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Keimform is Going Mainstream

Federico Pistono at TEDxVienna: »Robots Will Steal Your Job, but That’s OK«

Ok, no critique of capitalism in its very notion, but on the right track. Quote:

Choose a job you love and you will never have to work a day in your live.

– Confucius

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Widersprüche und Spannungsfelder in der Praxis aktueller Commons-Netzwerke – am Beispiel Freier Software

Titelbild des Hefts 124 der Widersprüche[Diese per E-Mail geführte Diskussion zwischen Annette Schlemm und mir erschien in der Widersprüche, Heft 124 (Juni 2012), S. 25–31.]

Widersprüche-Redaktion (W.R.): Mit dieser E-Mail-Diskussion würden wir gerne einen Beitrag für das nächste Widersprüche-Heft herstellen, der den Leser_innen einen Eindruck von den widersprüchlichen Entwicklungen alternativer Produktionsweisen – am Beispiel der freien Software – ermöglicht. Könnt Ihr eingangs ein paar Hinweise formulieren, wo Eures Erachtens gegenwärtig die entscheidenden Entwicklungstendenzen in dem Bereich der Commons-Netzwerke liegen.

Annette Schlemm (A.S.): In den letzten 10 Jahren hat sich die Erfahrung des Teilens im Gebrauch von Gütern und der selbstorganisierten Arbeitsteilung in vielen Bereichen verbreitet. Das erste Beispiel dafür war die Freie Software. Das Wichtige daran war nicht der technische Code, sondern die sich entwickelnde Praxis vieler Menschen, sich selbstbestimmt zu koordinieren. Bis dahin war häufig angenommen worden, dass eine von Menschen selbst organisierte Arbeitsteilung, die nicht über die „sachliche Vermittlung“ des Geldes bzw. des Kapitals oder planwirtschaftlich organisiert ist, nur als landwirtschaftlich-handwerklich orientiertes Kommune- bzw. Ökodorfnetzwerk möglich sein könnte, aber nicht global und auch nicht auf der Grundlage hochproduktiver moderner Produktionsmittel. Die Art und Weise der Herstellung der Freien Software zeigte an einem ersten Beispiel, wie es anders gehen könnte. In den letzten Jahren kamen andere freie Kulturgüter hinzu, und der Gedanke des kooperativen Produzierens und der Entkopplung von Nehmen und Geben ohne adäquate Tauschnotwendigkeit gewann eine stärkere soziale Anerkennung und Verankerung. Das von kommerziellen Interessenvertretern bedauerte „mangelnde Unrechtsbewusstsein“ bei Copyrightverletzungen ist nur eine Folge dieses kulturellen Wandels.

Christian Siefkes (C.S.): Neben Kulturgütern werden inzwischen zunehmend auch materielle Dinge zumindest teilweise im Open-Source-Modus hergestellt. Zum einen umfasst dies „Open Design“, wobei Baupläne und Konstruktionsbeschreibungen materieller Dinge gemeinsam entwickelt und frei geteilt werden. Zum anderen werden frei nutzbare Produktionsmaschinen (z.B. Fabber = 3D-Drucker, CNC-Fräsmaschinen, Lasercutter) entworfen und gebaut und es entstehen selbstorganisierte und frei zugängliche Orte für die bedürfnisorientierte Produktion (FabLabs).

W.R.: Ich sprecht davon, dass in Commons-Netzwerken auch hochkomplexe Produkte hergestellt werden können. Das scheinen die viel zitierten Entwicklungen hin zum heutigen Einfluss von Wikipedia oder von Linux ja auch zu belegen. Ist die lange vorherrschende Annahme, dass genau diese Produkte nur hochspezialisierten Expert_innen möglich sind, also endgültig widerlegt? Oder ist das ein zu rosa gemaltes Bild? Welche Erfahrungen habt Ihr damit in der konkreten Praxis kollektiver Peer-Produktion?

A.S.: Es wird sicher immer wieder Spezialist_innen brauchen, die die Bänderstruktur eines Halbleiters ausrechnen können, mit dem dann die Solarzelle hergestellt wird. Aber wie schon jetzt muss nicht jede Person alles können. Wichtig ist, und ohne dies geht ja auch jetzt in den kapitalistischen Betrieben bereits nichts mehr, dass alle Beteiligten offen miteinander kommunizieren können und im Wesentlichen auch ihre Kooperation selbstbestimmt organisieren. Überall dort, wo Chefs „hineinregieren“ und nicht mit-kooperieren, klemmt es.

Als konkretes Beispiel für ein nichtkapitalistisches Projekt habe ich selbst den Beginn des Lastenrad-Projekts in Berlin miterlebt (www.werkstatt-lastenrad.de) und ich verfolge dessen Fortgang weiterhin, wenn auch leider nur aus der Ferne. Der Ausgangspunkt war hier das Bedürfnis nach Fahrrädern, mit denen Lasten, wie z.B. Gartenwerkzeuge oder ähnliches transportiert werden können – vor allem auch für den Austausch zwischen bereits vorhandenen Garten- oder anderen Projekten. Von Anfang an waren Menschen u.a. aus den Niederlanden, anwesend, die solche Räder bereits kennen, erprobt haben und ihre Zusammenarbeit anboten.

Meiner Erfahrung nach sind solche Projekte in großen Städten, wie Berlin, natürlich wesentlich einfacher, weil genügend Interessenten mit einem breiten Spektrum an Erfahrungen und Kenntnissen zusammen kommen können. Da tun wir uns zum Beispiel in Jena viel schwerer.

Was das Expert_innentum betrifft, zeigen hier die Erfahrungen, dass es oft nicht auf irgendeinen formalen Bildungsabschluss ankommt, sondern auf die Pfiffigkeit der Beteiligten. In DDR-Erfinderschulen wurde davon gesprochen, dass es darauf ankommt, nicht die kompliziertesten, sondern eben jeweils „raffiniert-einfache Lösungen“ zu finden – solche sehe ich bei den Lastenfahrrädern.

C.S.: Spezialisierung und Arbeitsteilung sind kein exklusives Merkmal kapitalistischer Produktion – die Vorstellung, dass ohne Kapitalismus/Geld als Vermittlungsinstanz jede_r quasi nur auf sich selbst gestellt wäre und mehr oder weniger „alles selber machen müsste“, ist bloß ein weitverbreiteter Mythos. Bei Peer-Produktion basieren Spezialisierung und Arbeitsteilung auf der „Selbstauswahl“ der Beteiligten – es gibt öffentlich einsehbare Listen der zu erledigenden Aufgaben und jede_r entscheidet selbst, ob, wo und wie sie sich einbringt. Dabei kommt es aber auch auf das Vertrauen der anderen an – diese müssen eine_r zutrauen, die Aufgabe auch gut zu erledigen. Peer-Produktion ist dabei „anti-credentialist“, wie Michel Bauwens es ausdrückt: Vertrauen gewinnt man nicht durch formale Zertifikate und Diplome, sondern dadurch, dass man die eigenen Fähigkeiten praktisch unter Beweis stellt.

