qualitativ neuen Produktionsweise jenseits von Ware, Markt, Arbeit, Kapital und Staat. Also: Aneignung der „alten“ Produktionsmittel ja, aber nur zum Zweck des stofflichen Ausstiegs aus der alten Produktionsweise.

Theorie als Praxisreflexion

Schließen möchte ich mit dem Theorie-Praxis-Verhältnis. Hier stimme ich dir weitgehend zu, dass Theorie alleine nichts bewegen kann, aber Praxis alleine möglicherweise das Falsche. Ob dem so ist, kann man wiederum zwar gedanklich bewegen, aber nicht entscheiden, auch das ist wiederum eine praktische Frage. Jedoch halte ich den Kampf-Gegen für überbetont. Diese Überbetonung kommt aus der Hoffnung, dass irgendwann aus dem Kampf-Gegen zauberhafter Weise ein Kampf-Für wird. Das sehe ich jedoch nicht. Der letzte große Kampf-Für, nämlich der für den Sozialismus, ist scheppernd verloren gegangen, weil er – das können wir heute theoretisch erkennen – doch nur ein Kampf für eine Variante der Warenproduktion war. Auf dem Gebiet der Warenproduktion ist der Kapitalismus jedoch unschlagbar. Der Kampf-Gegen kann nur ein Kampf gegen neue Zumutungen, Einschränkungen, Bedrängnisse sein – ein Dämme-bauen, ein Verteidigen der Lebensansprüche. Die neuen Schiffe zum Übersetzen ans andere Ufer entsteht in den Werkstätten der commons-basierten Peer-Produktion, der neuen Produktionsweise, die wir schrittweise aufbauen. Eins geht ohne das andere nicht.

Nachdem ich die Differenz betont habe, möchte ich zum Schluss das Gemeinsame in der Differenz herausheben: Es ist das gemeinsame Lernen. Alle Formen, die wir ausprobieren, sind Orte des Lernens und der Reflexion. So wie du um die Grenzen der Kooperativen weißt, sind mir viele Widersprüche in der commons-basierten Peer-Produktion bewusst. Grenzen und Widersprüche gehen jedoch nicht auf unsere Dummheit zurück, sondern auf die Dummheit des kapitalistischen System, das dabei ist, sich selbst aus der Welt zu verabschieden, aber leider nicht friedlich gehen will. Wir werden noch eine Weile damit zu tun haben.

Vielen Dank, Andreas, für das Gespräch.

Andreas: Ja, es geht um das soziale Lernen. Meiner Meinung nach hast du auch den allgemeinen Stellenwert sozialer Kämpfe gut ausgedrückt. Du sprichst deren Betonung an, die wechseln kann. Die Notwendigkeit, den Kampf zu betonen, bestimmt sich, so glaube ich, über die historische Situation.

Es ist in der Tat sehr wichtig, den Inhalt der Produktion zu verändern. Gelingt das ohne Fabriken, Büros und Land zu besetzen oder sonstwie anzueignen: umso besser. Das ist aber, wie ich denke, nur zu einem Teil, meiner Meinung nach nur zum geringeren Teil möglich. Außerdem glaube ich nicht, dass Kleinheit, Einfachheit oder Dezentralität einer Technologie an sich schon Autonomie garantiert. Auch geht es ja nicht nur um den Umbau, sondern ebenso um die Stilllegung. Profitable Betriebe sperren nicht aus freien Stücken zu. Aber vielleicht widerlegt mich eine Zukunft, die angesichts der drängenden Probleme freilich auch nicht allzu fern sein sollte.

Sofern Menschen, wie etwa in Venezuela heute, einmal an dem Punkt sind, dass sie Brückenköpfe im Staat errungen haben und substanzielle Mittel in der Hand haben, die gesellschaftliche Transformation weiterzutreiben, dann sollte das Moment des Kampfes meiner Meinung nach in den Hintergrund treten.

Die Betonungen zwischen Konstruktion und Destruktion, zwischen Attraktion und Aggression ändern sich also immer wieder, und wir beide setzen sie unterschiedlich.

Ich danke dir auch, Stefan, für die Debatte.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Fetischismus und Sachzwang

Ein Gespräch zwischen Andreas Exner und Stefan Meretz

Teil 3 (Teil 1, Teil 2)

[Erschienen in: Grundrisse 42/2012]

Stefan: In dem von mir angebrachten Zitat nimmt Marx tatsächlich einen überhistorischen Standpunkt ein, in dem er die genuine Freiheit des Menschen als Kriterium für den geschichtlichen Prozess nimmt. Allerdings muss er da nichts konstruieren, sondern bewertet die ersten beiden Etappen als Verhältnisse, die auf persönlicher bzw. sachlicher Abhängigkeit basieren. Dass Marx die ersten Abhängigkeitsverhältnisse „naturwüchsig“ nennt, finde ich dabei nicht wichtig, den Feudalismus meint er damit ohnehin nicht. Das Wort „persönlich“ darfst du nicht zu eng sehen, heute würden wir vielleicht treffender von „personalen Abhängigkeitsverhältnissen“ sprechen – eine zutreffende Kennzeichnung für die vorkapitalistischen Gesellschaften wie ich finde, ebenso wie die relative individuelle Freiheit bei sachlicher Abhängigkeit im Kapitalismus.

Ich sehe nicht, dass die von dir auswählten Zitate das Gegenteil belegen. Marx zeigt dort nur, dass sachliche Abhängigkeitsverhältnisse personal exekutiert werden müssen. Marx ist da ansonsten ganz klar: „Diese sachlichen Abhängigkeitsverhältnisse im Gegensatz zu den persönlichen erscheinen auch so (das sachliche Abhängigkeitsverhältnis ist nichts als die den scheinbar unabhängigen Individuen selbständig gegenübertretenden gesellschaftlichen Beziehungen, d.h. Ihre ihnen selbst gegenüber verselbständigten wechselseitigen Produktionsbeziehungen), daß die Individuen nun von Abstraktionen beherrscht werden, während sie früher voneinander abhingen.“ (S. 24).

Mit sachlicher Abhängigkeit meint Marx die fetischistische Verkehrung von sozialen und sachlichen Verhältnissen, in denen die Sachzwanglogiken der Verwertung den Menschen als Fremdes in Form von Abstraktionen, wie er sagt, entgegentreten. Aus meiner Sicht ist der Wert tatsächlich und nicht nur scheinbar ein Verhältnis von Dingen, nämlich das Verhältnis der zur Herstellung der Dinge, der Waren, erforderlichen gesellschaftlich durchschnittlichen Arbeitszeit. Das begründet jedoch noch keinen Sachzwang wie du annimmst. Der Zwang kommt erst ins Spiel, wenn die Arbeitenden ihre Arbeitskraft verkaufen und die Kapitalbesitzer_innen diese kaufen und verwerten müssen, um ihre Existenz innerhalb und unter Nutzung der gegebenen Produktionsweise zu sichern.

Dass es sich dabei um ein Herrschaftsverhältnis handelt, liegt auf der Hand, erklärt aber nicht die funktionale Logik. Im Sinne des Kapitalismus spricht nichts dagegen, dass die Arbeitsklasse auch die Verwertungs- und damit Kommandofunktion übernimmt und gewissermaßen über sich selbst herrscht. Das zunehmende Selbstunternehmertum besteht im Kern genau darin. Sachliche Abhängigkeit bedeutet also im umfassenden Sinne, dass wir von sachlichen Verhältnissen abhängig sind und dabei – sofern wir entscheiden, uns in ihnen bewegen – nicht abseits der Imperative handeln können. Wert und Verwertung beruhen wesentlich nicht darauf, dass die Kapitalklasse personal über die Arbeitsklasse herrscht, sondern Kapital und Arbeit sind gesellschaftliche Funktionen, die in einem sachlichen Abhängigkeitsverhältnis zueinander existieren und irgendwie personal realisiert werden müssen, ggf. eben von ein und derselben Person oder Gruppe. Kapitalismus ohne Klassenherrschaft geht nicht, aber die Klassenherrschaft ist nicht als personales, sondern als sachliches Abhängigkeitsverhältnis zu begreifen.

