Nicht-aufteilbare Arbeiten im Freiwilligenspiel

Lily Braun (gemeinfrei, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lily_Braun.jpg)(Voriger Artikel: Vorzüge und Abwandlungen des Freiwilligenspiels)

Das Freiwilligenspiel basiert auf der Grundidee, dass die Menschen die notwendigen und gesellschaftlich gewünschten Tätigkeiten freiwillig und selbstbestimmt untereinander aufteilen. Die benötigten Tätigkeiten werden dabei in öffentlich einsehbaren Listen gesammelt, aus denen sich die Menschen Aufgaben heraussuchen, die ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechen. Allerdings gibt es auch Aufgaben, die sich nicht auf diese Weise aufteilen lassen, sondern bei denen von Anfang an klar ist, wer sich dafür zuständig fühlt.

Eltern wollen sich vielleicht um ihre jungen Kinder kümmern; andere haben pflegebedürftige Verwandte, Lebenspartner oder Freunde, die sie betreuen möchten. Und Hausarbeiten (kochen, waschen, putzen, kleine Reparaturen durchführen etc.) können am ehesten von den im jeweiligen Haushalt lebenden Personen erledigt werden.

Eine absolute Notwendigkeit, dass solche Tätigkeiten von bestimmten Personen übernommen werden, gibt es freilich nicht. In früheren Zeiten wurden die Kinder wohlhabender Familien oft von Ammen, Kindermädchen und Hauslehrern aufgezogen. Und zu Beginn des 20. Jahrhundert aufgekommene sozialistisch-feministische Reformbewegungen strebten eine kollektive oder “industrielle” Reorganisation dieser Tätigkeiten an.

So sah das von der Sozialdemokratin Lily Braun konzipierte „Einküchenhaus“ eine zentral bewirtschaftete Großküche für jedes Mietshaus sowie Kinderhorte und -krippen vor. Dies sollte Frauen aller Schichten von der Hausarbeit und Kinderbetreuung entlasten (Reuschling 2013: 156f). Später wurden ähnliche Ideen in manchen der israelischen Kibbuzim über mehrere Generation hinweg erfolgreich umgesetzt, etwa die gemeinschaftliche Erziehung der Kinder und Jugendlichen unter Gleichaltrigen mit nur losen Kontakten zu ihren Eltern. Ebenfalls verbreitet war die kollektive Haushaltsführung, die allerdings immer noch großteils von Frauen übernommen wurde (ebd.: 166ff).

Es gibt also keine gesellschaftliche Notwendigkeit dafür, dass bestimmte Dinge nur von ganz bestimmten Personen übernommen werden können. Dennoch sollten die Menschen in der Lage sein, sich bewusst für solche Aufgaben zu entscheiden, die dann niemand anders übernehmen kann, und das Freiwilligenspiel muss flexibel genug sein, mit solchen Entscheidungen umzugehen.

Eine weitere Aktivität, die sich nicht delegieren lässt, ist das Lernen. Wenn ich mir bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen will, bin ich damit eine gewisse Weile lang beschäftigt. Und wenn ich das Gelernte später zur Re/produktion der umfassenden Quasi-Flatrate einsetze, kommt es auch der Allgemeinheit zugute. Somit sollten meine Ausbildungszeiten auch als Beiträge ins Freiwilligenspiel einfließen können.

Berücksichtigung nicht-aufteilbarer Aufgaben bei der Berechnung des Durchschnittsbeitrags

Care-Arbeit, Ausbildung und andere nicht-aufteilbare Aufgaben können bei den Vorbereitungen zu einer neuen Spielrunde mit abgefragt und berücksichtigt werden. Jede Freiwillige gibt an, ob sie während des kommenden Jahres mit nicht-aufteilbaren Aufgaben beschäftigt sein wird, und schätzt den Umfang dieser Tätigkeiten ab. Je nachdem, wie hoch der Umfang der individuell abgeschätzten nicht-aufteilbaren Aufgaben ist, gilt die Freiwillige damit als anteilig oder voll beschäftigt; die Höhe der von ihr und von den anderen erwarteten Beiträge wird entsprechend berechnet.

Ein Beispiel für anteilige Beschäftigung: Ich will im kommenden Jahr einen Programmierkurs absolvieren, der mich schätzungsweise 200 Stunden beschäftigen wird. Diese 200 Stunden fließen in den insgesamt aufzuteilenden Aufwand ein. Angenommen, die anschließende Berechnung ergibt einen Durchschnittsbeitrag von 640 Regelstunden und ich will mich in Höhe des Durchschnittsbeitrags beteiligen. Dann verbleiben für mich 640 – 200 = 440 Regelstunden, für die ich mir weitere Aufgaben suchen soll. (Nicht-aufteilbare Aufgaben gehen mit normaler Gewichtung in die Aufwandsschätzung ein, da von Anfang an klar ist, wer sie übernimmt und sie also nicht höhergewichtet werden können oder müssen; eine Zeitstunde entspricht hier einer Regelstunde.)

Ein Beispiel für volle Beschäftigung: Ich schätze, dass ich mich im Lauf des Jahres etwa 1095 Stunden lang um meine beiden Kinder kümmern werde (3 Stunden pro Tag). Diesen Beitrag will ich auf jeden Fall erbringen und mich ansonsten mindestens in durchschnittlicher Höhe beteiligen. Da mein individueller Beitrag über dem Durchschnittsbeitrag liegt, bin ich damit schon voll beschäftigt; alle anderen Aufgaben werden unter anderen Freiwilligen aufgeteilt.

Auf diese Weise könnten Care-Tätigkeiten, Hausarbeit, Ausbildungszeiten und anderen Aktivitäten, die anderen zugute kommen, ohne aber frei aufteilbar zu sein, ins Freiwilligenspiel einfließen. Die mit ihnen Beschäftigten können so nicht fälschlich für unbeschäftigt oder „Trittbrettfahrerinnen“ gehalten werden, sondern es ist klar, dass sie auf ihre Weise ihren Beitrag leisten.

Bürokratie bei Beitragspflicht

Und wenn sich das Freiwilligenspiel zur Organisation der Quasiflat als nicht ausreichend erweisen sollte, sondern es stattdessen eine Beitragspflicht gibt, wie im letzten Artikel als Möglichkeit skizziert? Grundsätzlich können auch dann nicht-aufteilbare Aufgaben auf dieselbe Weise berücksichtigt werden, allerdings könnten eventuell weitere bürokratische Regelungen nötig werden.

Heute gibt es in Deutschland etwa „Pflegestufen“, die festlegen, wie viel Betreuungsaufwand für pflegebedürftige Personen je nach ihrem Gesundheitszustand besteht. Bei einer Beitragspflicht könnten ähnliche Obergrenzen für das Sich-Kümmern um Pflegebedürftige oder Kinder festgelegt werden; mehr Aufwand kann dafür dann nicht abgerechnet werden, selbst wenn es real länger dauert. Auch für Studien- und Ausbildungszeiten könnten Obergrenzen festgelegt werden, bis zu deren Höhe sie maximal angerechnet werden. Wer sich darüber hinaus weiterbilden will, kann dies zwar machen, muss es aber in seiner „Freizeit“ tun.

Im besseren Fall könnte allerdings auch bei Beitragspflicht auf solchen bürokratischen Overhead verzichtet werden. Nötig wird er wohl nur, wenn die Mehrheit der Menschen das Gefühl bekommt, dass andere nicht-aufteilbare Aktivitäten nur vorschieben, um sich vor der Beitragspflicht zu drücken. Wenn sich die Menschen gegenseitig vertrauen, sollte es ohne gehen.