W.R.: Ihr sprecht davon – und Ihr weist in Euren Überlegungen ja auch immer wieder darauf hin, dass sich die Commons-Netzwerke gegenwärtig im „Übergang von der Peer-Produktion rein immaterieller Güter, z.B. Software oder Inhalte, zur Peer-Produktion von materiellen Gütern“ befinden (Schlemm/Siefkes 2009). Wo seht Ihr in diesem Prozess zugleich Schwierigkeiten oder Hindernisse?

A.S.: Die Hindernisse haben natürlich viel damit zu tun, dass hier materielle Ressourcen ins Spiel kommen. Mit den „Abfällen“ der verschwenderischen kapitalistischen Produktion kann man zwar auch schon einiges anfangen (zum Beispiel in Selbsthilfeprojekten und Umsonstläden, siehe Arbeitskreis Lokale Ökonomie Hamburg, www.ak-loek.de). Aber es gelingt uns (noch?) nicht, beispielsweise die jetzt stillgelegten Solarfabriken als Kooperative zu übernehmen, weil die Produktionskosten einfach nicht aufzubringen wären.

C.S.: Deshalb setzt Peer-Produktion weniger darauf, die vorhandenen Produktionsmittel zu „übernehmen“ und in Eigenregie weiterzuführen, und mehr darauf, eigene, neuartige Produktionsmittel und Produktionsstrukturen aufzubauen, die dezentraler sind und in der die Arbeitsprozesse auf eine Weise organisiert werden, die sie für Freiwillige attraktiv macht. Arbeitsabläufe und interne Struktur der Wikipedia beispielsweise sind völlig anders als die des Brockhaus-Verlags, obwohl beide eine Enzyklopädie erstellen. Das Herausfinden der richtigen Struktur für erfolgreiche Peer-Produktion ist dabei oft eine der größten Herausforderungen. So krankte der Wikipedia-Vorläufer Nupedia noch daran, dass man sich zu sehr am herkömmlichen Entstehungsprozess von Enzyklopädien orientiert hatte, weshalb das Projekt zunächst nicht in die Gänge kam. Auch bei materieller Produktion wird es darauf ankommen, die für Peer-Produktion passenden Strukturen, Arbeitsorte und Abläufe zu finden, wobei wir da noch ganz am Anfang stehen.

W.R.: Sabine Nuss (2006, 2007) macht in ihren Arbeiten darauf aufmerksam, dass mit der Open Source-Bewegung zwar eine Alternative zur kapitalistischen Produktionsstruktur sichtbar wird, diese aber eben nicht per se schon eine Alternative darstelle – weil ein Open Source-Produkt ja auch eine leistungsfähige Software darstellt, die im kapitalistischen Produktionsprozess wieder vernutzt werden kann.

A.S.: Dass sie „per se schon eine Alternative darstelle“, hat wohl auch niemand vertreten. Dass sie auch im kapitalistischen Produktionsprozess wieder vernutzt werden kann, sehe ich aber nicht als das Hauptproblem oder als wichtigstes Gegenargument gegen ihre „Keimform“-Funktion an. Selbstverständlich werden auch andere wichtigere Momente des Neuen, wie die veränderten Bedürfnisse und Fähigkeiten der Menschen, immer wieder krampfhaft in die kapitalistischen Formen gepresst. Gerade in der beruflichen Praxis zeigt sich häufig, dass diese in Lohnarbeitsformen eingepressten Fähigkeiten weit unterfordert werden bzw. weitgehend leer laufen.

C.S.: Dass Freie Software im kapitalistischen Produktionsprozess genutzt wird, spricht nicht dagegen, dass sie zugleich den Keim einer Alternative dazu darstellt. Um eine Aussicht auf Verallgemeinerung zu haben, muss eine Produktionsweise ja in jedem Fall „nützliche Dinge“ herstellen können, und dass diese Dinge (ob Software oder anders) dann auch für kapitalistische Firmen nützlich sein können, ist nicht weiter überraschend. Das aus der Kritischen Psychologie stammende „Fünfschritt-Modell“ gesellschaftlicher Veränderungen geht sogar davon aus, dass das Neue (die Keimform) zunächst auch nützlich für das Alte sein muss, um überhaupt die Chance zu haben, sich soweit entwickeln zu können, dass es das Alte irgendwann ablösen kann.

Das wird dann „doppelte Funktionalität“ genannt: einerseits muss die Keimform im Rahmen der alten Logik funktional sein, um sich überhaupt so weit verbreiten zu können, dass sie dem Alten irgendwann gefährlich werden kann. Andererseits muss sie im Kern ihrer eigenen Logik mit der alten Logik unvereinbar sein, so dass das Alte sie sich nicht einfach komplett einverleiben kann (siehe keimform.de/2011/faq-zum-fuenfschritt-und-zum-keimform-ansatz/). Freie Software und freie Kulturgüter wie die Wikipedia sind bei aller Nützlichkeit für Firmen zugleich im Kern inkompatibel zur kapitalistischen Logik: sie werden produziert, um Bedürfnisse zu befriedigen, nicht um Profit zu machen; und sie werden in erster Linie von Freiwilligen produziert, die selbst entscheiden, ob, wo und wie sie sich einbringen, nicht von Lohnarbeiter_innen, die sich damit ihr Brot verdienen und den Weisungen ihrer Vorgesetzten folgen müssen.

W.R.: In welcher Weise lässt sich also die Peer-Produktionsdebatte auch als Teil der Commons-Debatte lesen? Nur dann, wenn auch die Eigentums- und damit die Steuerungsaspekte mit in den Blick genommen werden? Und was könnte das heißen?

A.S.: Ich denke nicht, dass Peer-Produktion und Commons sich wechselseitig wie Ganzes und Teile verhalten. Weder ist das eine Teil des anderen, noch anders herum. Wenn es um Commons geht, wird der Aspekt der kollektiven (Selbst-)Organisierung des Umgangs mit den Ressourcen, Mitteln und Gütern betrachtet, die Peer-Produktion betont den Aspekt der Herstellung unter sozial herrschaftsfreien Bedingungen. Gemeinsam ist ihnen das Fehlen von sozialer Herrschaft.