Nun führst du das Adjektiv „direkt“ ein, um den Vorrang der Personalität von Herrschaft zu begründen. Schließlich seien es am Ende immer Menschen, die direkt über andere Menschen herrschen. Das trifft auch zu, nur erfasst es das Wesen der von sachlichen Abhängigkeitsverhältnissen bestimmten Herrschaft nicht, sondern ist im Gegenteil Quelle von personalisierenden Umdeutungen dieser Verhältnisse, von Ausgrenzungen, Rassismen, Sexismen etc. Es liegt dann eben nahe, sich direkt gegen Personen zu wenden, die zu Verantwortlichen gemacht werden – „die Bank(st)er“ –, anstatt zu erkennen, dass sich auch diese in einer strukturell begründeten Herrschaftsmatrix bewegen. Das bedeutet überhaupt nicht, dass man sich nicht auch personal wehren soll, das ist absolut notwendig, doch wird damit eben nur „direkt“ die eigene Existenz innerhalb des Herrschaftsverhältnisses verteidigt, das Herrschaftsverhältnis aber selbst nicht berührt. Die personale Funktionalität sachlich begründeter Herrschaft besteht gerade darin, dass es immer welche gibt, die sich „oben“ auf Kosten derer behaupten, die weiter „unten“ sind. Diese Logik gilt von „ganz oben“ bis „ganz unten“, niemand kann sich hier ausnehmen. Es handelt sich um einen strukturell verankerten Herrschaftszusammenhang, der nicht ursächlich personal auflösbar ist. Aus meiner Sicht ist stattdessen die basale Logik selbst, die „wechselseitigen Produktionsbeziehungen“ wie Marx das nennt, qualitativ zu ändern. Dabei ist die Perspektive – auch ohne Geschichtsdeterminismus – von Marx und Engels benannt worden: Statt Verhältnisse, wo sich die Einen stets nur auf Kosten der Anderen durchsetzen können, sind dies solche, in denen „freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Kommunistisches Manifest).

Individualität und Peer-Produktion

In meinen Worten reformuliert geht es darum, die Produktionsweise, die auf einer Exklusionslogik basiert und diese erzeugt und dessen Bestandteil die Klassenherrschaft ist, durch eine Produktionsweise aufzuheben, die in einer Inklusionslogik gründet. Die Aufhebung der Klassenherrschaft kann nur gelingen, wenn mit ihr die zugrunde liegende sachlich strukturierte Exklusionslogik mit aufgehoben werden kann. Ein Blick alleine auf die gesellschaftliche Kapital- und Arbeitsfunktion und ihre entsprechenden Klassenrepräsentationen finde ich zu eng. Die Logik der Exklusion speist sich aus wesentlich mehr Quellen, die personale Unterschiede zur Herrschaftssicherung von „ganz oben“ bis „ganz unten“ nutzt: Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie usw.

Wie soll die gigantische Aufgabe aber gehen? Hier bringt Marx die „freie Individualität“ ins Spiel. Damit kennzeichnet Marx Verhältnisse, die weder personale, noch sachliche Abhängigkeiten kennen. Die einzige Abhängigkeit, die es dann noch gibt, ist bestimmt durch das Verhältnis von menschlichen Bedürfnissen zu den Möglichkeiten ihrer Befriedigung. Doch freie Menschen können sich zu den Begrenzungen auch frei verhalten, das heißt, mit ihnen so umgehen, dass niemand mehr unter die Räder kommt oder sich auf Kosten anderer durchsetzt. Herrschaftsverhältnisse, gleich ob personal oder sachlich strukturiert, lassen das nicht zu. Eine freie Gesellschaft, in der Menschen ihre Individualität frei entfalten, schließt strukturell aus, dass sich die einen auf Kosten anderer durchsetzen. Eine solche inklusive Struktur legt auch individuell einen völlig anderen Fokus nahe, als wir ihn heute kennen: Nicht mehr, wie ich mich gegen andere behaupte, ist mein Bestreben, sondern wie ich Entfaltung der anderen Menschen als meine Entfaltungsvoraussetzung begreife und umsetze, ist die Frage. Von heute aus gesehen mutet das als bloße moralische Anforderung an, ist es aber nicht. Entwickelt sich eine Gesellschaft strukturell auf Grundlage einer Inklusionslogik, so tun es auch die Menschen – und umgekehrt. Es ist dann das Alltägliche wie heute die Ausgrenzung.

Wie das prinzipiell gehen kann, sehen wir bei bei der commons-basierten Peer-Produktion. Dabei handelt es sich um eine Keimform einer neuen Produktionsweise. Obwohl erst im Embryonalstadium, kann man zahlreiche Entwicklungen studieren, die für eine freie Gesellschaft verallgemeinerbar sind. Ich nenne nur schlaglichtartig einige Punkte: Entkopplung von Geben und Nehmen, Beitragen statt Tauschen, Vermittlung der Bedürfnisse ex-ante statt ex-post wie beim Markt, neue Formen der Inklusion und Offenheit. Nachteile und Probleme seien nicht verschwiegen: Inselcharakter, keine Stoffkreisläufe, Dominanz von Immaterialgütern, Abhängigkeit von der alten Verwertungslogik, Import von traditionellen Exklusionsformen u.a.m.

Während sich ein Bild einer freien Gesellschaft in dem Maße entwickelt wie praktisch neue Erfahrungen mit neuen commons-basierten Logiken gemacht werden, ist die Frage der gesamtgesellschaftlichen Transformation nach wie vor unklar. Hier gibt es mehr Fragen als Antworten: Wie können vorhandene Produktionsmittel genutzt werden ohne die vergegenständlichte Logik zu importieren? Diese Frage stellt sich für Universalmaschinen wie einen Computer sicherlich anders als etwa für Spezialmaschinen wie ein Stahlwerk. Wie kann die Bedürfnisvermittlung ex-ante, also vor einer Produktion erfolgen? Wie wird gesamtgesellschaftlich entschieden, was wann und unter Einsatz welcher Ressourcen hergestellt wird? Wir wissen nur, dass es Markt und Staat nicht sind, die das erledigen. Welche neue Institutionen brauchen wir? Wie wird sichergestellt, dass sich institutionelle Eigenlogiken nicht gegen die Bedürfnisse der Menschen wenden?

Diese Fragen stellen sich nicht nur akademisch, sondern für die einzelnen „Inseln“ höchst praktisch. Sie sind den sachlichen Zwängen unmittelbar ausgesetzt und müssen etwa für eine Finanzierung sorgen, obwohl ihnen klar ist, dass langfristig das Geld abgeschafft gehört.

Eine bloß „gradualistische Transformation“, also ein schrittweises Hinüberwachsen von der einen in die andere Logik wird es nicht geben. Wie aber wird sich der notwendige Bruch zwischen der alten und neuen Produktionsweise vollziehen können? Auch hier sind alte Modelle außer Kurs gesetzt, etwa die Vorstellung, mittels Politik über den Staat revolutionär oder reformatorisch die Transformation hinzubekommen. Andererseits wird auch einiges übernommen werden müssen, etwa große stoffliche Infrastrukturen, allein schon aus Ressourcengründen. Wie ist das jedoch mit einem Bruch vereinbar? Kontinuität und Bruch sind also als dialektisches Verhältnis zu begreifen, doch was heißt das?

Viele Fragen, von denen wir die meisten nicht am grünen Tisch beantworten können.

Solidarische Ökonomien

Andreas: Was an den Aspekten von Transformation, die ich schon heute zu erkennen glaube, so spannend ist, etwa in den Solidarischen Ökonomien Boliviens oder in den städtischen Gemeinschaftsgärten der industrialisierten Länder, um nur zwei Beispiele zu nennen, ist, dass die Veränderung von alltäglichen Praktiken ausgeht. Solche Veränderungen haben lange Geschichten.

In diesen alltäglichen Praktiken verändert sich auch das Denken und der Charakter der Menschen. Das ist sogar empirisch gezeigt worden, etwa am Beispiel strategischer Nischen der sozialen Basisinnovation, wie ich sie nennen würde, nämlich an Kooperativen. Das wurde unter anderem an Beispielen in Österreich untersucht. Menschen in solchen Kooperativen sind prosozialer und gleichheitlicher orientiert als Menschen in kapitalistischen Betrieben. Und zwar nicht, weil diejenigen, die von einer Kooperative aufgenommen werden, ohnehin schon eher prosozial und gleichheitlich orientiert sind, sondern weil die kooperativen, gleichheitlichen Produktionsverhältnisse jene Menschen prägen, die sie eingehen. Man darf solche Ergebnisse freilich nicht verabsolutieren, die Produktionsverhältnisse einer Kooperative oder sonst eines Zusammenhangs haben immer eine spezifische Geschichte und eine Feinstruktur, die wesentlichen Einfluss auf das emanzipatorische Potenzial ausübt. Mondragón-Kooperativen etwa zeigen sich weniger solidarisch mit der Belegschaft kapitalistischer Firmen als diese untereinander.