Und wie im letzten Artikel ausgeführt, sehe ich sowieso gute Gründe für die optimistische Annahme, dass das Freiwilligenspiel robust genug sein sollte, um eine Beitragspflicht gar nicht erst nötig zu machen.

Fortdauern geschlechtsspezifischer Stereotypen

Eine in diesem Kontext drohende Gefahr ist allerdings, dass bestimmte Aufgaben weiterhin überwiegend von bestimmten Personengruppen übernommen werden könnten. Und zwar nicht, weil sie darauf besonders viel Lust haben, sondern weil dies von ihnen erwartet wird. So könnte es passieren, dass sich Klischees darüber halten, was Frauen und was Männern besonders „liegt“, und dass deshalb Hausarbeiten und Care-Tätigkeiten weiterhin in erster Linie von Frauen erledigt werden, während bei Autoreparaturen, Müllabfuhr und Softwareentwicklung Männer dominieren.

Ein Problem an solchen Klischees ist, dass sie selbstverstärkend sind: Je mehr ein Geschlecht bei bestimmten Tätigkeiten dominiert, desto schwieriger wird es für Angehörige des anderen, solche Aktivitäten überhaupt erst einmal als „ihr Ding“ ansehen zu können und damit ernst genommen zu werden. Die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten jedes und jeder Einzelnen werden so eingeschränkt.

Einen Automatismus, der dies aufbrechen könnte, gibt es wohl nicht. Es bleibt nur ein bewusster Umgang damit und die aktive Unterstützung und Ermunterung aller, die sich solchen Trends entgegenstellen.

(Wird fortgesetzt.)

Literatur

  • Reuschling, Felicita (2013): Domestic Utopias. In jour fixe initiative berlin (Hg.): „Etwas fehlt“ – Utopie, Kritik und Glücksversprechen. Münster: edition assemblage.
From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Was ersparen wir uns, wenn es kein Geld mehr gibt

Komprimiertes Referat auf dem Kongress Solidarische Ökonomie, Februar 2013

von Franz Schandl

Der Großteil der wirtschaftlichen Tätigkeit hat mit Produktion und Dienstleistung nichts zu tun, er folgt ausschließlich geschäftlichen = monetären Erfordernissen. Der Großteil der Arbeit gehorcht nicht nur der Geldreligion, er gehört selbst dem Religionsdienst an. Rechnungen sind Gebetszettel und Bilanzen sind Gebetsbücher dieser seltsamen aber militanten Kommunikationsform.

Denn um Brot oder Kuchen zu produzieren, brauchen wir kein Geld, wir brauchen Mehl, Wasser, Zucker, Milch Butter, Nüsse, vielleicht Safran. Nicht so im Kapitalismus. Da ist die Kostenfrage unumgänglich, auch wenn kein Gramm des Geldes in den Stoff einzudringen versteht. Kurzum: Wirklich wird nicht, was möglich ist, real wird erst das, was bezahlbar ist. Der Kosmos der Wirtschaft sind nicht Menschen und deren Bedürfnisse, sondern folgt der Logik von Geld und Ware.

Was wir beobachten ist die Dichte, ja zunehmenden Verdichtung der Matrix diverser Beschäftigungen, die ausschließlich oder größtenteils nur um des Geldes Willen verrichtet werden müssen. Sie machen nur Sinn im Sinne der permanenten Kostenrechnung und haben sich aufgebläht wie eine Blase, der wir Muskel, Nerv und Hirn zuführen, obwohl alle diese Leistungen weder gegessen, getrunken, geschmeckt, gefahren, gesorgt werden können.

Zahlenkolonnen und Daten, Tabellen und Statistiken, Kurven und Kurse, das erscheint als objektiviertes Material ökonomischer Sachverhaltes. Dies alles türmt sich vor uns auf. Mit dem leben wir, tagtäglich verfolgt es uns, wenngleich wir es als gegeben hinnehmen. Wir, die Geldsubjekte haben nichts anderes gelernt. Fast alles, was wir tun, endet in einer Rechnung, entweder sollen wir zahlen oder wollen bezahlt werden.

In der Wirtschaft geht es nicht um das Brot und den Pudding, um Tomaten und Schuhe, um Kühlschränke und Badeausflüge, es geht um das Geschäft: jedes Vorhaben muss nach seinen Kosten fragen, es geht um Geld, um Löhne und Preise, um Renten und Profite. Zwischen Wie komme ich durch? bis Wie zocke ich ab? – vor dem Hintergrund dieser beiden Extrembeispiele gibt es eine bereite Palette geschäftlichen Lebens. Unser aller Leben ist durch das Geschäft okkupiert. Die Frage ist also nicht: wie kommt jemanden etwas zu, sondern stets was kann sich jemand leisten? Welcher Kauf geht sich aus, welcher Verkauf kann sich rechnen? Wie Dienstboten des Geldes laufen wir durch die Gegend.

Geldverrichtung meint Zeitvernichtung. Der Unnötigkeiten sind viele: Zahlung, Rechnung, Kontrolle, Kontoführung, Buchhaltung, Besteuerung, Bezuschussung, Bewerbung – wir stecken im Geldverkehr, er ist der eigentliche Stoffwechsel, obwohl er diesem doch nur dienen soll.

Rechnungen der Zukunft haben Rechnungen über Materialien und Dienste zu sein, nicht über Kosten derselben. „Denken wir uns die Gesellschaft nicht kapitalistisch, sondern kommunistisch, so fällt zunächst das Geldkapital ganz fort, also auch die Verkleidungen der Transaktionen, die durch es hineinkommen. Die Sache reduziert sich einfach darauf, dass die Gesellschaft im voraus berechnen muss, wie viel Arbeit, Produktionsmittel und Lebensmittel sie ohne irgendwelchen Abbruch auf Geschäftszweige verwenden kann, die, wie Bau von Eisenbahnen z.B. für längere Zeit, ein Jahr oder mehr, weder Produktionsmittel noch Lebensmittel, noch irgendeinen Nutzeffekt liefern, aber wohl Arbeit, Produktionsmittel und Lebensmittel der jährlichen Gesamtproduktion entziehn. In der kapitalistischen Gesellschaft dagegen, wo der gesellschaftliche Verstand sich immer erst post festum geltend macht, können und müssen so beständig große Schwierigkeiten eintreten.“ (Karl Marx. MEW 24:316−317)

Die Liste fulminanter Abschaffungen und Reduzierungen wäre jedenfalls eine lange. Das hätte weitreichende Folgen: Exemplarisch würde der Energieverbrauch (Erdöl/Erdgas/Strom) sinken, ebenso der Konsum an Pharmazeutika. Und wenn der Mobilitätszwang fiele, gingen die Verkehrsunfälle sukzessive zurück, das hieße wiederum weniger Chirurgen und weniger Rehabilitationen. Weniger Flugkilometer bedeuten weniger Lärm, weniger Abgase, weniger Klimaerwärmung. Und so weiter und so fort.

Wir wollen also die Leute um ihre Jobs bringen? Genau das!! Durch ein Transformationsprogramm eminenter Abschaffungen oder großer Freisetzungen könnten in einigen Durchgängen wahrscheinlich mehr als drei Viertel der Arbeiten einfach eingespart und entsorgt werden, ohne dass wir etwas verlieren. Einerseits würde viel Kraft und Energie für die Individuen frei werden, andererseits würden die Belastungen von Mensch und Umwelt abnehmen. Der von diversen Schwachsinnigkeiten befreite Alltag wäre dann tatsächlich ein anderer.