Das Eigentum ist die rechtliche Form der sozialen Verhältnisse: Es geht um das „bewußte Verhalten […] zu den Produktionsbedingungen als den seinen“ (MEW 42: 401), wobei dieses Verhalten in bestimmten sozialen Verhältnissen stattfindet bzw. sie konstituiert. Die Frage des Umgangs mit den vorhandenen Produktionsbedingungen (auch den selbst hergestellten) wird bei den Commons betont – dass dieses bewusste Verhalten sich „erst verwirklicht durch die Produktion selbst“ (ebd.) bei der Peer-Produktion. Insoweit Eigentum als identisch betrachtet wird mit dem Ausschluss der Menschen von den von ihnen selbst produzierten Gütern und Mitteln, bedeuten Commons und Peer-Produktion die Abschaffung dieses Eigentums.

Diejenigen Ressourcen, Mittel und Güter, die ständig durch menschliche Arbeit reproduziert werden, müssen nicht nur aus den Händen der Produktionsmitteleigentümer befreit werden – sondern die Freie-Software-, Commons- und Peer-Produktionsdebatte geht zum großen Teil davon aus, dass es möglich ist, außerhalb des kapitalistischen Lohnarbeitsprozesses solche Güter neu herzustellen und sie der kapitalistischen Aneignung zu entziehen (bei der Freien Software oder den Freien Kulturgütern z.B. durch die [Creative-Commons-]Lizenzen).

Die theoretische Möglichkeit dafür wird sichtbar, wenn man annimmt, dass es neben und außerhalb der im kapitalistischen Lohnarbeitsprozess vernutzten Arbeitskraft weiteres Arbeitsvermögen gibt, das für die Entwicklung dieser neuen Güter und auch der neuen Verhaltensweisen und Beziehungen aufgewendet wird. Dass bei Marx nur die „Arbeitskraft“ thematisiert wird (und mitunter auch „Arbeitsvermögen“ genannt wird), ist der z.B. im „Kapital“ bewusst eingeschränkten Thematik zuzuschreiben. Dort geht es nicht um sich weiter entwickelnde allgemein-menschliche Möglichkeiten, sondern lediglich um die Erklärung der Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaftsform, in der das Arbeitsvermögen lediglich als Arbeitskraft behandelt wird.

Auf diese Weise ist die Schaffung von Ressourcen, Mitteln und Gütern „neben“ dem kapitalistischen Produktionsprozess zugunsten von darüber hinausweisenden neuen Lebens- und Produktionsweisen möglich. Da diese neuen Praxisformen versprechen, subjektiv befriedigender, ökologisch nachhaltiger und letztlich auch produktiver (sofern nicht die „Kapitalverwertungsproduktivität“ zählt) zu sein, werden alle Produktionsbedingungen, die nur zum veralteten Produktionssystem gehören (wie die allermeisten Fließbandtaktstraßen), unbedeutend und brauchen nicht mehr „enteignet“ zu werden, sondern sie gehören, wie z.B. die Rüstungsproduktion und die Produktion von absichtlich schnell verschleißenden und umweltschädlichen Gütern – höchstens unschädlich gemacht.

Während die von der Freien Software ausgehende bzw. mit ihr eng verbundene Peer-Produktionsdebatte diese Neuschaffung der Produktionsbedingungen betont, entstammt die Commonsdebatte stärker den realen Abwehrkämpfen gegen die Privatisierung von natürlichen Ressourcen durch den Kapitalismus. Hier geht es in direkter Weise um den Kampf gegen die Privatisierung und um die „Enteignung der Enteigner“ dieser Ressourcen. Beide Aspekte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sie sind bewusst in Verbindung zu bringen – theoretisch wie praktisch.

C.S.: Peer-Produktion setzt Commons voraus, da nur auf ihrer Grundlage eine „Herstellung unter sozial herrschaftsfreien Bedingungen“ möglich ist – sind die Produktionsmittel das Eigentum weniger, entstehen einseitige Abhängigkeitsverhältnisse zu diesen Eigentümer_innen und mit der gleichberechtigten „Peer“-Produktion ist es zwangsläufig vorbei. Deshalb ist der erste Schritt erfolgreicher Peer-Projekte jeweils der Aufbau oder die Aneignung eines Commons (Freie Software, Wikipedia etc.), auf dessen Grundlage dann weiter produziert werden kann und das seinerseits von den Peer-Produzent_innen gepflegt und weiter ausgebaut wird.

Umgekehrt sind an Commons nicht zwangsläufig nur „Peers“ beteiligt – Beispiel für Commons ohne Peer-Produktion wäre die mittelalterliche Allmende, wo sich die Bauernfamilien das Land teilen, die Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Familien aber patriarchal und herrrschaftsförmig erfolgt. Ein Element von Peer-Produktion ist aber auch hier zwangsläufig vorhanden, zumindest die einzelnen Familien bzw. „Familienväter“ müssen sich zueinander als Peers verhalten, andernfalls könnte man überhaupt nicht sinnvoll von Commons/Allmende sprechen.

Commons und Peer-Produktion lassen sich also nicht voneinander trennen, fallen aber auch nicht zwangsläufig zusammen. Auch ich sehe erst in der erfolgreichen Verbindung beider Elemente den Schlüssel zu einer neuen Produktionsweise, die dem Kapitalismus tatsächlich gefährlich werden kann.

W.R.: Danke Euch für die Diskussion!

Literatur

Nuss, Sabine 2006: Copyriot & Copyright: Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus. Münster: Westfälisches Dampfboot.

– 2007: Open Source. In: Brand, Ulrich/Lösch, Bettina/Thimmel, Stefan (Hrsg.): ABC der Alternativen. Von „Ästhetik des Widerstands” bis „Ziviler Ungehorsam”. Hamburg: VSA-Verlag, S. 148ff.

Schlemm, Annette/Siefkes, Christian 2009: Commons-Netzwerke. In: Contraste Nr. 292.

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Beyond Digital Plenty (1)

Building Blocks for Physical Peer Production

Journal of Peer Production[Originally published in Journal of Peer Production, Issue #1: Productive Negation, July 2012.]

Summary

Commons-based peer production has produced astonishing amounts of freely usable and shareable information. While that is amazing in itself, many people think that it is all, arguing that peer production flourishes in the digital realms of the Internet—and only there. This would mean that peer production could never be more than a niche phenomenon, since nobody can survive on information alone. This article challenges the conventional viewpoint, arguing that the potential of peer production extends far beyond the digital sphere into the sphere of physical production and that corresponding developments are already under way.

The article contrasts the plenty of the digital world with the apparent scarcity of the physical world. It explains the difference between scarcity and limitations and why is it necessary to distinguish between different meanings of the word “plenty” when thinking about the possibility of plenty in a limited world. It shows that firm- and market-based capitalist production is unable to produce plenty for everyone due to its inherent traits, but that commons-based peer production is very different in this regard. It sketches building blocks for the generalization of peer production into the physical world, referring to examples that exist today. Finally, questions of fairness in a peer production–based society are discussed.

Digital Plenty Versus Natural Scarcity?