Dennoch würde ich die Bedeutung der Aneignung von Produktionsmitteln recht hoch veranschlagen. Nicht nur, weil man sie stofflich braucht und weil sie eine materielle Basis des Widerstands bieten gegen das Kapital, das, vermittelt über den Staat, ab einem gewissen Punkt einschreitet, werden seine Expansionsmöglichkeiten bedroht, besonders in der Krise. Sondern auch, weil vergleichsweise kleine Schritte der Transformation wichtige Veränderungen des Gesellschafts-Charakters erzeugen können, die weitere Schritte vorbereiten. Und diese Schritte der Transformation vollziehen sich gerade in Prozessen der Aneignung. Der Weg zu einer Kooperative ist daher meiner Meinung nach ebenso wichtig wie ihre interne Struktur, denn die Dynamik und die Perspektive entscheiden über ihren emanzipatorischen Charakter.

Herrschaftsmatrix

Du meinst, die Klassenherrschaft sei nicht aufzuheben ohne dass die ihr „zugrundeliegende“ sachliche Exklusionslogik mit aufgehoben wird. Da stimme ich dir zu, wenngleich ich nicht sehen kann, dass der Klassenherrschaft eine sachliche Exklusionslogik „zugrundeliegt“, wenn man damit ein historisches Prius oder eine logische Voraussetzung ansprechen wollte. Diese sachliche Exklusionslogik setzt der Staat fortlaufend ganz unsachlich in der sachlichen Form des Privateigentums durch. Er ist die Instanz der direkten Gewalt, die das Kapital benötigt. Die indirekte, sachlich erscheinende Gewalt des Geldes besteht nicht ohne die direkte Gewalt.

Die „sachliche Exklusionslogik“ ist in der Tat eine strukturell begründete Herrschaftsmatrix. Allerdings würde ich, das habe ich schon erwähnt, auch den Feudalismus als eine strukturell begründete Herrschaftsmatrix begreifen. „Direkte Herrschaft“ ist somit nicht eine Umschreibung für den Begriff der „persönlichen“ Herrschaft. Wie gesagt halte ich die Entgegensetzung von „persönlicher“ und „abstrakter“ Herrschaft nicht für überzeugend, denke jedoch, dass eine Unterscheidung von direkter und indirekter Herrschaft sinnvoll sein könnte.

Herrschaft ist nicht souverän im Sinne von selbstbestimmt, das ist wichtig festzuhalten. Ich glaube, das siehst du, wenngleich aus anderen Gründen, ähnlich. Herrschaft ist erstens Ergebnis psychischer Formierungen, die mit den Produktionsverhältnissen in Wechselwirkung stehen, und zweitens der Zuspitzung von Abhängigkeit. Herrschaft ist der wesentliche Grund für die Aufrechterhaltung eines Systems, das ihre Reproduktion ermöglicht, sei es kapitalistisch oder feudal. Das klingt tautologisch, und so ist es auch gemeint. Herrschaft hat keinen anderen Sinn als ihre eigene Reproduktion. Sie ist nicht ein Mittel für etwas anderes, Genuss zum Beispiel. Herrschaft ist lebens- und genussfeindlich. Sie ist in die Produktionsverhältnisse eingeschrieben, reproduziert sich in ihnen und erwächst aus ihnen immer neu.

Viel ist über den anscheinenden Selbstzweck der Kapitalverwertung geschrieben worden. Und in der Tat, an der Oberfläche des Marktes betrachtet macht G–W–G’ keinen Sinn, sie erscheint wie ein automatisches Subjekt, eine metaphyische Wesenheit, etwas ganz Unbegreifliches. Ich denke allerdings, dass die soziale Form des Kapitals eben genau das ist: die strukturell begründete Matrix der Herrschaft. Die Herrschaft selbst hat einen ganz einfachen und klaren Zweck: sich zu reproduzieren. Kapitalisten trachten danach Kapitalisten zu bleiben – ich unterstelle hier, wie gesagt, keinen freien, souveränen Willen. Und sie trachten nach dem Triumph über die Konkurrenz, um ihre Position in der Statushierarchie zu wahren und zu verbessern. Sie unterliegen damit, wohlgemerkt, einem gesellschaftlichen Zwang. Dem zu gehorchen fördert keineswegs Freude und Genuss. „Arbeit“ ist das allerdings auch nicht, sonst würden Kapitalisten Mehrwert produzieren, was sie nicht tun.

Zurück zum Selbstzweck der Reproduktion der Herrschaftsposition. Zur Verwirklichung dieses Zwecks müssen sich die Mitglieder der herrschenden Klasse dem Akkumulationsimperativ fügen, der unabhängig von ihrem kollektiven Willen wirkt. Es stimmt, dass diese Herrschaftsstruktur sich unglaublich fein verästelt, etwa in den Einkommensdifferenzen. Allerdings halte ich die Klassenspaltung für ihre Grundlage.

Ohne Klassenspaltung gibt es auch keine Marktwirtschaft, Markt und Kapital gehören zusammen.

Der Wert ist in der Tat kein Trick der Kapitalisten, da gehen wir konform. Er ist allerdings auch kein einfaches Verhältnis von Dingen, Dinge können kein Verhältnis eingehen. Der Wert erscheint wie ein Verhältnis von Dingen, und dieses Verhältnis scheint paradoxerweise materielle Macht auszuüben. Tatsächlich ist der Wert aber ein gesellschaftliches Verhältnis, eine Beziehung zwischen Menschen, wenngleich in dinglicher Gestalt. Er ist weder ein physikalisches noch ein psychisches Phänomen. Daher der Begriff des Fetischismus, der Wert ist eine eigene Gegenstandskategorie, wenn man so will. Ich spreche hier von der Wertform – du sprachst oben den Wert als Verhältnis der gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit, also seine Substanz und Größe an.

Jedenfalls: Weil ich die Herrschaftsverhältnisse für letztlich bestimmend halte und das Kapital als Herrschaftsverhältnis begreife, erwarte ich mir vom Zusammenbruch kapitalistischer Produktionsverhältnisse alleine noch nichts Gutes. Herrschaft wird sich weiterhin zu reproduzieren trachten – ob nun in der Form des Kapitals, in einer Art postmodernem Feudalismus oder in welcher anderen Form auch immer. Das ist eine große Gefahr, und die sollte man sehen.

Gemeingüterbasierte Produktionsweisen wie die Peer-Produktion im Bereich Freier Software sind nicht allein nicht-kapitalistisch, sie sind auch in gewissem Ausmaß herrschaftsfrei – wenn man ihren Kontext mal vergisst, der da hineinwirkt und auch die Peer-Produktion in bestimmter Weise formt. Das ist meines Erachtens wesentlich. Das gilt aber auch für Kooperativen, mitsamt ihrer zumeist sehr widersprüchlichen Einbindung in den Markt. Ich sehe keine wesentlichen Unterschied zwischen freier Software-Produktion und einer Kooperative, die sagen wir Waschmaschinen herstellt – mit Ausnahme des Umstands, dass die Kooperative die für ihr Produkt unmittelbar notwendigen Produktionsmittel kollektiv angeeignet hat.

Dass Freie Software nicht verkauft wird, die Waschmaschinen jedoch schon, scheint mir dagegen keine wesentliche Differenz zu sein. Denn diese Software wird ja nur deshalb nicht verkauft, weil die Kosten ihrer Produktion, die notwendige freie Zeit, die Computer etc., über die Lohnjobs der Programmierenden gedeckt sind. Das heißt nicht, dass ich den Software-Produzentinnen unterstelle, ihr Motiv wäre der Verkauf. Die machen das vielmehr aus Freude und Verantwortung. Ich möchte damit allerdings sagen: Man kann auf den Verkauf dann verzichten, wenn eine Quersubventionierung möglich ist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Kooperationen einzugehen, die den Markt auflösen. Das freilich ist genau der notwendige qualitative Sprung. Auch Kooperativen, die materielle Güter herstellen, schaffen das nur in sehr wenigen Fällen und in begrenztem Ausmaß. Es scheinen mir insbesondere solche Kooperativen, die aus sozialen Kämpfen heraus entstehen, solche Beziehungen zu entwickeln. Etwa besetzte oder „wiedergewonnene“ Betriebe. Das zeigt meines Erachtens das transformative Potenzial sozialer Kämpfe.

Warum ist der Aspekt einer Bewegung von Kooperativen so wichtig, meiner Meinung nach?

Erstens wachsen in dieser Bewegung die Fähigkeiten und auch die Möglichkeiten der Kooperation. Zweitens entspringt das Wachstum einer Bewegung von Kooperativen, die transformatorische Perspektiven aufmacht, schon dem Bruch mit Marktprinzipien und staatlicher Intervention. Denn diese Bewegung braucht Produktionsmittel, die sie weder als Geschenk erhält, noch in größerem Umfang kaufen kann. Der Markt macht sich drittens ab einem gewissen Punkt ihrer Entwicklung als innerer Widerspruch und äußere Barriere bemerkbar, was die Ausweitung der Kooperation fördern kann, sodass Marktverhältnisse zwischen den Kooperativen, sofern sie noch bestehen, aufgelöst werden. Diese Barriere wird aber nicht zwangsläufig überwunden, einzelne Kooperativen oder eine kooperative Bewegung können sich wieder in die bürgerlich-kapitalistischen Formen integrieren.