Die große Freisetzung wäre eine Befreiung der Menschen eine Entlastung der Natur. Sie würde die soziale und die ökologische Misere lösen. Vor allem wäre sie aber auch der große Schritt vom Disponiert-Werden zum Disponieren, vom Passiv zum Aktiv. Unser Möglichkeiten sind aus zwei Gründen heute immens eingeschränkt, erstens weil jedes Anliegen der Zahlung bedarf und zweitens dafür jede Unmenge von Arbeit und Zeit in Anspruch genommen wird. Weniger übrigens was die Herstellung und Verteilung betrifft als der Aufwand, den der Fetischdienst erfordert. Wir leben in einer finsteren Periode der vom Geld- und Warenfetisch beschlagnahmten Zeit.

Die gemeinsamen Verbindlichkeiten hätten ein viel geringeres Pensum. Unser Leben wäre nicht mehr von Pflicht geprägt und umstellt, wenngleich einigen Aufgaben schon nachgekommen werden sollte. Unserer Möglichkeiten wären aber gänzlich andere, denn sie würden nicht mehr schlicht an der beschlagnahmten Zeit scheitern. Man müsste nicht mehr Geld verdienen, also (und die Sprache verrät es) dem Geld dienen. Auch dieses Hetzen und Stressen, dieses geschäftige Getue, dieses ständige von Termin zu Termin eilen wäre over.

Die letzte These lautet nun, dass wir, die bürgerlichen Subjekte, aufgrund unserer gesellschaftlichen Situation, den Großteil des Lebens eigentlich versäumen, dass das Leben, vor allem das gute Leben sich gegenwärtig nur in Nischen entfalten kann. Die große Freisetzung könnte nun das versäumte Leben in das gute Leben überführen. Wir ersparen uns das Leben zu versäumen. Es gäbe endlich die Möglichkeit, sich zu seinem Leben emotional und geistig reflektiert und nicht bloß reflexartig und affektiert zu verhalten. Vor allem müssten wir dann nicht dauernd ans Geld denken und in seinem Sinne, also für das Geld zu handeln. Die Zwangsanbeterei des Fetischs („Wir wollen weil müssen dich haben“) wäre Geschichte.

aus: Solidarisch Wirtschaften. Dokumentation des Kongresses “Solidarische Ökonomie 2013”, S. 56-57.

Weitere Infos unter: www.solidarische-oekonomie.at

Vorzüge und Abwandlungen des Freiwilligenspiels

Freiwillige beim Spielen(Voriger Artikel: Das Freiwilligenspiel)

Das vorgeschlagene Freiwilligenspiel zur selbstorganisierten Arbeitsaufteilung vermeidet weitgehend die Nachteile eines ganz informellen Modells der reinen Freiwilligkeit. Reine Freiwilligkeit kann zu einer äußerst unausgewogenen Lastenverteilung führen: Einzelne übernehmen möglicherweise viel mehr oder viel undankbarere (auch für ihr eigenes Empfinden) Aufgaben als andere, um zu verhindern, dass sie sonst womöglich liegen bleiben. Auch Verantwortungsgefühl gegenüber der Community kann dazu führen, das manche immer mehr Aufgaben übernehmen, da es kein Feedback dazu gibt, was von einer erwartet wird und wann man genug getan hat. Beim Freiwilligenspiel kann sich zwar jeder nach eigenem Ermessen stärker oder weniger stark engagieren, doch weiß man dabei immer, wie man relativ zum Durchschnittsbeitrag steht.

Bei reiner Freiwilligkeit droht auch, dass die Bedürfnisse derer, die etwas nicht selbst erledigen können, womöglich auf der Strecke bleiben, wenn sich niemand anders hinreichend motiviert fühlt, sich darum zu kümmern. Beim Freiwilligenspiel werden alle für die Organisation der umfassenden Quasi-Flatrate nötigen Aufgaben aufgeteilt und jede Freiwillige trägt ihren Anteil dazu bei. Das Raymond’sche „scratching an itch“ – etwas machen, dessen Ergebnisse einem selber wichtig sind (Raymond 2001) – ist hier als Motivator also weniger bedeutend. Ich kann ohne Weiteres Dinge machen, die mir liegen und die anderen zugute kommen und zugleich darauf vertrauen, dass sich andere um die für mich wichtigen Dinge kümmern.

Dass als wichtig empfundene Aufgaben womöglich liegen bleiben, weil alle lieber anderes machen, kann zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, doch können die Syndikate dem zumindest entgegen wirken durch das Höhergewichten von „unbeliebten“ Aufgaben, für die es an Freiwilligen fehlt. Reine Freiwilligkeit kann auch langfristige Planung und Großprojekte schwierig machen, weil unklar ist, ob die interessierten Freiwilligen lange genug dabei bleiben und ob sich andernfalls motivierte Nachfolger für sie finden. Im Freiwilligenspiel ist das einfacher: Hat sich die Gesellschaft zur Durchführung eines Projekts entschlossen, werden alle dafür nötigen Aufgaben aufgeteilt und kommen potenziell für alle, die ihren Teil zur gesellschaftlichen Reproduktion beitragen wollen, in Frage.

Die problematischen Aspekte der Arbeitsteilung in traditionellen Commons sollten ebenfalls nicht auftreten. In traditionellen Commons hat die Einzelne kaum Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die zu leistenden Aufgaben. Beim Freiwilligenspiel suchen sich alle gezielt die Tätigkeiten aus, die sie erledigen möchten, weil sie Lust darauf haben oder gut darin sind. Deshalb (und weil Aufgaben bei Bedarf hochgewichtet werden können) eignet sich das Spiel auch für die Organisation komplexer arbeitsteiliger Prozesse mit Dutzenden oder Hunderten unterschiedlicher Aufgaben, die verschiedene Talente und Qualifikationen erfordern. In traditionellen Commons werden dagegen meist nur relativ gleichförmige Arbeitspakete aufgeteilt. Alle müssen alles machen können oder Traditionen diktiert den Einzelnen, was sie zu tun haben, etwa in Form unterschiedlicher Geschlechterrollen.

In traditionellen Commons besteht in der Regel zudem eine Beitragspflicht. Ein individuelles Opt-out ist schwierig und muss von der Community akzeptiert werden. Im Freiwilligenspiel wird die Entscheidung zur Beteiligung und ihr genauer Umfang dagegen von den Einzelnen getroffen und muss nicht begründet werden.

„Trittbrettfahrer“-Risiko und Beitragspflicht

Dass alle diese Entscheidung individuell treffen, führt allerdings auch zu dem Risiko, dass das Spiel mangels Freiwilliger kollabieren könnte. Jede Einzelne hat die Möglichkeit, sich als Freiwillige zu beteiligen oder nicht, kann aber in jedem Fall die produzierten Güter nutzen. Je mehr Menschen sich also nicht oder nur in geringem Maße beteiligen, desto höher wird die Arbeitsbelastung für die verbleibenden Freiwilligen.

Eine sinkende aktive Beteiligung könnte so zu einem Teufelskreis führen: Die noch Aktiven haben einerseits immer mehr zu tun und sehen andererseits immer mehr „Trittbrettfahrer“, die es sich auf ihre Kosten gut gehen lassen. Das könnte weitere Freiwillige zum Ausstieg bewegen und so bald das völlige Scheitern des Spiels bewirken. Dann hätten auch die Trittbrettfahrerinnen Pech gehabt; eine andere Lösung zur Aufteilung der anfallenden Tätigkeiten müsste gefunden werden.