The Internet as a Place of Plenty

The Internet has become a place of plenty—plenty in different meanings of the word. The first meaning of plenty is “lavishness” or “wastefulness.” I might spent all day clicking through photo sharing sites, looking endlessly at pictures of any people or topics (say, Mount Everest), even though at some point they’ll start go get fairly repetitious and I have seen everything of interest—I can continue nevertheless.

I can use BitTorrent to download tons of movies—that’s usually illegal, but it works—until I’ve filled my hard disk with movies, even though I might never find the time for watching them. I can install any number of free software programs, endlessly trying new ones, even if I don’t really use any of them. It’s easy to waste time on the Net.

But plenty also has another meaning: “getting what I need, when I need it.” The Internet offers plenty in this sense, too. Just try to remember (if you’re old enough to do so) how cumbersome it was to research something before the Internet. You had to visit a library to find books on the topic; if none existed, you had to try locating articles in journals or finding out whether there were experts somewhere that you could reach and that responded to your queries. Today, doing initial research has simplified enormously: just enter some search terms in Google or read the Wikipedia article on the topic, then follow the most interesting links for further reference. It has become so easy to find information on practically any topic that it is hard to remember how it was before.

Solving problems has likewise become much simpler. Since you are hardly the first person with any specific problem, you can search the Internet. Usually you’ll find others who had the same problem and wrote about it. You can check the solutions they came up with; if that’s insufficient, it’s often easy to get involved and ask for help. In the past, it was very hard to find and cooperate with people with similar problems or interests, unless (maybe) if they lived in the same city or area as you. Not anymore.

When looking for a specified piece of music or a particular video, I’m quite likely to find it on YouTube or elsewhere online. And I can download and watch the movies I’m interested in—usually not legally, but still. I can find free software programs to do specific tasks or to solve specified problems—whether for Web surfing, watching videos, editing photos, videos, or music, playing games, developing programs—almost anything is there. Thus, the Internet is also very good at providing plenty in the sense of “what I need, when I need it.”

It might seem as if the plenty originates in the digital nature of the Internet itself. But that would be a wrong impression. Digital technology is only the foundation; the producers of the plenty are the people who use the Internet and make it all happen. I will return to that issue, but prior to doing so I will look a the limitations of the physical world which make it appear so different from the digital plenty of the Net.

The Ecological Footprint: Is Scarcity “Natural”?

One issue that might seem to make the concept of plenty—plenty for everyone—in the natural world hopeless has become known as “ecological footprint.” The ecological footprint is the amount of land necessary to generate all the resources consumed by a human population and to absorb and render harmless the corresponding waste. It is measured in “global hectares,” meaning hectares (one percent of a square kilometer) of land of average fertility.

Today, the ecological footprint of humanity is about eighteen billion global hectares, but the Earth’s total biocapacity is only about twelve billion global hectares. The disparity is obvious: our current lifestyle would require one and a half Earths to be sustainable. We consume resources much faster than the Earth can replenish them. Since such overuse is impossible in the long run, we live at the cost of future generations.

But not everybody does. In many countries, the average footprint per person is very low. In Bangladesh and Afghanistan, it is just 0.6 global hectares per person; in India and Yemen, 0.9 hectares; in Iraq and the Philippines, 1.3 hectares. In these and many other countries, resource usage is below the sustainable average that can be calculated by dividing the twelve billion hectares of available biocapacity among the seven billion people alive: 1.7 hectares per person.

The actual global average is about 2.7 hectares per person, more than 50% higher than sustainable. My own country, Germany, uses almost twice as much: 5.1 hectares per person. Most other European countries have similar values. The average footprints of the USA and some Arab countries are highest: 8.0 hectares per person, or more (see Wikipedia 2011). We who live in highly industrialized countries, thus not only live at the cost of future generations, but also at the cost of people in other parts of the word. Our consumption patterns are only possible because people elsewhere consume much less.

Scarcity, Limitations and How (Not) to Produce Plenty

It is clear that to remain possible and sustainable in the long run, all production is bound to the limits of the available biocapacity. This constraint holds regardless of the social form of production. The limit of currently 1.7 global hectares per person can be surpassed for some and for limited periods of time, but not for all and forever. Such limitations must be respected, but limitations, as Stefan Meretz points out in his contribution to this volume (Pattern 2) are not the same as scarcity. Scarcity means that there is not enough of something, hence it depends, first, on how much of a good is needed (and by whom) and, secondly, on how much of a good is produced (and by whom). Scarcity is thus a social phenomenon, never a natural one.

Above I distinguished two concepts of plenty—unlimited wastefulness versus “getting what I need, when I need it.” It’s easy to see that unlimited wastefulness will quickly collide with the limits of our planet. It won’t be possible for everybody to have five cars in their garage, or use everything just for a little while and then throw it away.

But plenty in the second sense is a different matter. Things that are quickly discarded won’t satisfy more needs than things that are used for a long time; and you don’t need five cars to reach your destination quickly and conveniently—depending on the situation, one car, an (electric) bicycle or good public transportation will do as well or better. This concept of plenty isn’t focused on the accumulation of things, but on the satisfaction of needs.

Is it possible to produce “what you need, when you need it” for everybody, on this limited planet? That question cannot be answered without considering the social form of production.

Capitalism is the mode of production that dominates today. For this mode, the answer must be no. Capitalism is good at producing plenty for some, but it does so at the expense of others. Most people in the Global South are excluded, and many poor people in the “rich” countries are largely excluded as well. This is not just an empirical fact, there are also theoretical reasons why it must be so.

First, the goal of every capitalist entity, every investor and every company, is to “make money,” that is, to turn money into more money. Making money is only possible if somebody produces something (though that relation may be quite indirect and far away), and production always requires resources. And if the goal of “making money” is reached, as a result there is more money that must be invested again in order to make even more—and so on. The capitalist process thus has a built-in, infinite urge to grow, to produce more and to use more resources. Over-exploitation of the biocapacity is the logical result. With capitalism, the only alternative to growth is crisis: investments fail, leading to a loss of capital with companies going bankrupt. People lose their job and thus the possibility to benefit from the limited plenty which capitalism produces for those who can afford it. Neither alternative is good: crisis causes people to suffer, but permanent growth necessarily comes at the expense of nature.

Moreover, plenty for everybody is impossible because companies produce goods in order to sell them—that’s how they make money. But things can only be sold if they are scarce, if they don’t exist in sufficient quantity. Otherwise, if supply is higher than demand, prices tend to fall towards zero. This makes the market in question unattractive for producers since it becomes hard or impossible to “make money.” Some producers will withdraw or go bankrupt, finally leading to a situation where supply falls below demand and the situation of scarcity required for successful investments is restored. If capitalist corporations are not the only source of goods, but people can get them for free from nature or from other people, commercial exploitation will face ongoing problems. This is the situation the music industry finds itself in, since the Internet facilitated the noncommercial sharing of music. In such a situation, the affected companies will desperately try to smash the noncapitalist alternative, just as we see today.