Sicherlich zeigt das Selbstunternehmertum nicht das Verschwinden der Klassenspaltung an, nur um das klar zu sagen. Die Klasse ist, so denke ich, keine „personale“ Kategorie. Nur um kein Missverständnis meiner Position aufkommen zu lassen. Es ist ganz gleichgültig, ob die Eltern eines Kapitalisten Kapitalisten waren oder er selbst als Tellerwäscher begonnen hat.

Klassenkampf und die „fiktive Ware“ Arbeitskraft

Für die Transformation ist, wie ich denke, der Klassenkampf wichtig. Da haben wir allerdings mit Sicherheit unterschiedliche Begrifflichkeiten. Das beginnt schon damit, dass ich den Klassenkampf nicht ökonomistisch verstehe – ebenso wenig wie das Kapital. Silvia Federici etwa hat, so glaube ich, gezeigt, dass das Kapital zugleich patriarchal und sexistisch strukturiert ist.

Meines Erachtens gründet der Klassenkampf auf dem Widerstand dessen, was im Kapitalverhältnis eben nicht aufgeht und nicht aufgehen kann und ist damit der Ankerpunkt von Emanzipation überhaupt. Dieser Widerstand ist immer spontan, nicht das Produkt von Manifesten oder Parteien. Klassenkampf ist dieser Widerstand nicht, weil sich zwei soziologisch homogene Blöcke irgendwo gegenüberstehen, schon gar nicht physisch, sondern weil dieser Widerstand systematisch, also strukturell notwendig entlang der Klassenspaltung entsteht, die das Kapital konstituiert.

Der Klassenkampf lässt sich meiner Meinung nach nicht auf einen immanenten Interessenkampf reduzieren. Ein Kampf, besser: ein Antagonismus immanenter Interessen, der also die Identität des Individuums mit der gesellschaftlichen Form voraussetzt, besteht zwischen Käufer und Verkäufer, und zwar, meines Erachtens, lediglich am Markt für Produktionsmittel. Am Markt für kapitalistisch hergestellte Konsumgüter kaufen die Lohnabhängigen lediglich einen Teil ihres Produkts zurück, sie erneuern die Abhängigkeit vom Kapital.

Betrachten wir den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit: Der Punkt ist hier, dass im Grunde der „Arbeitsmarkt“ kein Markt ist, die „Arbeitskraft“ keine Ware und die Arbeit kein Tausch. In Termini der bürgerlichen Ökonomie ausgedrückt sehr wohl. Aber das ist Ideologie, die man dechiffrieren muss. Karl Polanyi nannte die Arbeitskraft daher eine „fiktive Ware“.

Erstens ist das Ziel der arbeitenden Klasse primär nicht, Lohn zu erhalten. Wenn man um den Lohn nichts kaufen kann, ist er kein Ziel des Klassenkampfes. Der Lohn dient einem anderen Zweck, der Aneignung eines Teils des Produkts der arbeitenden Klasse, der zum Leben notwendig ist. Dieser Zweck, die Aneignung von Lebensmitteln, bleibt auch im Kommunismus bestehen, wird dann aber freilich kollektiv und ohne Marktvermittlung realisiert. Sekundär kommt der Lohn zum Zweck eines differenzierten Statuskonsums zum Einsatz und stabilisiert damit die Klassenspaltung. Der Profit des Kapitalisten ist dagegen vorrangig ein Mittel um seine Statusposition zu reproduzieren und erst in zweiter Linie das Einkommen, das sein Leben ermöglicht. Dafür würden ja auch der Lohn oder die Subsistenzproduktion genügen oder der Kommunismus.

Weil der Klassenkampf-von-unten nicht im Kapital aufgeht, kann er sich unter bestimmten Bedingungen auf die Aneignung der Produktionsmittel richten, von Fabriken, Land, etc.

Zweitens hat der Klassenkampf ein „Interesse“ im ökonomischen oder politischen Sinn gar nicht zur Voraussetzung. Ich spreche hier, nota bene, einmal ausschließlich vom Kampf zwischen arbeitender und kapitalistischer Klasse. Das ist allerdings weniger als die halbe Story. Meines Erachtens ist der Kampf zwischen den bäuerlich Produzierenden und dem Kapital sowie dem Kleinbürgertum, der so genannten Mittelschicht, wozu man wohl die unternehmerischen Farmer rechnen muss, wichtiger.

Analytisch ist der Klassenkampf meines Erachtens also nach wie vor eine wichtige Kategorie. Man muss dazu allerdings den Blick von oben, den Blick der herrschenden Klasse, der Partei, der intellektuellen Avantgarde oder des Kapitals mitsamt dem Co-Management der Gewerkschaft, aufgeben. Wie auch immer man dieses Moment nennen will, Demonetarisierung als eine emanzipatorische Perspektive hat es nicht nur mit Nischen sozialer Basisinnovationen zu tun, sondern ebenso mit der Frage der Aneignung von Produktionsmitteln verschiedener Art.

Deine Ausgangsfrage war, wie die Widersprüche in der Übergangsphase beschaffen seien, und wie gewährleistet werden kann, dass sich die „nach vorne“ hin auflösen. Entscheidend ist für mich, dass die Bewegungen der Demonetarisierung-durch-Aneignung sich gegen die Institutionalisierung in Parteien, im Staat, und gegen das Kapital richten. Der Aufbau des Neuen und die Ablehnung dieser Elemente des Alten sind ein- und dasselbe, von zwei Seiten aus betrachtet.

Wie siehst du das Verhältnis demonetarisierter, herrschaftsfreier Produktionsverhältnisse und der Aneignung dafür nötiger Produktionsmittel? Woher kommen deiner Meinung nach die sozialen Kräfte, die eine solche Aneignung vollziehen und stabilisieren – wenn du eine Aneignung überhaupt für notwendig hältst.

(→Teil 4 und Schluss)

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Herrschaftsverhältnisse – sachlich vs. personal

Ein Gespräch zwischen Andreas Exner und Stefan Meretz

Teil 2 (Teil 1)

[Erschienen in: Grundrisse 42/2012]

Stefan: Für mich ist die Unterscheidung von Struktur und Person sehr wichtig. Wenn ich von Exklusions-Logik spreche, dann meine ich damit die Struktur, in der ich mich gezwungen sehe, einer bestimmten Logik zu folgen, auch wenn ich als Person Exklusionen eigentlich ablehne. Wenn ich einen Job bekomme, bekommt ihn ein anderer nicht. Wenn ich ein Ware verkaufe, kann mein Konkurrent diesen Verkauf nicht realisieren etc. Das ist nicht vom persönlichen Wollen abhängig, sondern strukturelle Funktionslogik der Warengesellschaft.

Wenn du jetzt von ganz konkreten Menschen sprichst, die herrschen, dann ist das augenscheinlich gesehen richtig, analytisch jedoch nicht, wenn du diese Ausübung der Herrschaft schon für das Ganze nimmst. Die ausgeübte Herrschaft ist der ausgeführte strukturelle Zwang, dem wir alle unterliegen. Dabei dürfen wir „Zwang“ nicht als „Determination“ missdeuten, es gibt selbstredend Spielräume, wir können uns im Einzelfall auch verweigern. Doch im Durchschnitt müssen wir die Exklusions-Logik bedienen, weil wir mittels dieser unsere Existenz sichern. Die allermeisten strukturellen Ausschlüsse sind ohnehin wenig sichtbar. In der Regel weiß ich nicht, was ich mit dem Kauf einer Ware am anderen Ende der Welt anrichte.

Was es allerdings auch gibt, sind die Fälle von Herrschaft, wo Menschen sich mit ihrer Rolle identifizieren und darin gleichsam aufgehen. Indem sie die strukturellen Anforderungen als innere Zwänge wenden, versuchen sie aktiv unter Ausnutzung der Ausschluss-Logik ihre eigene Position zu behaupten. Wenn ich der Stärkere bin, dann funktioniert ja die Durchsetzung des Stärkeren tatsächlich – für mich auf Kosten der anderen. Dass darin aber auch ein Moment von Selbstfeindschaft liegt, kann man nur erkennen, wenn man die strukturellen Zwänge nicht personalisiert. Dies hat die Kritische Psychologie in ausgezeichneter Weise analysiert.