In diesem Fall wäre eine Beitragspflicht nach dem Modell der traditionellen Commons die naheliegende Lösung. Die Erbringung des Durchschnittsbeitrags wäre dann nicht länger freiwillig, sondern für alle arbeitsfähigen Erwachsenen (z.B. zwischen 18 und 63) verpflichtend, sofern sie die per Quasiflat hergestellten Güter im vollem Umfang nutzen wollen. Individuell gewünschte Befreiungen von der Beitragspflicht wären zwar möglich, müssten aber beantragt und begründet werden. Die Koregion müsste ein Gremium einsetzen (z.B. per Los oder Wahl), das über solche Befreiungen entscheidet.

Verweigert man die eigenen Beteiligung, ohne dafür Gründe vorzubringen, die das Gremium akzeptiert, wären Sanktionen die unvermeidliche Konsequenz (andernfalls bestünde die Beitragspflicht nur auf dem Papier). Der Zugang zu bestimmten per Quasiflat zugänglich gemachten Gütern könnte verweigert oder eingeschränkt werden. Allerdings dürften die drohenden Sanktionen meiner Meinung nach nicht so gravierend sein, dass sie das Leben oder die Gesundheit der betroffenen Person gefährden könnten, da niemand das Recht hat, über Leben und Tod anderer Menschen zu entscheiden. Zumindest die Befriedigung lebenswichtiger Grundbedürfnisse müsste also weiterhin möglich sein.

Die Aufteilung der notwendigen Arbeiten würde durch die Beitragspflicht bürokratischer werden. Die Motivation vieler Beteiligter würde wahrscheinlich ein Stück weit sinken, weil sie nicht mehr freiwillig beitragen, sondern ihren Pflichtanteil erfüllen müssen. Dennoch würde sich auch diese Version der Quasiflat deutlich vom kapitalistischen Modell unterscheiden: Die Menschen würden die Erledigung der nötigen Aufgaben weiterhin unter sich aufteilen und so gemeinsam für die Befriedigung der Bedürfnisse aller arbeiten. Niemand müsste sich in Konkurrenz mit ungewissem Ausgang gegen andere durchsetzen.

Allerdings ist das Risiko, dass aufgrund zu vieler „Trittbrettfahrer“ eine Beitragspflicht nötig wird, meiner Einschätzung nach viel geringer als es heute scheinen mag. Menschen haben nicht nur konsumtive, sondern auch produktive Bedürfnisse – jahrein, jahraus nur bequem am Strand zu liegen oder Internetvideos zu gucken, würde wahrscheinlich die wenigsten dauerhaft glücklich machen. Gleichzeitig würde ein Trittbrettfahrerverhalten zur psychologisch unbefriedigenden Situation einer einseitigen Abhängigkeit führen. Man ist von anderen abhängig, ohne deren Aktivitäten man nicht überleben könnte (das gilt für alle Menschen in jeder Gesellschaft), gleichzeitig tut man aber nichts für andere, was die einseitige in eine gegenseitige Abhängigkeit auflösen würde. Auch die eventuell von Freundinnen oder Bekannten gezeigte Irritation oder Missbilligung, wenn man im Gegensatz zu ihnen nichts beiträgt, könnte eine abschreckende Wirkung entfalten.

Und nicht zuletzt ist das Freiwilligenspiel so konzipiert, dass es der Einzelnen leicht zugängliche Informationen dazu bietet, in welchem Umfang und auf welche Weisen sie sich an der allgemeinen gesellschaftlichen Vorsorge beteiligen kann. Dieses Feedback verpflichtet zwar zu nichts, dürfte aber den Effekt haben, dass man die eigene Rolle im gesellschaftlichen Prozess überdenkt und sich entsprechend verhält.

„Entbürokratisierung“ zur reinen Freiwilligkeit

Auch wenn es niemand formelle Pflichten auferlegt, ist das Freiwilligenspiel immer noch mit einer gewissen Bürokratie verbunden. Das wäre unnötig, wenn die Menschen die anfallenden Tätigkeiten spontan unter sich aufteilen würden, ohne auf die Feedbackmechanismen des Freiwilligenspiels angewiesen zu sein. Es dürfte auch dann noch Listen der zu erledigenden Aufgaben und der auszufüllenden Tätigkeitsfelder geben, doch alle würden spontan im eigenen Ermessen entscheiden, ob und in welchem Umfang sie sich einbringen. Wenn sich dies als ausreichend erweist, um für alle gewünschten Tätigkeiten jemand zu finden, der sie zum richtigen Zeitpunkt erledigt, würden die Bieterrunden und die Zeiterfassung des Freiwilligenspiels überflüssig.

Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Wunsch vieler Menschen, sich auf sinnvolle und für andere nützliche Weise zu betätigen, groß genug ist, um alle zu erledigenden Aufgaben abzudecken (und potenziell noch mehr). Eine Annäherung an diesen Zustand kann von zwei Seiten aus erfolgen. Einerseits dadurch, dass der Umfang der benötigten Aufgaben – insbesondere von solchen, auf die wenige Lust haben – aufgrund von höherer Automatisierung und verbesserter gesellschaftlicher Organisation zusammenschrumpft. Und andererseits dadurch, dass sich die Haltung der Menschen zur Arbeit dahingehend entwickelt, diese – zumindest in begrenztem Umfang und in ihrer selbstbestimmten und selbstorganisierten Variante – nicht mehr als lästige Notwendigkeit anzusehen, sondern als befriedigenden Teil des Lebens.

Ein völliger Verzicht auf die Feedbackmechanismen des Freiwilligenspiels ist allerdings nur dann empfehlenswert, wenn sichergestellt ist, dass die Tücken der reinen Freiwilligkeit vermieden werden. Wenn also alle mit den übernommenen Aufgaben zufrieden sind, statt dass sich manche aus Verantwortungsgefühl abrackern, während andere nur tun, worauf sie Lust haben. Sofern Eigenarbeit verbreitet ist, sollte sie nicht dazu führen, dass Einzelne ausgeschlossen werden, weil sie diese Tätigkeiten nicht selbst übernehmen können oder wollen und es niemand gibt, die sie ihnen abnimmt.

Es ist gut möglich, dass die gesellschaftliche Entwicklung in einer cosyndikalistischen Gesellschaft in diese Richtung gehen wird. Die Aushandlungsprozesse des Freiwilligenspiels könnten sich mit der Zeit als unnötig formell erweisen und zugunsten reiner, spontaner Freiwilligkeit fallen gelassen werden.

Sollte diese Entwicklung nicht eintreten, sondern sich die Spielregeln des Freiwilligenspiels (wahrscheinlich in weiterentwickelter Form) weiterhin als sinnvoll erweisen, wäre das aus meiner Sicht aber auch kein Beinbruch.

Die am Schluss des letzten Teils aufgeworfene Frage nach dem Umgang mit schlecht delegierbaren Tätigkeiten (z.B. sich um die eigenen Kinder kümmern) ist noch offen geblieben, aber der nächste Artikel kommt bestimmt.

(Fortsetzung: Nicht-aufteilbare Arbeiten im Freiwilligenspiel)

Literatur

  • Raymond, Eric S. (2001): The Cathedral & the Bazaar. 2. Aufl. Sebastopol: O’Reilly.
From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Kurdistan freedom from money, patriarchy and unsustainability

According to this account of developments in Kurdistan, 'Socialism, gender equality and social-ecology in the mountains of Kurdistan', the Kurdistan Freedom Movement (PKK) is substituting women's empowerment and ecologically sustainable livelihoods for money, i.e. the system of production for trade, referred to as the Union of Communities of Kurdistan (KCK).