Finally, there is a conflict between plenty for everyone and the core principle of capitalist markets: competition. Competition means that whenever someone wins, someone else loses. It doesn’t matter whether companies compete for market share or people for jobs: some will be successful, but the rest will fail, going bankrupt or becoming unemployed. There may be plenty for the winners, but the losers won’t get more than some modest handouts from the government, if at all.

Commons-based Peer Production: A Different Mode of Production to the Rescue?

Thus, plenty for everybody is only a possibility with another mode of production. But how might such a mode of production work? Indeed, what becomes of the concept of “work”? In capitalism, work is usually a means to an end: companies employ workers in order to produce salable products; people work to earn money that they need in order to “make a living,” i.e., to survive. When politicians talk about “increasing the incentives to work,” they mean increased sanctions about people unable or unwilling to find work. Work seems to be something that you only do if you have to, if it’s forced upon you by economic necessity or social pressure.

But does it have to be like that? Let’s return to the way in which plenty is produced on the Internet. Not all of the digital plenty we can find there, but a large part of it is a result of the process we call commons-based peer production—the very topic of this journal.

In many cases, peer production differs considerably from the conventional model of work as a means to make money. Innumerable people help writing and editing the free encyclopedia Wikipedia, without expecting financial compensation. Others make music, take pictures, or publish texts, freely sharing their works online. People create and share free software such as the GNU/Linux operating system and the Firefox web browser. Others set up wireless community networks and still others devise open hardware and open designs, freely sharing designs and blueprints of furniture, clothes, machines and other items.

Commons-based peer production is no longer a marginal phenomenon, but an essential part of the modern world. The Internet largely runs on free software; Wikipedia has become a primary source of information for many people.

Peer production is benefit-driven: in contrast to capitalist production, the goal is not to “make money” (turn money into more). Instead, the specific needs, desires, and goals of the participants determine what happens. This changes the nature of the activity: many of the participants don’t get involved in order to make money (though that happens as well), but because they like doing the things they can do there or out of an interest in the goods produced (e.g. the free software developed in a project). Other frequently pursued goals are to learn something or “to give something back to the community” (cf. Lakhani and Wolf 2005).

Such peer production is no longer “work” in the traditional sense. The Wikipedia works only because its founders managed to replace the tedious and monotonous work of encyclopedia writing by a process that’s easy to start with and that people enjoy doing.

Rather than creating commodities that can be sold with a profit, peer producers jointly create, maintain and foster commons: resources and goods that are developed and maintained by a community and shared according to community-defined rules. It’s important to note that the community makes its own rules—they aren’t predefined or imposed from above. Commons are usually shared among the community members or beyond—free software and free content are commons that everyone can use and improve, without exclusions. Free licenses (such as the GNU GPL and the Creative Commons licenses) codify these community rules in a way that makes them legally binding.

Since cooperation in peer projects is voluntary, no one is forced to handle specific tasks. The way of distributing tasks in such projects is often called stigmergic (cf. Heylighen 2007). Participants leave hints about tasks they have started and things they would like to see, encouraging others to take over. Bug reports in software projects and “red links” (pointing to missing articles) in the Wikipedia are examples of such hints. These hints provide orientation to newcomers and to participants that have completed some tasks and are looking for something new. The more participants care for a task, the more visible the hints pointing to it will become, increasing the chance that somebody starts working on it.

Can peer production achieve that which capitalism cannot: produce plenty (in the sense of “what you need, when you need it”) for everyone? Not just in some specific areas (e.g. software) and not just for some people, but in all areas, for everybody?

To make this possible, peer production needs to grow beyond the immaterial into the material world, producing not just information, but also physical goods and services. But is that even possible? “An abundance of information about how we might make things is not the same as an abundance of things—it is an abundance of recipes not an abundance of food,” the economist and community activist Brian Davey (2010) argues, complaining that commons-based peer production can produce only the information (recipes), but not the physical things (food). The underlying notion, shared by both proponents and critics of peer production, is that it excels in the sphere of information, which is so easy to copy and change, but fails in the material world, which isn’t.

But this argument misses the fact that it’s not an inherent property of information that makes it so easy to copy, but rather a question of infrastructure. 30 years ago, only corporations with extremely expensive specialized machinery were able to losslessly reproduce music, as Glyn Moody (2010) points out. Only the spread of broadband Internet connections and sufficiently large hard discs made it commonplace.

Similar developments regarding the production of physical things are not only possible—in some areas, they are already under way. The reproduction of physical things is possible if three conditions are met: you need access to the complete design, to the required resources and to the necessary means of production. In the following section, I will try to briefly outline how generalized peer production may become able to fulfill these conditions.

[Second part]

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Gartenkooperative Freiburg

Die Gartenkooperative Freiburg setzt seit 2011 ein commonsbasiertes Modell Solidarischer Landwirtschaft um. 260 Haushalte versorgen sich mit Gemüse. Es gilt das Prinzip »Beitragen statt Tauschen«. Vom Anbau über den Transport bis zum Geld werden alle Aufgaben geteilt. Nicht geldfrei, logisch, aber jenseits der Geldlogik. Cine Rebelde dreht einen Film über die Gartenkoop und sammelt Spenden zur Finanzierung. Hier der sehr schöne Trailer:



Gartencoop Freiburg – Trailer Saisonbeginn [ cc by www.cinerebelde.org ]

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Post-Kapitalistische Landwirtschaft – Potentiale, Probleme, Perspektiven

Mit einiger Verspätung aber besser als nie. Hier findet ihr den Slidecast und Audiomitschnitt eines Vortrags den ich am 15.6.2012 in Kassel auf Einladung der Gruppe “Spunk” (http://spunk.noblogs.org/) gehalten habe:

Der Ankündigungstext lautete wie folgt:

“Höfesterben. Agrarpolitische Desaster. Die Ökologische Landwirtschaft unter Anpassungsdruck. Der gesellschaftliche Wunsch nach Ernährungsautonomie. Es gibt genug Gründe eine landwirtschaftliche Produktion jenseits des Kapitalismus zu organisieren.

Die „Solidarische Landwirtschaft“ wagt diesen Versuch: Freiwilliges Beitragen und Schenken von Geld, Fähigkeiten und Ressourcen statt Tausch, Wert und Ware. Freies Tätigsein der Bäuer_Innen statt  abstrakter Arbeit in Konkurrenz. Eine Produktion, die die konkreten Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Klar, ist das nicht einfach. Klar, gibt es Schwierigkeiten.