Ich kann also nicht zustimmen, wenn du davon sprichst, dass der „uneingeschränkte Geltungscharakter (des) Kommandos über den Menschen … das Wesen des Geld-Werts“ sei. Ich wähne mich mit Marx in Übereinstimmung, den Wert als gesellschaftliches Verhältnis zu begreifen und nicht als Ausdruck persönlicher Herrschaft. Um unsere Diskussion „nach vorne“ zu wenden, möchte ich gerne das folgende Zitat von Marx aus den „Grundrissen“ (S. 91) einbringen:

„Persönliche Abhängigkeitsverhältnisse (zuerst ganz naturwüchsig) sind die ersten Gesellschaftsformen, in denen sich die menschliche Produktivität nur in geringem Umfang und auf isolierten Punkten entwickelt. Persönliche Unabhängigkeit, auf sachlicher Abhängigkeit gegründet, ist die zweite große Form, worin sich erst ein System des allgemeinen gesellschaftlichen Stoffwechsels, der universalen Beziehungen, allseitiger Bedürfnisse und universeller Vermögen bildet. Freie Individualität, gegründet auf die universelle Entwicklung der Individuen und die Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktivität als ihres gesellschaftlichen Vermögens, ist die dritte Stufe.“

Neben der Bestätigung meiner Position, die ich darin zu erkennen vermag, ist mir vor allem die Perspektive der Aufhebung des Kapitalismus, die Marx hier formuliert, wichtig: Freie Individuen handhaben ihre gemeinschaftliche Produktivität als gesellschaftliches Vermögen. Ist das nicht genial von Marx? Er konnte es formulieren ohne ein praktisches Beispiel als Keimform vor Augen zu haben wie wir etwa mit der commons-basierten Peer-Produktion heute.

Wenn du nun die Art und Weise der Produktion, die Marx hier diskutiert, als Frage verstehst, der es „bloß (um) eine neue Form der Vermittlung unseres gesellschaftlichen Stoffwechsels“ ginge, dann unterschätzt du ihre Bedeutung. Es geht gewiss nicht „bloß“ – im Sinne von „nur“ – darum, aber wie wir unsere gesellschaftlichen Lebensbedingungen herstellen, wie wir produzieren, halte ich für die zentrale Frage. Diese wiederum ist identisch mit der Frage der gesellschaftlichen Vermittlung, denn gesellschaftliches Produzieren ist immer gleichzeitig ein Vermittlungsprozess.

Im Kapitalismus dreht sich die gesellschaftliche Vermittlung um den Wert, für die freie Gesellschaft, den Kommunismus, nimmt Marx nun an, dass sie sich um die „freie Individualität“ dreht. Diese Marxsche Herausforderung gilt es zu begreifen: Was bedeutet eine gesellschaftliche Vermittlung freier Individuen, die sich ihre gemeinschaftliche Produktivität als gesellschaftliches Vermögen unterordnen? Und was heißt das für die Aufhebung jeglicher Herrschaft?

Herrschaftsverhältnisse – jenseits von sachlich vs. personal?

Andreas: Lass mich den O-Ton von Marx aufgreifen. Er schreibt von „Verhältnissen“, die, wie er meint, sich „zuerst ganz naturwüchsig“ herstellen. Wir dürfen annehmen, dass er da den Feudalismus, vielleicht auch andere vor-kapitalistische Verhältnisse im Auge hat. Nun entstanden der Feudalismus und seine Vorläufer jedoch, das ist einmal der erste Punkt, nicht naturwüchsig, sondern ihrerseits aufgrund bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse. Was Europa betrifft gibt es dazu auch eine breite archäologische Evidenz.

Der zweite Punkt, den Marx in der Passage über die „erste Stufe“ betont, ist der „persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse“. Gibt es so etwas überhaupt in dem Sinn, wie es mir anzuklingen scheint, als ein ungesellschaftliches rationales Machtverhältnis, das man im Extremfall genauso gut auf zwei Menschen reduzieren könnte, die auf einer Insel leben? Meinem Eindruck nach unterliegt Marx hier der von ihm selbst kritisierten Fiktion einer Robinson Crusoe-Welt. Abhängigkeitsverhältnisse im hier verhandelten Sinn sind niemals persönlich – wir sprechen ja nicht von vormodernen, noch nicht institutionalisierten Lehrer-Schüler-Beziehungen oder dem Verhältnis von Mutter und Kind. Abhängigkeitsverhältnisse erscheinen vielmehr in einer historisch spezifischen sozialen Form, die als solche genauso unpersönlich ist wie der Wert. Und sicherlich sind diese Abhängigkeitsverhältnisse, wie auch der Wert, gesellschaftliche Verhältnisse.

In den von dir zitierten „Grundrissen“, die ja der Marxschen Selbstverständigung dienten, kommt Marx selbst übrigens an späterer Stelle zu einer Problematisierung einer allzu strikten Trennung zwischen „persönlicher“ und „sachlicher“ Herrschaft. Er schreibt, dass die „Herrschaft der Verhältnisse (jene sachliche Abhängigkeit, die übrigens wieder in bestimmte, nur aller Illusion entkleidete, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse umschlägt) in dem Bewußtsein der Individuen selbst als Herrschen von Ideen erscheint und der Glaube an die Ewigkeit dieser Ideen, d.h. jener sachlichen Abhängigkeitsverhältnisse, von den herrschenden Klassen, of course, in jeder Weise befestigt, genährt, eingetrichtert wird“ (S. 24). Zuvor noch stellt Marx fest: „Diese äußren Verhältnisse“ – womit er die sachlich, in Gestalt unter anderem des Geldes erscheinenden Herrschaftsverhältnisse meint, „sind so wenig eine Beseitigung der ‘Abhängigkeitsverhältnisse’, daß sie nur die Auflösung derselben in eine allgemeine Form sind; vielmehr das Herausarbeiten des allgemeinen Grundes der persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse sind.“

Der Markt funktioniert so ähnlich wie das Bentham’sche Panoptikum: eine Struktur, die scheinbar aus sich heraus Zwang ausübt – dieses Moment sprichst du sehr stark an, und es existiert für sich genommen tatsächlich. Nur möchte ich darüber nicht vergessen, dass, um im Bild zu bleiben, das Panoptikum Menschen braucht, die andere Menschen inhaftieren, ihnen Essensrationen bringen etc. Auch der Wächter muss persönlich und konkret präsent sein – das Panoptikum funktioniert sehr effizient, aber nicht ohne direkte Herrschaft. Es vervielfacht die Wirkung direkter Herrschaft. Schließlich muss so ein Gebäude auch gebaut und erhalten werden. Die Gegenüberstellung von „abstrakter“ oder gar „subjektloser“ Herrschaft und „konkreter“ oder „persönlicher“ Herrschaft erfasst, glaube ich, nicht die reale Funktionsweise von Markt, Kapital, Staat und Patriarchat.

Wie ich schon sagte, ist an Herrschaft und am Herrschenden nichts souverän. Was die psychologische Ebene angeht, so zeigt das für dich die Kritische Psychologie. Ich begreife es mit Hilfe der Psychoanalyse. Ich denke, wir kommen hier zum selben Ergebnis.

Lass mich noch auf den Punkt eingehen, den du ins Zentrum rückst: das Verhältnis zwischen Struktur und Person. Können wir diese beiden Kategorien strikt trennen? Die Individuen sind, denke ich, der Knotenpunkt sozialer Verhältnisse, die sie zugleich bilden. Das Individuum geht darin allerdings nicht auf. Dieser Umstand begründet die Emanzipation als Ziel und Möglichkeit. Was am Individuum in den Verhältnissen einer herrschaftlichen Gesellschaft aufgeht, ist die so genannte Charaktermaske, da passt der Begriff der Person, der ja ursprünglich Maskenträger bezeichnet, recht gut. Man könnte auch vom Gesellschafts-Charakter sprechen, wie Erich Fromm.

Ich würde daher Struktur und Individuum nicht einander entgegen setzen. Der Kapitalismus entstand nicht naturwüchsig, nicht ohne die bewussten Strategien der Herrschenden, und er besteht auch nicht naturwüchsig, aus sich selbst heraus fort.

Der Gesellschafts-Charakter ist die Vermittlung zwischen Struktur und Individuum. Das Konzept des Charakters ermöglicht uns, Herrschaft als eine gesellschaftliche Struktur zu analysieren, die zugleich in den und durch die Individuen wirkt. Ohne dieses Vermittlungsglied, so glaube ich, bleibt man entweder bei einem Strukturalismus, der die Verhältnisse des Kapitalismus ähnlich wie die Sachzwang-Ideologie der Neoliberalen mystifiziert und viele Momente seiner Funktionsweise unerklärt lässt, oder aber bei einer Personalisierung von Herrschaft, die du zurecht kritisierst.