Here's an extract:
The concept of money is internally redundant within the KCK system implemented in the mountains of Kurdistan. The economic needs of the inhabitants of the KCK system are internally supplied through a communal management of resources. Although money is utilised in economic dealings with external systems, internally the concept of money is inconceivable. No person or community within the KCK system feels the need to build a surplus of goods or resources. Surpluses are constantly redistributed, therefore, viably consumed. Reminiscent of pre-hierarchical and pre-exploitative societies, the KCK system adopts a culture of gifting, rather than a culture of exchange. The communal organisation of agriculture ensures a self-sufficient production and consumption of resources, therefore, deeming surplus, exchange value and the commodification of goods irrelevant.
Whoopee! Read the whole article here.

Home Stories: Keimformen, Wünsche und Zufallsfunde

Streifzüge Nr. 60/2014[Alle »Keimformen«-Artikel in Streifzüge 60/2014]

Einem lieben Wunsch kann leicht passieren, dass er etwas findet, was er zu schnell für das Gesuchte hält. Columbus glaubte bis an sein Lebensende daran, 1492 den Seeweg nach China (das damals zu „Indien“ zählte) entdeckt zu haben, obwohl er auf einem ganz anderen Kontinent gelandet war. Manchmal ist es sicherer, auf unerwartete oder gar unerwünschte Entdeckungen zu setzen.

Zwei ganz normale VWL-Professoren (Ralf Reichwald/Frank Piller, Interaktive Wertschöpfung, Wiesbaden 2006) entdeckten z.B. vor sieben Jahren etwas Neues, was sie in ihrer gewohnten wertfixierten Sprache „interaktive Wertschöpfung“ nannten. Sie hatten routinemäßig betriebswirtschaftliche Modelle untersucht und zu ihrer Überraschung festgestellt, dass es tatsächlich etwas Neues zu beobachten gab, das mit der klassischen BWL nicht zu erklären war: „Die interaktive Wertschöpfung ergänzt die … beiden klassischen Koordinationsformen (Hierarchie und Markt) durch einen dritten Weg: das Organisationsprinzip einer ‚commons-based-peer-production‘. Diese Organisation des Wertschöpfungsprozesses verlangt eigene Organisationsprinzipien und Kompetenzen der Akteure. Beispiele bilden die Selbstselektion und Selbstorganisation von Aufgaben durch (hoch) spezialisierte Akteure, deren Motivation vor allem die (eigene) Nutzung der kooperativ geschaffenen Leistungen ist. Hinzu kommt jedoch eine Vielzahl weiterer sozialer, intrinsischer und extrinsischer Motive.“ (S. 314)

Auch in der aktuellen Keimformdebatte sind mir die Entdeckungen am liebsten, die nicht durch eine allzu präformierte Sicht zustande kommen; Keimformen also, die auf den ersten Blick kaum als solche zu erkennen sind. Keimformen, die in der Mitte oder am progressiven Rand des alten Systems entstehen und dann empirisch nachweisen müssen, dass sie eventuell die Potenz haben, auch über die Logik des bestehenden Systems hinauszugehen.

Zum Beispiel das Geschäftsmodell „Flatrate“ oder „all inclusive“: Diese beiden erfolgreichen Geschäftsmodelle der letzten 10 Jahre sind vollständig kapitalistisch kalkuliert: Sie sollen Kunden anlocken und Marktanteile vergrößern (müssen sich also „rechnen“), beinhalten aber eine Logik, die durchaus im Widerspruch zum ehernen Äquivalenztausch-Prinzip unserer Geld-Logik steht. Sie erlauben in einem begrenzten Rahmen (der natürlich zuvor mit Geld dem Geltungsbereich der Geldlogik abgekauft wurde) nach eigenen Bedürfnissen zu leben – ohne sich auf die Matrix des Wertes zu beziehen.

Wenn die Unternehmer und Manager der Geldlogik eines können (müssen), dann ist es das: Rechnen. Und wenn dabei das Geschäftsmodell Flatrate oder „all inclusive“ erfolgreich wird, ist das nicht nur kein Nachteil, sondern in der Form der „Nachfrage“ ein Beweis dafür, dass das Neue tatsächlich (massenhaft) verstanden und gewollt wird. Offensichtlich ist es nicht nur denkbar, sondern empirisch feststellbar, dass Menschen auch ohne monetäre Fremdbestimmung mit (hier erst einmal temporär) freien Gütern vernünftig umgehen können.

Ein Hotelier auf Mallorca sagte mir in einem Interview, er glaube an „all inclusive“ und gehe davon aus, dass es sich in nächster Zeit weiter durchsetzen werde. Es zeige, dass sich seine Kunden spätestens am dritten Tag daran gewöhnt hätten, nach ihren Bedürfnissen zu leben. Spätestens dann würden sie aufhören, sich die teuersten Speisen und Getränke vom Buffet zu nehmen und die pauschal bezahlten Ansprüche nach dem alten Nachkriegsmotto auszunutzen: lieber den Magen verrenkt als dem Wirt was geschenkt! Sie würden dann tatsächlich nur das und soviel davon nehmen, wie sie gerade Lust hätten – so wie alle anderen Lebewesen auf der Erde.

From: keimform.deBy: Uli FrankComments

Arbeit, Spiel und Selbstentfaltung

Sisyphus arbeitet gar nicht, denn was er tut, hat keinen ZweckNachdem es zu den von mir vorgeschlagenen unterschiedlichen Definitionen von „Arbeit“ viel Kritik gab, hier ein neuer Versuch, die überhistorische Dimension dieses Begriffs in den Griff zu kriegen. Ich hatte damals die Definition des Gabler Wirtschaftslexikon (2014) als „zu breit“ kritisiert, doch scheint mir, man kann sie retten, indem man einen Zusatz einfügt, der sie vom „zweckfreien“ Spiel (und ähnlichen Tätigkeiten) abgrenzt. Zu diesem Zweck möchte ich folgende Definition vorschlagen:

Arbeit: jede zielgerichtete, soziale, planmäßige und bewusste Tätigkeit, deren Zweck (Ziel) sich nicht im Tätigsein selbst erschöpft.

Arbeit unterscheidet sich also zunächst von Tätigkeiten, die überhaupt kein Ziel haben oder rein instinktiv erfolgen. Karl Marx schreibt dazu:

Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. (MEW 23: 193)

Was hat es mit dem Adjektiv „sozial“ (also gesellschaftlich, auf die Gesellschaft bezogen) in der Definition auf sich? Was bedeutet es für Eigenarbeit, also Arbeit, deren Ergebnis in erster Linie mir selber zugute kommt, etwa das Aufbauen eines Ikea-Regals, in das ich meine Bücher stellen will, oder das Abspülen des Geschirrs, von dem ich morgen wieder essen will? Wird sie zur Nicht-Arbeit erklärt, weil ihr die soziale Komponente fehlt? So sieht es Helmut Leitner, doch mir leuchtet diese Unterscheidung nicht ein, da dann ein und dieselbe Tätigkeit mal Arbeit und mal Nicht-Arbeit wäre, je nachdem wer ihr Nutznießer ist. Und das, ohne dass sich an der Tätigkeit und der Einstellung der Handelnden zu ihrem Tun irgendetwas ändern müsste.