Darüber wollen wir sprechen: Das Konzept in der Praxis, sein Potential aber auch seine Grenzen. In diesem Sinne: Fragend schreiten wir voran…”

From: keimform.deBy: Jan-Hendrik CroppComments

A post-capitalist farming experiment – Potentials, problems and perspectives

“From each according to his ability, to each according to his need” – Marx, Critique of the Gotha Program

Potentials

Since one and a half years around 70 people are involved in a post-capitalist farming experiment. Situated in the middle of Germany a collective of 5 growers is feeding around 65 supporters, year-round with a full supply of vegetables. The production is organised along the needs and abilities of the community.

Internally the growers collective evaluates the needs of each “worker”. Both in financial terms (“wage”) and concrete needs (e.g. a place to live). Those needs have to be met in order to enable the individuals to sustainably organise within the project. This happens independently from the evaluation of the amount of time that each grower is willing to commit to the project (“working hours”). If both of this results in a feeling of enough resources to start growing, a budget is calculated summing up all production costs (including “wages”) and running investments of a one-year production.

This budget is then presented at a general assembly to the supporters who want to be fed by the collective. Each of them anonymously fills out a contract in which voluntary contributions are noted. These include regular financial contributions, skills (e.g. working on the land, massages for the growers) and resources (e.g. machinery and land) that people can offer. The commitment for delivery (both of veggies and contributions) in one-year long. Ideally, after this first bid, all of the growers collective’s needs and their budget are met. If not, another round of bids has to be made. In this process we aim at fulfilling needs non-monetarily wherever possible but monetarily wherever necessary.

In a second step the vegetable needs of the supporters are evaluated in order to enable a needs-oriented planning and production. The signed contract also includes other agreements around collective decision-making, criteria for the failure of the project, collective risks and responsibilities and so on.

To stress: Except for a commitment to the project through signing the contract, no more contribution is required be entitled the vegetables.

The harvest throughout the year is then shared in depots, twice a week, around the region. The distribution is organised by the supporters. It doesn’t consist of normed boxes but of pools of vegetables from which every supported can take according to their needs. Several tools in the depots are used to create transparency about the stocks of that day. Furthermore the community as a whole is encouraged to form working groups to organise beyond the basic production, such as in theoretical reflection, processing of left-overs, storage of produce; among others. If the working groups need any form of support (money, skills ressources) to function well, this can be discussed and solved in the generally assembly.

Through this experiment we aim for transforming certain capitalist social relations and principles:

  • Voluntary contribution instead of exchange, value and commodities. Everybody can, nobody has to contribute as long as everybody’s needs are met. Production is organised along concrete demands. Products do not have an abstract exchange value any more, so we have to find ways of appreciation beyond money.
  • Useful doing instead of abstract work in competition: The growers collective produces for a need, not to achieve value and profit on the market. This erases useless “norms” for agricultural good (“the straight cucumber”). The needs of the growers are met in advance, meaning they can self-determine the processes and methods of growing and self-organise along self-chosen principles. This allows us to unlearn the internalised capitalism, which doesn’t wither away with the disappearance of outside pressure.
  • Food autonomy. That people are being fed beyond the capitalist social relations is a political potential in itself. For it to be realised, the the supply has to be solid which raises questions about commitment and structure within the project.
  • Empowerment of supporters. Our project encourages the process of de-alienation from agricultural production through various means. May that be simply because people can participate in the basic decision-making, by being a free farm hand or because they themselves become committed in the production process by means of responsible working groups that fulfil certain tasks (e.g. logistics, theory work, process etc.).

 Problems and Perspectives

  • Political overload. Some supporters might just want organic veggies they can connect to and not necessarily the anti-capitalist revolution. That’s fair enough and the revolution is already embedded in their support.
  • Transparency of the contributions. We had debates around whether instead of anonymous bids, we should make all contributions transparent. However the question remained who becomes visible in such an approach. Surely those with little means, since those with lots of resources who could contribute more remain intangible.
  • Internalised capitalism. While the outer pressure crumbles from our project, we are left with internalised behaviour. We call for weird concepts of justice (“all should do and get the same”), we start to norm working hours, we exploit ourselves for the project. So we need space to consciously reflect this.
  • Gender relations. Similarly we reproduce patriarchal gender norms. What are the dynamics in our collective? Who is doing the reproductive work for us who work the fields? Who does what kind of work on the fields anyway? And can we create space for gender-specific empowerment in the daily grind?
  • Principle of desire vs. responsibility. We have committed and taken responsibility to feed people. This could mean harvesting kale at -20 degrees instead of a cup of tea or irrigating crops at +35 degrees while others jump into the lake. But we have limits which demand respect. However to know your desires and boundaries and put them into balance with the need for food autonomy is a big challenge.
  • Claiming means of production. How do we claim farm, land and tools? Squats are too precarious for such a long-term project. And poor D.I.Y. infrastructure can create frustration. So we need to use our networks to refurbish the means we have and eventually mobilise capital of our supporters to improve working conditions through investments; which in turn, get deprivatised legally to secure them for non-commercial usage.
  • Limits to demonetisation. On the long run we can try to produce autonomously (own processing, own fuels, own seeds etc.). But as long as we are dependent on financial inputs from supporters, we remain dependent on their abstract, capitalist labour and also on exploitative relations to those who produce the goods we have to buy in.
  • Lack of self-organisation. Most supporters contribute to us on a voluntary basis. This competes with their wage labour and free time, which can be a reason for the lack of self-organisation. We have to tackle this issue and collective enable people to make contribution possible by asking them what they need for it.
  • Access to non-capitalist goods. The amount of our goods is limited by the combination of land available and our cultivation practices. Hence: who gains access to these? Obviously we should start up new projects if the demand expands our capacities. But where this isn’t possible we need a transparent and horizontal negotiation process about privilege and access.
  • Internal structure and communication. To establish a functioning production we need resilient and transparent structures. May that be a set growers collective with supporters or a network of working groups that organise the production non-hierarchically. Whatever form, it needs clear responsibilities and allocation of tasks. Besides we need regular, direct, and best, face-to-face communication and coordination.
  • Means and/or ends. Situations can arise in which the end (food autonomy) is achieved by questionable means (self-exploitation). And vice versa an endless process can cripple the project. People have different priorities in this matter and it’s necessary to make these transparent: What do people want? How do we measure success? What do we see as revolutionary potential? How do we ensure that our responsibility for the land is met? How much fluctuation can we sustain? How can we pass on experience? Who has an overview of the whole rotation? How do “professionals” feel in a crowd of motivated dilettantes that all want to have a say? And how do these committed supporters feel in a process dominated by the growers collective?
  • Subcultural isolation. Formally our projects have no or little barriers. But often our projects don’t stretch beyond folks with white middle-class backgrounds. How do we break this domination? How and where do we spread the infos of the projects? How open and inviting are our spaces really? How can we make our project relevant to people “who have to bother about the basics”? How can we organise together with self-organised refugees, migrants and other socially excluded groups?