Wenn ich sagte, es sei der „uneingeschränkte Geltungscharakter (des) Kommandos über den Menschen … das Wesen des Geld-Werts“, so meinte ich nicht, dies sei ein „persönliches“ Herrschaftsverhältnis, es ist allerdings letztlich ein direktes. Das kann man, denke ich, in jedem kapitalistischen Betrieb erfahren. Im Unterschied zum Feudalsystem sind die direkten Herrschaftsverhältnisse des Kapitalismus freilich flüssig, austauschbar, sie sind nicht mehr fest, so wie etwa die Bauern an einen bestimmten Feudalherren gebunden blieben.

Die Substanz des Werts ist abstrakte Arbeit. Der Wert setzt daher das Kommando über die Arbeitskraft voraus, das heißt das Kommando der Kapitalistenklasse über die Arbeiterklasse – ein gesellschaftliches Verhältnis, wie du ja auch feststellst. Auch entsteht das Kapital als Verhältnis historisch nicht als vermeintlicher Sachzwang des Werts, sondern als direkte Vertreibung der unmittelbar Produzierenden und ihre Unterjochung durch blutige Gewalt.

In den verschiedenen empirischen Formen des Werts, beim Geld angefangen, zeigt sich dieses Verhältnis zwischen Kapitalistenklasse und Arbeiterklasse nicht nur in einer objektivierten, sondern zugleich in einer flüssigen, von konkreten Qualitäten und Dingen unabhängigen Form. Der Wert ist nur scheinbar ein Verhältnis von Dingen. Wäre er das tatsächlich, dann hätten wir wirklich einen Sachzwang vor uns. In der Tat sind die Wertformen jedoch Ausdrücke eines Verhältnisses zwischen zwei Klassen, das den Menschen als scheinbare Eigenschaft von Dingen zurückgespiegelt wird.

Der Unterschied zwischen der kapitalistischen Herrschaft und anderen, auch früheren Herrschaftsformen ist also meines Erachtens nicht, dass sie keine gesellschaftlichen Verhältnisse sind. Wie könnte man Herrschaft anders als ein gesellschaftliches Verhältnis denken?

(→Teil 3)

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Upcoming Barcelona activity


Please drop by for this if you are in Barcelona...

9 July, Monday 7 pm
Trade School Barcelona at AureoSocial, Carrer de Sardenya 261–63, Barcelona 08013
A short talk — in English but translated into Castellano/Catalan — then participate in a bi/tri-lingual discussion on key themes in Life Without Money presented by the book's co-editor, Anitra Nelson, interpreted by Carolina Zerpa. The book's ten contributors argue that non-monetary systems of mutuality are essential to create socially just and environmentally-friendly practices. The book presents practical and strategic ways to construct a world without money. The workshop explores these ideas.
In exchange, participants side of the barter is to come along with 4 lists of:
1. 5 things you have available or services you can offer
2. 5 things or services you would like in return
3. 3 questions you have about a world without money
4. 3 to 5 examples of things you have done within the last week for free, but other people get paid for when they do them.
For more details, see Trade School Barcelona or contact 935 535 715
a barcelona@tradeschool.coop o llama al 935535715

Jul 9, 2012 Monday
7:00pm to 8:30pm
Aurea Social
Calle Sardenya 261-263, Barcelona
Una breve charla y debate abierto alrededor de los puntos claves del libro Life Without Money: Building Fair and Sustainable Economies(La vida sin dinero: construyendo economías justas y sustentables), presentado por Anitra Nelson, coeditora. Los diez colaboradores del libro explican a través de la teoría y de sus propias experiencias, como los sistemas no monetarios basados en la reciprocidad son esenciales para crear prácticas socialmente justas y ambientalmente sostenibles. El libro presenta ejemplos prácticos y estratégicos para la construcción de un mundo sin dinero. Este taller pretende explorar estas ideas a través de la participación y el debate abierto.
About the teacher, Anitra Nelson
Me dedico, entre otras cosas, al activismo medioambiental, prácticas creativas, la investigación académica y la enseñanza, la permacultura. Intento vivir de formas alternativas y trato de aprender, escuchar y observar lo más posible a través de mi vida. Trabajo a tiempo parcial, por dinero, en la Universidad RMIT (Australia). Actualmente estoy en el extranjero por unos meses realizando un trabajo de investigación de los sistemas de intercambio no basados en la economía de mercado.

Der schwierige Weg der Transformation

Ein Gespräch zwischen Andreas Exner und Stefan Meretz

Teil 1

[Erschienen in: Grundrisse 42/2012]

Andreas Exner und Stefan Meretz bloggen regelmäßig zu Fragen der gesellschaftlichen Transformation (auf social-innovation.org und keimform.de) und unterstützen die Initiative demonetize.it. Doch über das „Wie“ der Transformation und Demonetarisierung gibt es unterschiedliche Auffassungen. Das ist das Thema des folgenden Gesprächs.

Stefan: Ich denke, dass die Aufhebung des Kapitalismus kein schlagartiges Ereignis sein kann, keine Revolution im Sinne eines Aufstands, nach dem alles anders wird, sondern ein widerspruchsvolles Herauswühlen aus den sozialen Formen ist, die der Kapitalismus ein paar hundert Jahre lang als scheinbar „natürliche“ etabliert hat. Doch wie sind die Widersprüche in der Übergangsphase beschaffen? Wie kann verhindert werden, dass sich neue Ansätze doch nur als Modernisierungsimpulse für die „alte Scheiße“ (Marx/Engels) entpuppen? Welche Triebkräfte sorgen dafür, dass Widersprüche „nach vorne“ in Richtung Emanzipation gelöst werden? Um welche Widersprüche geht es aus deiner Sicht?

Andreas: Da stellst du gleich eine Reihe großer Fragen. Lass mich mal damit beginnen, wie man überhaupt diese „Natürlichkeit“ der herrschenden Verhältnisse angehen kann. Da reicht ein Aufstand bei weitem nicht, weil, wie du sagst, die sozialen Formen des Kapitalismus über einen langen Zeitraum hinweg mit Gewalt etabliert worden sind – Geld und Markt, Lohnarbeit und Kapital, der Staat. Der Staat und seine Vorläufer hielten die auch immer dann, wenn sie praktisch infrage gestellt worden sind, mit Gewalt aufrecht. Wenn wir von sozialen Formen sprechen, dann haben die auch einen Inhalt, und der ist im Kapitalismus letztlich die Herrschaft von Menschen über Menschen. Auch dieser Inhalt wird als „natürlich“ angesehen, nicht nur seine spezifischen Formen. Auch wenn der eine Aufstand nicht ausreicht – aufständisches Denken und Handeln halte ich dennoch für sehr wichtig, um überhaupt mal diese „Natürlichkeit“ aufzulösen.

Exklusionslogik und Herrschaft

Stefan: Aus meiner Sicht liegt das Problem noch tiefer. Wir leben ja nicht mehr im Feudalismus, wo tatsächlich und unmittelbar Menschen über Menschen herrschten. Re-Feudalisierungen lasse ich mal außen vor. Heute läuft das vermittelter, wobei der Inhalt in der verselbstständigten Verwertungslogik des Kapitals besteht: Aus Geld muss mehr Geld werden. Diese Logik des „ich muss mich rechnen“ ist das, was als „natürlich“ empfunden wird, oder zumindest als alternativlos. Allerdings ist es richtig, dass sich innerhalb dieser Logik, wo sich strukturell die Einen immer auf Kosten von Anderen durchsetzen müssen, gerade jene Menschen austoben können, die die Exklusions-Logik verinnerlicht haben und gleichzeitig über Machtmittel verfügen. Diese Erscheinungen würde ich allerdings nicht zur eigentlichen Ursache erklären.

Vielleicht ist das der Grund, warum ich mit dem bloßen Aufstand so meine Probleme habe. Was ist denn der Inhalt des aufständigen Denkens und Handelns? Ein Aufstand hat eine sehr kurze Reichweite, wenn er der Verwertungslogik keinen eigenen Inhalt entgegensetzen kann, wenn er also keine Vorstellung davon hat, wie die Lebensbedingungen jenseits des Sich-rechnen-müssens so geschaffen werden, dass alle gut leben können. Da reicht es nicht aus, einfach nur eine Umverteilung zu fordern, weil diese die Verwertungslogik nicht antastet. Grundsätzlich spricht nichts gegen Aufstände und Umverteilungen, aber für eine Lösung reichen sie nicht hin. Meine Kernfrage ist demzufolge: Was ist unser eigener Inhalt?

Andreas: Nun, wenn man sich ansieht, wie der Kapitalismus funktioniert, dann sieht man in der Tat, dass hier ganz konkrete Menschen über Menschen herrschen: im Betrieb, im Staat, in der Familie etc. Das ist aus meiner Sicht genau die Exklusions-Logik, von der du sprichst. Das Kapital ist der systematische Ausschluss der meisten Menschen von der Verfügung über Produktionsmittel, Maschinen, Gebäude, Rohstoffe, Land etc. Dieser Ausschluss nimmt die Form von Geld an und wird mit Gewalt gesichert, das Kapital ist eine bestimmte Form von Herrschaft. Herrschaft ist so gesehen kein Austoben, sondern steckt schon in der Geldform und im Kapital drinnen.