Ich würde das „sozial“ stattdessen so auffassen, dass Handelnder und Nutznießer potenziell unterschiedliche Personen sein können, auch wenn sie im konkreten Einzelfall zusammenfallen. Es könnte ja auch jemand anders das Regel aufbauen oder das Geschirr abspülen, und dann würde es sich eindeutig um Arbeit handeln. Daher bleibt es auch Arbeit, wenn ich es selber mache.

Wenn Nutznießerin und Handelnde hingegen zwingend dieselbe Person sind, fehlt dieser soziale Aspekt, so dass man nicht von Arbeit sprechen kann. So etwa, wenn ich als Zuschauer zu einem Fußballspiel fahre, das ich mir ansehen will. Ohne dort zu sein, könnte ich das Spiel auch nicht sehen (jedenfalls nicht „in echt“), daher kann mir die Fahrt niemand abnehmen. Fahre ich hingegen zur Bibliothek, um ein Buch abzuholen, das ich lesen will, handelt es sich um Arbeit, denn das Abholen des Buchs könnte auch jemand anders für mich erledigen. (Den Hinweis auf diesen Unterschied verdanke ich meinem Bruder Martin.)

An der Gabler-Definition stört mich, dass sie sehr umfassend ist und etwa auch Spiele jeder Art zu „Arbeit“ zu erklären scheint. Die obige Definition vermeidet dies durch den Zusatz, dass der Zweck der Tätigkeit über das bloße Tätigsein hinausgehen muss. (Möglicherweise wird das auch durch das Adjektiv „sozial“ schon ausgedrückt, doch kann es nichts schaden, es explizit zu machen.) Bei „Spielen“, die der Unterhaltung anderer dienen – Theaterspiel, Profisport – ist dies der Fall. Profisportlerinnen und Schauspieler arbeiten, um die Zuschauerinnen zu unterhalten oder zu bilden. (Deshalb wäre es auch Arbeit, wenn ich nicht als Zuschauer, sondern als mitspielender Profi zum Stadion fahren würde, da Vorbereitungen für Arbeit selbst schon Arbeit sind.)

Anders sieht es beim „zweckfreien“ Spiel aus, das eine Gruppe von Personen oder eine Einzelperson nur für sich spielt. Natürlich ist auch dieses nicht wirklich zweckfrei (daher die Anführungszeichen), doch liegt der Zweck im Tätigsein selbst – die Beteiligten spielen, um sich zu entspannen, sich zu unterhalten oder sich die Zeit zu vertreiben. Würden sie nicht selbst spielend tätig, träte dieser Effekt nicht ein (im Gegensatz zum Theaterzuschauer, der anderen das Tätigsein überlässt). Hier handelt es sich also nicht um Arbeit (gemäß der obigen Definition), sondern um etwas, das man um seiner selbst willen tut.

Wie ist es nun mit der Selbstentfaltung, die ja in Keimform-Diskussionen traditionell eine wichtige Rolle spielt? Meiner Ansicht nach kann man sinnvollerweise von Selbstentfaltung sprechen, wenn Arbeit und Spiel zusammenkommen. Also bei Tätigkeiten, die einen Zweck haben, der über das bloße Tätigsein hinausgeht und zumindest potenziell anderen zugute kommt, die man aber auch gerne macht, aus Lust am Tun (auch wenn sie durchaus anstrengend sein können, wie auch andere Spiele, z.B. im Hobbysport).

Franz hat gegen meine ursprüngliche Definition von Arbeit/S (selbstentfaltete Arbeit) als „nützliche Arbeit, die auch Selbstzweck“ ist, eingewandt, dass es durchaus das Wissen um die Zweckhaftigkeit bzw. Nützlichkeit der Arbeit sein kann, das einen motiviert, sie gerne und mit Genuss zu tun. Das ist sicher richtig: dass man eine Tätigkeit genießt, kann durchaus eine Konsequenz davon sein, dass man um ihren Nutzen für andere weiß. Andererseits kann der so entstehende Nutzen auch ein eher zufälliger Nebeneffekt einer „spielerischen“ Tätigkeit sein, die die Tätigen auch gerne und mit Befriedigung tun würden, wenn es diesen Nebeneffekt nicht gäbe.

Literatur

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Impossible

You can join a 'gift economy' platform 'Impossible' co-founded by Lily Cole and Kwame Ferreira here.

They want to disrupt monetary exchange with altruistic reciprocity so money is ranked along with violence and sexual conduct as no-nos at the site. Sounds great, but I have visited Impossible a few times and found the offers and requests disappointing. I think this proves that Impossible is simply 'gift exchange' not really a 'gift economy' where production is part of a gifting or non-monetary system too. 

On the up side at least it's a useful experiment and the platform is open source and self-managing, following Wikipedia.



Das Freiwilligenspiel

Freiwillige beim Spielen(Voriger Artikel: Arbeitsteilung, aber wie?)

Was wäre ein guter Ansatz, die umfassende Quasi-Flatrate zu organisieren und die dafür notwendige Arbeit/N aufzuteilen? Die im vorigen Teil diskutierten Modelle der reinen Freiwilligkeit sowie der traditionellen Commons haben beide ihre Vor- und Nachteile, keines kann rundherum überzeugen. Das im Folgenden vorgeschlagene Freiwilligenspiel kombiniert Elemente dieser beiden Modelle und versucht dabei, ihre jeweiligen Schwächen zu vermeiden.

Das Freiwilligenspiel ist ein kooperatives Spiel, bei dem alle Mitspielerinnen nur gemeinsam gewinnen oder verlieren können. Ziel des Spiels ist, die für die Produktion der Quasiflat nötige Arbeit unter den Bewohnern der entsprechenden Koregion so aufzuteilen, das alles erledigt wird und sich niemand benachteiligt oder überfordert fühlt. Das Spiel ist gewonnen, wenn und solange die Quasiflat erfolgreich organisiert wird und alle nötigen Aufgaben zum benötigten Zeitpunkt und gut erledigt werden. Es ist verloren, wenn dies nicht klappt.

Es kann gelingen, wenn die anfallenden Arbeiten ungefähr gleichmäßig unter allen erwachsenen, körperlich und geistig fitten Einwohner aufgeteilt werden, ohne dass aber der Einzelnen verpflichtende Vorgaben gemacht werden, wie viel oder was sie zu tun hat. Regeln und Empfehlungen für das Spiel werden von der virtuellen Bewohnerinnenversammlung der Koregion festgelegt, an der sich alle Einwohner beteiligen können und die auch sonst die Ausgestaltung der Quasiflat regelt. Grundsätzlich können sich alle, die in der Region wohnen oder für längere Zeit zu Besuch sind, als Mitspieler („Freiwillige“) melden. Die Bewohnerinnenversammlung legt dabei den Altersbereich fest, in dem die Teilnahme als Freiwilliger empfohlen wird (z.B. allen über 18 und unter 63), doch das ist weder verpflichtend noch ausschließlich. Wenn sie wollen, dürfen auch Jüngere und Ältere mitmachen, und niemand muss.