I feel that our practice has touched upon a few of the questions that were raised in Shift recently about lifestyle issues and the debate around institutions between Hardt and Holloway. Hoping that maybe I have delivered some illuminating insights I remain open to feedback:

„Preguntando caminamos – Questioning we walk on.“ – Zapatistas, Mexico

From: keimform.deBy: Jan-Hendrik CroppComments

Perspektiven der Gelderkenntnis

Vortrag, gehalten auf der Commons-Sommerschule 2012 (Folien & Ton).

From: keimform.deBy: Uli FrankComments

Selbstentfaltung (English)

[English version of the original german article, translated by Pauline Schwarze — thanks a lot!]

“Have a lot of fun” is the legendary hacker greeting. Having fun? Isn’t that the epitome of our meaningless and dump “fun culture” of comedy & Co? Not at all. The greeting refers to the motivation of committing oneself to a complex and self-imposed task – such as software development or other nice and useful things. Voluntariness in these things is of the essence. Wanting to commit to a self-imposed goal is the purpose as well as an end in itself.

In the emancipatory context, this kind of motivation is referred to as Selbstentfaltung. The literal translation of this German word is “unfolding oneself” and denotes the ”ability to develop oneself in any way one desires”. In terms of terminology this might be a bit ambiguous since quite a few esoteric teachings use the same term with a different meaning behind it. Selbstentfaltung simply does not refer to an identity with supernatural powers, a existence in nirvana, a submission to others or some such. Instead, it refers to self-determination and the autonomy of cooperating with others.

It also does not refer to the bourgeois concept of “self-realization” which conveys the existence of a pre-determined identity of “self” that now simply needs to be “realized”. As if purchasing the proper accessories will help finding one’s own identity. Realizing oneself as a commodity monad. I buy, therefore I am – myself?

Marx and Engels defined Selbstentfaltung as “free development of each” which is the “condition of the free development of all”. At least figuratively, since they did not know the word we use today. But they did grasp its core meaning: Selbstentfaltung is the self-development that requires the development of every other person. From this point of view other people are to be included, not due to ethical or other external considerations, but rather because their inclusion is structural and unconditional.

There are two main prerequisites for Selbstentfaltung: Commons and Peering. Commons is the alternative to the commodity form. It is a social form in which vital things are not produced in a separate private production with a subsequent distribution via exchange, but living conditions are rather produced based on needs and in a way that assures mediation in advance.

Peering describes the above mentioned mediation in advance. Peering is characterized as communication and negotiations in which the participants are peers. It is an aspect of inclusion logic. Peering does not construct “the other” which needs to be excluded, but rather identifies others as peers that are included. This is an essential prerequisite (but no guarantee) for overcoming sexism, racism and other -isms.

Selbstentfaltung is to experience oneself as what we all are: societal humans in a human society. It’s nothing special because that’s what we always are. We just don’t get to experience it because we live separate form one another. I do my own thing, the others do theirs. To image one’s own development as separate from others seems rather absurd but still, we experience it this way.

Selbstentfaltung creates real and living motivation, a kind of motivation that is unattainable under the dictate of ubiquitous exploitation. But if motivation and exploitation can be cunningly combined, how about Selbstentfaltung? Can’t it be bought? Thus postmodern capital encourages us: “Do what you want as long as it turns a profit”.

The answer to that question is known as the “crowding-out” effect. Numerous studies examined what happens if people are financially rewarded for doing things they like to do anyway. Be it children or adults, poor or rich people who participated in the studies, the results were the same: Effort and results took a nosedive. It is frustrating, almost insulting, to be rewarded for fulfilling a fun task. Appreciation, yes please. Bribery? No thanks.

According to a second result of the studies, the effect of reduced pleasure in doing a formerly fun task only showed up under the condition of a reasonably secure living situation. As soon as people experience a significant existential pressure, effort and results remain high or even increase if money is given as a reward. But this does not constitute real motivated activity, but rather a internalized compulsion under the pressure of precarious circumstances.

We all know these thoughts: “I have to motivate myself to get this done”. Or more specifically: “Without a deadline I’m not getting anything done”. Still, we all suspect or know: If I have to “motivate myself” it’s not real motivation, but coercion and compulsion. Self-imposed internal compulsion that masquerades as motivation. Myriads of motivation seminars try to teach techniques to that very purpose. The message: “It’s up to you”.

Selbstentfaltung and real motivation are a different pair of shoes. In my motivated individual development (original: Entfaltung – unfolding) I realize my potential as a societal being in a reciprocal-inclusive way. Under capitalist circumstances this Entfaltung is only possible in niches we have to create for ourselves, even if only on a small scale. But this is the force that drives the commons-based peer-production.

Selbstentfaltung is the core of all things communist, and communist features can be found in all of human history. There have always been people who tried to overcome the obstacles to their own individual Entfaltung, but the circumstances did not allow such a thing. A generalized reciprocal inclusion was not attainable, because it ended up being at the expense of subordinates.

This has changed today. Capitalism, the epitome of structural-generalized reciprocal exclusion, has created the very material conditions we need to not only make Selbstentfaltung attainable but also generalizable. To this end it is necessary to become aware of the prerequisites needed for Selbstentfaltung.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Klassenkampf als immanenter Konflikt

Ein Gespräch zwischen Andreas Exner und Stefan Meretz

Teil 4 und Schluss (Teil 1, Teil 2, Teil 3)

[Erschienen in: Grundrisse 42/2012]

Stefan: Du hast viele interessante Fragen aufgeworfen, auf die ich nur ausschnitthaft eingehen kann. Ich habe verstanden, dass du vom Primat der Herrschaft ausgehst und die Produktionsweise wesentlich dadurch bestimmt siehst. Folglich siehst du den Ansatzpunkt der Transformation bei der Herrschaftsfrage. Bei mir ist es umgekehrt. Nun könnten wir uns auf ein Mittelding einigen, aber das wäre ein fauler Kompromiss und keine theoretische Debatte. Also will ich darauf noch etwas eingehen.