Richtig ist, dass diese Herrschaft den Beherrschten nicht immer einsichtig ist und auch den Herrschern nicht in allen Aspekten. Darüberhinaus kontrollieren die Herrschenden nicht das Gesamtsystem, in dessen Formen sie ihre Herrschaft ausüben. Das war aber auch im Feudalismus so. Die Ausübung von Herrschaft ist, so denke ich, generell nicht das Ergebnis eines sich selbst einsichtigen und souveränen Bemühens, sondern eine Form der Ohnmacht, des Unterworfenseins: Der Herrschende glaubt Stärke, Autonomie aus der Dominanz über andere zu gewinnen, diese vermeintliche Autonomie unterliegt aber dem Zwang, andere zu kontrollieren.

Den eigentlichen Unterschied zwischen dem Feudalismus und dem Kapitalismus sehe ich nicht in der Unpersönlichkeit von Herrschaft. Um ein Beispiel zu nehmen: Die Kirche agierte ihrer Ideologie gemäß nicht als eigenständige Institution, sondern als eine Einrichtung Gottes. Der Adlige war von Bluts wegen von der Bäuerin unterschieden, er agierte als Verkörperung einer Abstammungslinie. Die feudale Herrschaft war so gesehen ebenso fetischisiert, wenn man so will unpersönlich, wie die kapitalistische, aber auf eine andere Art. Die für beide Gesellschaftsordnungen notwendige Gewaltausübung ist jedoch letztlich immer persönlich.

Ein wichtiger Unterschied scheint mir vielmehr darin zu liegen, dass im Kapitalismus die relative Freiheit der Herrschenden durch die Geldform (den Markt) geprägt und limitiert ist. Die Marktkonkurrenz und der Klassenkampf zwingen sie dazu, einen großen Teil des Mehrprodukts, das sie sich aneignen, zu investieren. Zugleich erlaubt es die von den Produktionsmitteln getrennte Arbeitskraft, die Investitionen dazu zu nutzen, Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen und das Mehrprodukt zu vergrößern. Allerdings sollten wir die Freiheit der Feudalherrscher auch nicht zu hoch veranschlagen.

Die gesellschaftliche Substanz des abstrakten ökonomischen Werts, der sich im Geld ausdrückt, ist die abstrakte Arbeit, jene Tätigkeit also, die dem Kommando der Kapitalisten unterworfen ist, sich gegen Kapital austauscht. Gerade der uneingeschränkte Geltungscharakter dieses Kommandos über den Menschen, das Faktum, dass im Kapitalismus die Herrschaft eine von konkreten Bestimmungen abgelöste Form erhalten hat, ist das Wesen des Geld-Werts.

Wenn der Inhalt der sozialen Formen des Kapitalismus – und soziale Formen sind immer unpersönlich – die Herrschaft von Menschen über Menschen ist, dann muss unser eigener Inhalt der einer egalitären, kommunitären Beziehung von Menschen mit Menschen sein. So gesehen stellt sich das Problem nicht allein in der Weise, dass wir bloß eine neue Form der Vermittlung unseres gesellschaftlichen Stoffwechsels finden müssen. Der Kapitalismus ist etwas anderes als nur eine missglückte Art, den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur zu regulieren.

Allerdings muss dieser Stoffwechsel in der Tat reguliert werden – und zwar ohne Herrschaft. Das „Nein!“ eines fortgesetzten aufständischen Denkens und Handelns lässt sich nicht beirren, es verweigert sich der Logik des Sich-Rechnens und erschöpft sich nicht in Umverteilung. Aus dem „Nein!“ muss freilich ein „Ja“ erwachsen. Da bin ich ganz bei dir. Wo dieses „Ja“ anknüpfen kann, und was es eigentlich will, wird nach und zugleich mit dem „Nein!“ entscheidend.

[→Teil 2]

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Bioregionalism

Matthew Switzer of the Planet Drum Foundation in San Francisco (Shasta Bioregion) made contact to engage over our bioregional strategy for achieving sustainability in a world without money (outlined in Chapter 11 of Life Without Money). He writes:
Ever since I debated my economics-major college roommate about the paradox of value (aka the diamond-water paradox), and whether someone would ever trade a car for an apple (e.g. when the car owner is starving to death), it hit me that money — exchange value — is nothing more than an abstraction backed by “credit” that fuels the drive to produce, invest, extract and consume, inevitably drawing on the planet's ecologies as resources for this kind of development.
Beyond that, I was always intrigued by the more “anarchist” economic theories that called for the abolition of the wage-system, mutualism and mutual aid, etc. to free us from the wage-slavery in which we commit all sorts of atrocities in the name of a paycheck. Anyway, for the longest time I felt like no one really recognized this as a legitimate concern and even had a book in my head all lined up: "The Declaration of the Free Society for the Abolition of Money." But thanks to your book I can put that off for a while!
A while back Planet Drum Foundation put together a Bioregional Association of North America (BANA) to bring together bioregional groups and restore natural systems, develop sustainable practices, and create a cultural identity based on the nature of one's place. It was dissolved before I began working here, but I believe something like it is critical, and perhaps if it was organized as a moneyless economy, it could really open up volunteer opportunities for restoration projects and growing sustainable trade networks that could shift the economy away from material consumption of cheap plastics to a more healthy culture, eliminating detrimental work for money to survive and move instead towards more self-fulfilling life-styles. Such is the dream I guess, and I think Planet Drum would like to resurrect that project in some way.
Personally, I'd like to incorporate the idea of gift circles and non-monetary transactions as a primary method to halt the flows of capital and destructive practices of industry, and thought it would be a good idea to talk. The founding director of Planet Drum Foundation, Peter Berg, who did much to popularize the bioregional movement, was also part of the Diggers movement in the 60s counterculture in the San Francisco Bay Area that called for what they termed “The inevitable gift economy,” also outlined in “A Modest Proposal,”  so I thought it would be a great idea to start putting something together as part of our 40th anniversary next year.
We'd like to offer the opportunity for those willing to get together and discuss the possibility for a newendeavor to these ends. It’s not against the rules of bioregionalism to help other bioregions, so what kinds of activities or communications are important to include in a global bioregional network? Who knows, maybe we set up a “Federation for the Reinhabitation of Earth’s Ecologies” (FREE), and do everything we can to live up to the name… :)

If interested, please don't hesitate to send a message.

From one bioregion to another,
Matt — PDMembership@gmail.com

Konkurrieren — Kooperieren — Auskooperieren

[(Teil-)Beitrag zu dem neuen Commons-Buch (Commons – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat, Hg. Silke Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung); Lizenz: CC BY-SA. Beide Teile gibt's in einem PDF.]

Commons funktionieren anders als Unternehmen, die auf dem Markt um An­teile konkurrieren. Nur selten gelingt es diesen, der Verdrängungskonkurrenz durch Schaffung neuer Märkte aus dem Weg zu gehen. Die Marktlogik besagt: Verdränge oder du wirst verdrängt. Konkurrenz ist nicht ursächlich das Resul­tat von Gier oder bösem Willen, sondern sie ist ein objektiver Effekt dieser Logik.

Am anderen Ende des Spektrums steht die Kooperation. Kooperation bedeutet, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Sie ist ein Wesensmerkmal menschlicher produktiver Tätigkeit und die Grundlage von Commons.

Kooperation ist kein Gegensatz zur Konkurrenz. Auch Unternehmen organisie­ren Kooperation im Innern, da ihre Produkte sonst niemals entstehen könnten. Sie kooperieren aber auch nach außen, indem sie sich mit anderen Unterneh­men zusammenschließen, um gemeinsam schlagkräftiger zu sein. Kooperation bei Unternehmen ist also die Voraussetzung von Konkurrenz, nicht ihr Gegen­teil.

Commons hingegen kooperieren, um zu kooperieren. Kooperation ist gewis­sermaßen Mittel und Ziel in einem. In der Kooperation werden zwei Dinge erzeugt: die sozialen Strukturen und Praktiken (»Commoning«) und die Pro­dukte – welcher Art auch immer. Kurz: Kooperation erzeugt Kooperation und Nützliches.