Die Vorbereitungen

Das Spiel wird in Runden gespielt, die jeweils ein Jahr dauern – am Ende des Jahres wird Bilanz gezogen. Vor Beginn jeder Runde melden sich alle, die mitmachen wollen, als Freiwillige an. Gleichzeitig wird die in diesem Jahr aufzuteilende Arbeit abgeschätzt, auf Grundlage der im Vorjahr angefallenen Arbeit. Sind Änderungen in bestimmen Bereichen absehbar, können die Syndikate den für diesen Bereich geschätzten Aufwand entsprechend anpassen. So dürfte mehr Arbeit anfallen, wenn die Nachfrage nach einem bestimmten Produkt in der zweiten Hälfte des Vorjahres angezogen hat und vermutlich auf dem erhöhten Niveau verharren oder weiter ansteigen wird; oder wenn absehbar ist, dass ein größerer Teil bestimmter langlebiger Güter in diesem Jahr an seine Verschleißgrenze kommt und ausgetauscht oder repariert werden muss. Weniger Arbeit ist absehbar, wenn durch den nach und nach stattfindenden Austausch von Maschinen der Aufwand für die Herstellung bestimmter Güter sinkt oder wenn die Nachfrage für bestimmte Güter eine fallende Tendenz aufweist.

Maßeinheit der geschätzten und tatsächlich aufgewandten Arbeit ist die Regelstunde – die oft, aber nicht immer einer echten Stunde Arbeit entspricht, wie unten erläutert wird. Aufgrund der Aufwandsschätzung und der Gesamtzahl der angemeldeten Freiwilligen weiß jede Freiwillige, wie viele Regelstunden sie beizutragen hat, um einen proportionalen Anteil zum Gesamtaufwand beizusteuern. Angenommen etwa, in einer bestimmten Koregion wurden für die Re/produktion aller im Rahmen der Quasiflat genutzten Güter im Vorjahr insgesamt 1000 Millionen Regelstunden aufgewendet. Die Abschätzung für die nächste Runde ergibt für einige Bereiche Steigerungen, anderswo Abnahmen – insgesamt eine leichte Abnahme auf geschätzte 960 Millionen Regelstunden. Ein Großteil der erwachsenen Einwohnerinnen hat sich als Freiwillige angemeldet, außerdem manche Jugendliche und Senioren, insgesamt 1,6 Millionen Menschen. Auf jeden Freiwilligen entfällt somit ein Durchschnittsbeitrag von 960/1,6 = 600 Regelstunden.

Die Freiwilligen sind aber nicht gezwungen, so viel beitragen (sie sind zu gar nichts gezwungen), sie können auch mehr oder weniger beitragen. Jeder legt für sich fest, wie viel er relativ zum Durchschnittsbeitrag arbeiten möchte. Diverse Jugendliche, Seniorinnen und Leute, die schon wissen, dass sie einen größeren Teil des Jahres außerhalb der Region verbringen werden, wollen zwar einen Beitrag leisten, begnügen sich aber mit 50%. Jemand will mehr Zeit für eigene Aktivitäten haben und deshalb nur 80% erbringen. Jemand anderes hatte es im letzten Jahr ruhiger angehen lassen und will dafür dieses Jahr 115% einbringen. Die meisten bleiben aber bei 100%. Nachdem sich alle entschieden haben, wird die Summe der so individuell festgelegten Beitragsanteile zusammengezählt und ergibt das 1,5-millionenfache des Durchschnittsbeitrag. Auf dieser Basis wird der Durchschnittsbeitrag neu berechnet: 960/1,5 = 640 Regelstunden.

Jede Freiwilligen multipliziert diesen Durchschnittsbeitrag mit dem individuell festgelegten Anteil und erhält so die Anzahl der Regelstunden (RS), die sie im Lauf des Jahres gemäß der Spielregeln beitragen soll (320 RS bei 50% Anteil, 736 RS bei 115% Anteil). Da sich der Durchschnittsbeitrag durch die Neuberechnung relativ stark (um fast 7%) verändert hat, können alle ihren individuellen Anteil nochmal überprüfen und gegebenenfalls erhöhen oder senken. Manche, die ihren individuellen Anteil eher niedrig angesetzt hatten, erhöhen ihn vielleicht, um die anderen zu entlasten; andere senken ihn, weil ihnen die Arbeitsbelastung sonst zu viel wird. Anschließend werden die Individualanteile erneut zusammengezählt und so ein neuer Durchschnittsbeitrag berechnet. Weicht dieser maximal um 5% vom zuvor berechneten ab, bleibt es dabei; andernfalls kann sich das Spiel von individueller Anpassung und kollektiver Neuberechnung gegebenenfalls noch mehrmals wiederholen, bis dies der Fall ist.

Diese individuell/kollektive Festlegung der individuell beizutragenden Arbeitszeiten entspricht den „Bieterrunden“ der Solidarischen Landwirtschaft, nur dass es dort um finanzielle Beiträge geht (vgl. HecMeck 2013, Cropp 2013).

Aufgabenteilung

Nach diesen Vorbereitungen kann nun die eigentliche Aktivität der neuen Spielrunde beginnen (die Vorbereitungen selbst müssen also noch in der vorigen Runde abgeschlossen werden): die Re/produktion der für die Quasiflat insgesamt nötigen Güter. Dafür veröffentlichen alle in den mitspielenden Syndikaten vertretenen Kooperativbetriebe Listen der von ihnen benötigten Tätigkeiten. Die Freiwilligen suchen sich jeweils Aufgaben heraus, die ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechen und bei denen die weiteren Rahmenbedingungen (z.B. der Ort der Tätigkeit) stimmen.

Mit welchen Tätigkeiten und in welchem Betrieb jede Freiwillige ihren selbst bestimmen Arbeitsbeitrag leistet, entscheidet sie grundsätzlich selbst, jedoch in Abstimmung mit den entsprechenden Betrieben und anderen involvierten Freiwilligen. Haben sich für eine Tätigkeit oder einen Betrieb schon genügend Freiwillige gefunden, müssen sich weitere Interessierte stattdessen etwas anderes suchen. Bei zu vielen geeigneten Bewerberinnen für bestimmte Tätigkeiten kann auch per Los entschieden werden, wer zum Zug kommt.

Kommen die Mitarbeiterinnen eines Betriebs zu dem Schluss, dass es einem neuen Freiwilliger an den nötigen Fähigkeiten fehlt oder er menschlich nicht ins Team passt, können sie ihm die Mitarbeit verweigern. Eine Ablehnung muss gegenüber der Abgelehnten begründet werden und diese kann bei dem entsprechenden Syndikat Einspruch dagegen erheben. Dies soll verhindern, dass Ablehnungen aufgrund z.B. rassistischer, sexistischer oder transphober Vorurteile erfolgen, was ein Verstoß gegen das Prinzip der Vorurteilsablehnung wäre.

Benötigte Fähigkeiten kann man gegebenenfalls durch Verweis auf eine passende Ausbildung oder frühere Tätigkeit nachweisen oder durch Bestehen eines Tests. Oder man übernimmt erst einmal einfachere Aufgaben in dem Betrieb und lernt nach und nach dazu, wenn die anderen Betriebsangehörigen damit einverstanden sind.

In der Regel wird es deutliche Kontinuitäten geben – die meisten Freiwilligen werden bei einem der Betriebe bleiben, für den sie schon zuvor gearbeitet haben. Die neue Spielrunde beginnt also keinesfalls „bei null“, die meisten Betriebe sind schon eingespielt und es gibt nur von Zeit zu Zeit und in Maßen persönliche Wechsel. Natürlich muss niemand die ganze Zeit bei einem Betrieb bleiben, viele der Freiwilligen werden ihren Arbeitsbeitrag stattdessen auf mehrere Betriebe, Branchen und Tätigkeiten aufteilen. Jemand könnte etwa im Frühjahr und Winter (wenn dort besonders viel zu tun ist) in der Landwirtschaft arbeiten, im Winter in einem Krankenhaus und im Sommer Pause machen.