Bei Commons gibt es keinen großen Antrieb, zu anderen in Konkurrenz zu treten. Im Gegenteil: Wenn die selbst gegebenen Regeln nicht stark genug sind und sich Konkurrenz einschleicht, bedroht das die Commons. Besonders deut­lich ist dies bei rivalen Ressourcen und Gütern. Zweigt etwa ein Teilnehmer mehr Wasser ab als verabredet, kann dies andere dazu verleiten, sich ebenfalls »ihren Anteil« zu sichern. Die jeweils anderen werden zu Konkurrenten, und am Ende verlieren alle. Etwas anders sieht es bei nichtrivalen Ressourcen aus. Hier kann es durchaus parallele Projekte geben, die das gleiche Ziel verfolgen.

Doch auch diese Parallelität ist keine Konkurrenz im herkömmlichen Sinne, da es nicht darum geht, das jeweils andere Projekt zu verdrängen. Der eigene Er­folg hängt nicht vom Misserfolg des »Konkurrenten« ab. Vielmehr ist niemand daran gehindert, die Ergebnisse des anderen zu übernehmen. Die Beziehungen zwischen den »Konkurrenten« sind also kooperativer Natur.

Das war die Sicht nach innen oder zwischen Commons-Projekten. Nach»außen«, zu parallelen Entwicklungen auf dem Mark, ist die Sache kompli­zierter. Hier ist die Perspektive entscheidend. Aus der Sicht des kommerziellen Marktteilnehmers ist ein Commons-Projekt ein echter Konkurrent, wenn dieser den eigenen Marktanteil schmälert. So hat die Firma Brockhaus ihren Markt­anteil fast komplett an Wikipedia verloren. Aus Sicht des Commons-Projekts ist der kommerzielle Marktteilnehmer dann neutral, wenn dieser den Commons nicht die Ressourcen entzieht. Die eigenen Aktivitäten richten sich nicht darauf, den kommerziellen Konkurrenten zu verdrängen, sondern darauf, dass sich das eigene Projekt gut entwickelt. Dabei kann ein Commons-Projekt die kommer­zielle Konkurrenz auch auskooperieren. Dies geschieht immer dann, wenn Com­mons tatsächlich besser sind als die kommerziellen Anbieter, wobei »besser« sich an den Bedürfnissen der Nutzer und den Motiven der Produzenten be­misst. Wikipedia hat die unfreien Enzyklopädien nicht nur deshalb auskoope­riert, weil sie aktueller und frei zugreifbar ist, sondern auch weil Interessierte mitarbeiten können. Das ist im kommerziellen Produktionsmodell mit seiner Trennung von Produzenten und Konsumenten nicht vorgesehen.

Konkurrenz und Kooperation sind zunächst einmal kein Gegensatz. Konkur­renz braucht unabdingbar die Kooperation, aber eine Kooperation kann auch gut ohne Konkurrenz auskommen.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Kapitalismus der Dinge

Für mich waren die Commons in vielerlei Hinsicht eine Erleuchtung. Wenn Commons nicht bloß eine »Sache« ist, sondern vor allen die soziale Art und Weise, eine »Sache« herzustellen und zu erhalten, dann gilt das auch für die kapitalistische Elementareinheit, die Ware. Auch die Ware liegt nicht bloß im Regal und wartet darauf gekauft zu werden, sondern sie steht für die soziale Beziehung, die erforderlich ist, sie herzustellen (um Erhalten geht es selten).

Wenn das so ist, dann müsste man die »Sozialität« den Waren oder den Commons als Sachen auch ansehen. Sie müssten die sozialen Beziehungen, die »in sie geflossen sind« auch in ihrer Gestalt zeigen, dachte ich mir. Es ist so. Auf drastische Weise zeigt das der Film Behind the Screen.

Wieso soll man den Handy- und Computer-Waren ihre »Sozialität« ansehen, sie sehen doch im allgemeinen ganz schick aus, oder? Eben. So wie über die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Mantel des Schweigens gedeckt wird, erhält die Ware eine schickes Outfit. Do not open!  Nicht hingucken und nicht reingucken.

Was man sieht, wenn man mal hinguckt

… davon handelt der Film Behind the Screen. Er zeigt die zwei Seiten der Warenproduktion: vor der Nutzung durch einen Käufer und danach. Vor der Nutzung geht es um werbewirksame Leistung und Outfit. Für Handys und Computer werden weltweit seltene Rohstoffe eingekauft, die unter für Mensch und Umwelt unvollstellbar zerstörerischen Methoden gewonnen werden. Der Zusammenbau erfolgt in abgeschotteten Fabriken, die nur dann Schlagzeilen machen, wenn die Selbstmordrate der Arbeiterinnen ein gewisses Maß überschreitet.

Und schließlich das Ende der Waren. Ungefähr drei Viertel des Elektronikschrotts landet im Süden — deklariert als Gebrauchtgeräte, denn Müllexport ist verboten. Kinder brennen aus dem Schrott einige Metalle heraus, Kupfer und anderes, und setzen dabei Gifte frei, die sie töten werden: »Eine Menge der Kinder, die hier arbeiten, werden ihren 20. Geburtstag wohl nicht erleben«. Auch das zeigt der Film.

Was man sieht, wenn man reinguckt

… dazu muss man schon den eigenen Blick schärfen. Sieht ja alles so schick aus, auch unter der Haube. Doch was sehen wir dort: Extrem hohe Integration der kleinsten Bauteile. Die Ware ist ein monolithischer Klotz. Unreparierbar mit in der Regel inkompatiblen Komponenten, sobald man die Grenzen des Geräts verlässt, und das soll auch so sein. Neukaufen bringt Profit, nicht selbst reparieren. Modularität, Kompatiblität, Interkonnektivität, Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Recyclebarkeit sind Fremdworte.

Ökonomen nennen die gemacht-unerwünschten Effekte Externalitäten. In Wikipedia-Worten sind es die »unkompensierten Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf unbeteiligte Marktteilnehmer«. Unkompensiert, eine Verniedlichung, die das gängige Denkmuster zeigt. Denn wäre durch Kompensation etwas gewonnen? Wenn die Umwelt bereits zerstört ist und die Menschen schwer erkrankt oder gestorben sind? Sicher könnte man etwas »ausbessern« und »helfen«, im Nachhinein, aber eine Lösung wäre das nicht, eher eine Befestigung des schlechten Zustands.

Eine Lösung braucht eine neue Produktionsweise. Doch dieser Gedanke liegt völlig ausserhalb des ökonomischen Denkens. Wie eine Produktionsweise ohne destruktive Externalitäten aussehen kann, habe ich anderswo vorgestellt.

Für mich haben die Commons einen wichtigen Beitrag geleistet, um zu verstehen, dass es nicht reicht, innerhalb der bestehenden Produktionsweise andere Waren herzustellen, sondern dass die Produktion von Waren selbst das Problem ist. Warenproduktion ist nicht neutral, sondern sie verkörpert im unmittelbaren stofflichen Sinne — in den Produktionsmitteln und den Produkten — wozu sie dient: aus Geld mehr Geld zu machen. Der Film Behind the Screen liefert das (unkommentierte) Anschauungsmaterial.

Warenproduktion ist getrennte Privatproduktion. Diese Trennung erzeugt die Externalitäten, unter denen wir letztlich alle leiden (unbesehen der erheblichen Unterschiede). Commons bedeuteten im Kern Aufhebung der Trennung und Vermittlung der unterschiedlichen Bedürfnisse bevor produziert wird. Das ist ein Unterschied ums Ganze. Diese Potenz der Commons gilt es allerdings erst noch zu entfalten, aber sie wird auch weltweit immer mehr erkannt.

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Un Mundo Sin Dinero: El Communismo


In Adam Buick’s chapter in Life Without Money — and in his talk at Bolivar Hall (see post below) — he referred to a pamphlet Un Monde Sans Argent: Le Communisme (A World Without Money: Communism) published in France in 1975 by Les Amis de 4 Millions de Jeunes Travailleurs (The Friends of the 4 Million Young Workers), who had been influenced by situationists and the Italian communist Amadeo Bordiga, who Buick discusses in his chapter.

The libcom.org group, who describe themselves as ‘a small collective of libertarian communists based mainly in and around London and Brighton UK’, have reproduced some quotes translated into English here. These translations were originally printed in the Socialist Standard (July 1979), a publication of the Socialist Party of Great Britain (SPGB), of which Adam is a member.

The quotes show The Friends of the 4 Million Young Workers following a classic Marxist line, that ‘Communism is the negation of capitalism … a world where human activity will never again take the form of wage labour and where the products of such activity will no longer be objects of commerce.’

They envisage a world which operates on a ‘logic of sharing’, democratically planned to share responsibilities for, and results of, production (rather than barter, which they refer to as ‘primitive exchange’).

The publication appeared in Spanish too.

El Dinero No Se Puede Comer

This poster features the well-known quote pointing out that 'money cannot be eaten' — here in Spanish, 'el dinero no se puede comer'. It has been created by Santiago Armengod and can be viewed at the Just Seeds Artists' Cooperative website.