Auch ob man den eigenen Arbeitsbeitrag eher gleichmäßig verteilt erbringt (etwa drei Stunden an jedem Wochentag das ganze Jahr über, nur unterbrochen durch einige Wochen Reisen) oder auf intensive Arbeitsphasen beschränkt (etwa vier Monate Vollzeitarbeit und den Rest des Jahres frei) ist jeder grundsätzlich selbst überlassen. Wichtig ist nur, dass die anderen in den involvierten Betrieben mit dem Arbeitsmodus einverstanden sind und dass es gesamtgesellschaftlich aufgeht, sprich dass die eigene Arbeit auch dann gebraucht wird, wenn man sie leisten will. Es können nicht alle im August Sommerpause machen.

Die von den Freiwilligen erbrachte Arbeitszeit wird im Betrieb erfasst und an das jeweilige Syndikat übermittelt, das sie wiederum an eine für die ganze Koregion einheitliche Instanz weiterleitet (diese könnte etwa Stundenbüro heißen und wird von der Bewohnerversammlung besetzt). Die insgesamt und in einzelnen Betrieben und Syndikaten erbrachten Arbeitszeiten sind für alle öffentlich einsehbar, nicht aber, wie viel davon auf jede Einzelperson entfällt. Aber jede Freiwillige kann die von ihr erbrachte Arbeitszeit jederzeit abrufen und weiß so, wie viel von ihrem angekündigten Arbeitsbeitrag noch fehlt und wie sie im Vergleich zum gesellschaftlichen Durchschnitt steht.

Gewichtete Arbeit

Was, wenn es an Freiwilligen für bestimmte Aufgaben mangelt, wenn z.B. (um ein altes Beispiel von mir aufzugreifen) die Müllabfuhr nicht genügend potenzielle Mitarbeiter findet? In diesem Fall könnte das betroffene Syndikat auf die Idee der gewichteten Arbeit aus meinem Buch Beitragen statt tauschen (Siefkes 2008) zurückgreifen. Mit solchen Aufgaben verbrachte Arbeitszeit zählt dann als länger als sie tatsächlich gedauert hat. Bleiben die nötigen Müllwerker-Stellen vakant, kann das Syndikat das Gewicht dieser Tätigkeit etwa auf 120% erhöhen – 50 Minuten Müllabfuhr zählen dann so viel wie eine Stunde (1,2 x 50 min) anderer, normal gewichteter Tätigkeiten. Der oben eingeführte Begriff Regelstunde misst derart gewichtete Arbeitszeit – in diesem Fall entsprechen 50 Zeitminuten einer Regelstunde. Syndikate können das Gewicht von Aufgaben erhöhen, aber nicht auf unter 100% absenken, daher kann eine Regelstunde einer Zeitstunde entsprechen oder kürzer sein, aber niemals länger.

Freiwillige können also den zeitlichen Aufwand ihres Arbeitsbeitrags verringern, indem sie sich für höhergewichtete Tätigkeiten entscheiden. Wer sich zur Erbringung des Durchschnittsbeitrag von 640 Regelstunden bereit erklärt hat und sich als Müllwerkerin betätigt, muss insgesamt nur etwa 533 Zeitstunden arbeiten (1,2 x 533,33 = 640). Motiviert dies noch nicht genügend Freiwillige, könnte das Syndikat das Gewicht der Aufgabe noch weiter erhöhen, z.B. auf 150% (dann entspricht eine Regelstunde 40 Zeitminuten) oder gar 200% (30 Zeitminuten).

Aber ist dieser ganze Ansatz überhaupt erfolgversprechend, wo doch die Freiwilligen selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie beitragen? Ich denke schon, da sich wahrscheinlich viele der Community ausreichend verpflichtet fühlen dürften, um nicht ohne guten Grund weniger als den Durchschnittsbeitrag erbringen zu wollen. Wer sich für höhergewichtete Aufgaben entscheidet, kann so den eigenen Beitrag leisten und trotzdem noch viel Zeit für andere Aktivitäten haben.

Die Übernahme höhergewichteter Aufgaben kann zudem gut für die eigene Reputation sein. Aufgabengewichte sind öffentlich, so dass alle sehen können, dass es etwa an Müllwerkerinnen fehlt und sich also diejenigen, die diese Aufgabe übernehmen, um die Community besonders verdient machen.

Aufgrund dieses doppelten Vorteils für Freiwillige in höhergewichteten Tätigkeiten (kürzere Arbeitszeiten, möglicherweise höhere Reputation) besteht ein gewisses Risiko, dass die in einem Syndikat Aktiven das Gewicht mancher Aufgaben ohne Not erhöhen möchten. Doch da in den Syndikaten neben den Betriebsangehörigen der entsprechenden Branche jeweils auch die Nutzer der von ihnen hergestellten Güter gleichberechtigt vertreten sind, sollte sich das verhindern lassen. Ist der Zugang zu einer höhergewichteten Aufgabe durch Aufnahmeprüfungen oder Ähnliches beschränkt, werden die Nutzerinnen in ihrem eigenen Interesse genau hinsehen, ob diese Beschränkung nötig und angemessen ist. Denn durch die Höhergewichtung mancher Aufgaben erhöht sich die insgesamt aufzuteilende Arbeit ein wenig, da sie in Regelstunden (nicht Zeitstunden) gemessen wird. Wer andere (normalgewichtete) Aufgaben übernimmt, muss daher etwas länger arbeiten, um den Durchschnittsbeitrag zu erbringen.

Der Umfang des Durchschnittsbeitrags wird zu Beginn der Spielrunde erstmals berechnet, kann danach aber immer noch leichte Veränderungen erfahren, wenn sich die Datenlage ändert und genauer wird. Manche Aktivitäten dauern kürzer oder länger als gedacht, unhervorgesehene Arbeiten kommen hinzu, anderes erweist sich als unnötig, Freiwillige ändern ihre Pläne oder fallen wegen Krankheit oder Schwangerschaft aus.

Der individuell festgelegte Beitrag dürfte statt als exakte Vorgabe eher als Richtwert dienen, von dem Freiwillige nach unten oder oben abweichen können, wenn es gerade passt. Etwa indem sie die Zeit bis zu Beginn der nächsten Spielrunde noch überbrücken, wenn es nur noch wenige Wochen sind und gerade kein geeigneter Vertreter in Sicht ist. Bei bedeutenden Abweichungen vom eigentlich vorgesehene Arbeitspensum kann die Freiwillige sich ja entschließen, im Folgejahr zum Ausgleich entsprechend mehr oder weniger zu arbeiten.

Unter welchen Umständen kann dieses ernsthafte Spiel funktionieren und einen geeigneten Mittelweg zwischen reiner Freiwilligkeit einerseits und anteiliger Arbeitspflicht andererseits darstellen? Wie gut wird es dem Anspruch gerecht, die Nachteile dieser beiden Modelle zu vermeiden? Und wie werden Aktivitäten einbezogen, die sich nicht frei aufteilen lassen, sondern eigentlich nur von ganz bestimmen Personen gemacht werden können (z.B. das Kümmern um die eigenen Kinder)? Das wird nächstes Mal Thema sein.

(Fortsetzung: Vorzüge und Abwandlungen des Freiwilligenspiels)

Literatur

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Zugang zu Land: Flächenfreikauf und gemeinsame Landwirtschaft

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Solidarische Ökonomie der Commons – Ausweg aus dem Wachstumsgetriebe der Marktwirtschaft

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