Du sagst, „Kapitalisten trachten danach Kapitalisten zu bleiben“, nicht als souveräne Subjekte, sondern um ihren Status zu bewahren oder auszubauen. Das gleiche gilt aber auch für die Arbeitskraftverkäufer. Der alte Radio-Eriwan-Witz mit der Frage „Was ist schlimmer als ausgebeutet zu werden?“ hat eine tiefe Wahrheit: „Nicht ausgebeutet zu werden“. „Kapitalist“ und „Arbeiter“ sind notwendige, gesellschaftliche Funktionen, die asymmetrisch aufeinander bezogen sind. Die Notwendigkeit ergibt sich allein aus der kapitalistischen Betriebsweise, zu der die Asymmetrie, der Gegensatz, der Interessenkampf, der Klassenkampf gehören. Der Klassenkampf ist aus meiner Sicht eine immanente Bewegungsform des kapitalistischen Betriebssystems. Er ist auf die kapital-immanent notwendigen gesellschaftlichen Funktionen bezogen und enthält in seiner eigenen Interessenlogik keine emanzipatorischen Ansatzpunkte. Solche emanzipatorischen Ansatzpunkte müssten stets zusätzlich in den Klassenkampf von außen hineingetragen werden, sie kommen nicht aus ihm selbst. Das ist keine besonders originelle Position, im Grunde hat das schon Lenin so gesehen. Nur war sein Schluss, dass die Kader-Partei das revolutionäre Bewusstsein in die Arbeiterklasse tragen müsse. Apropos „arbeitende Klasse“: Kapitalist will ich nicht sein müssen, das wäre mir viel zu viel „Arbeit“. Ist alles gescheitert und Vergangenheit.

Ist der Klassenkampf trotzdem ein wichtige Kategorie? Ja, aber nur in dem klaren Bewusstsein, dass es sich um eine systemimmanente Kategorie handelt, die sich dazu eignet, die funktional notwendigen Interessenunterschiede analysierbar zu machen. Denn, da stimme ich dir zu, tatsächlich ist zwischen den Interessen der bäuerlich Produzierenden und dem Industriekapital, dem Arztunternehmer und dem Krankenhauskonzern usw. zu unterscheiden. Mein entscheidender Punkt: Es bewegt sich alles im systemimmanenten Kampf der einen Interessen gegen die anderen. Damit illustrierst du also meine allgemeine Kennzeichnung der basalen Funktionsweise als Exklusionslogik. Innerhalb der Exklusionslogik gibt es keine allgemeine Emanzipation, sondern jede partielle Durchsetzung der eigenen, auch kollektiven Interessen geht stets zu Lasten von anderen. Für eine allgemeine Emanzipation ist der Interessenmodus selbst aufzuheben, und zwar denkend theoretisch wie praktisch handelnd. Was das heißen kann, diskutiere ich unten.

Wenn ich nun auf dem Primat der Produktion vor der Frage der Herrschaft bestehe, dann hat das mehrere Gründe. Erstens ist ganz allgemein die gesellschaftliche Produktion der Lebensbedingungen Wesensmerkmal des Menschen, Herrschaft hingegen keineswegs. Das finde ich wichtig, um naturalisierende Seinszuschreibungen zurückweisen zu können. Zweitens sind im Kapitalismus die Produktionsverhältnisse herrschaftsförmig. Es handelt sich also nicht um ein Außenverhältnis zweier wechselwirkender Faktoren, etwa von Produktion und Herrschaft, sondern um einen inneren Zusammenhang. Von einem Binnenverhältnis auszugehen hat zur Folge, dass ich über den Hebel der Herrschaft zwar einiges bewegen, aber allgemeine Emanzipation nicht erreichen kann. Aus meiner Sicht sind im Interessenmodus der Exklusionslogik nur immanente, beschränkte Schritte möglich. Diese immanenten Zuwächse an Handlungsmöglichkeiten will ich nicht gering schätzen, ich kann sie aber nicht als Schritte auf dem Weg zu einer allgemeinen Emanzipation unter Aufhebung des Kapitalismus stilisieren. Das sind sie nämlich nicht.

Demonetarisierung und Entwarenformung

Demonetarisierung als emanzipatorische Perspektive, die wir teilen, ist für mich daher zuvörderst mit einem Prozess der Entwarenformung der Produktion und dem Aufbau genuin nicht-warenförmiger Produktionsverhältnisse verbunden. Die Waschmaschinen produzierende Genossenschaft mag intern gleichberechtigter und partizipatorischer organisiert sein als ein normales Unternehmen, doch die gleichberechtigte Partizipation bezieht sich primär auf den Erfolg am Markt zu Lasten der anderen Waschmaschinenproduzenten. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat als Co-Management sind nur eine andere Form der Partizipation zu gleichen Zwecken. Es geht jedoch darum, den Zweck der Vermarktung, also die Warenform, aufzuheben.

Ich habe als Alternative die commons-basierte Peer-Produktion angeführt. Hier wendest du nun wie auch andere zurecht ein, dass es um die Produktionsmittel ginge und da sähe es schlecht aus. Bei den digitalen Commons stehen diese zwar bei den meisten als Privatbesitz auf dem Schreibtisch, im globalen Norden zumindest, aber wenn es um die stoffliche Produktion und die dafür nötigen Produktionsmittel geht, sieht das anders aus. Soll das nun alles neu gebaut werden? Ist das nicht ökologischer Wahnsinn? Warum also nicht Aneignung der Produktionsmittel und Einsatz für die allgemeine Emanzipation?

Dagegen spricht, dass viele Produktionsmittel nicht neutral sind, sondern die soziale Form und damit der Zweck der Verwertung in ihre stoffliche Gestalt eingeschrieben ist. Das fängt damit an, dass die meisten Güter – Produktionsmittel wie Konsumgüter – closed-source und überkomplex sind, um einerseits Nutzer abhängig zu machen und zum anderen den Nachbau zu verhindern. Auch das ist sachliche Herrschaft!

Opensourcing und Peer-Produktion ist nun eine Bewegung, diese in die nicht-stofflichen wie stofflichen Güter eingeschriebene Herrschaftsmatrix, die Exklusionslogik, aufzubrechen. Es ist eine allgemeine Bewegung zur Wiederaneignung der eigenen produktiven Potenzen, von Kreativität, Wissen und Fertigkeiten. Das ist die Voraussetzung dafür, um überhaupt so etwas wie eine Produktion jenseits der Warenform aufbauen zu können. Aus der Warenproduktion heraus ist so ein Prozess kaum denkbar – es sei denn, eine Firma gibt ein Geschäftsfeld auf oder geht Pleite, oft nehmen sie jedoch ihr Wissen mit in die Insolvenz.

Opensourcing und Peer-Produktion sind Voraussetzungen, andere Zwecke in die Produkte selbst einzuschreiben. Das möchte ich an einem Beispiel illustrieren. Traktoren werden für die landwirtschaftliche Produktion benötigt, sei es vom Ökolandbau, der konventionellen Produktion oder der nicht-kommerziellen Landwirtschaft, die ihre Produkte nicht vermarktet, sondern verteilt. Solche Traktoren sind teuer, closed-source und überkomplex. Es ist ihr Zweck, abhängig zu machen und irgendwann ersetzt zu werden – Stichwort: geplanter Verfall. Solche Traktoren kann man kurzfristig nutzen, wenn man sie hat, sie sind für eine allgemeine Emanzipation jedoch nicht zu gebrauchen. Sie müssen neu entwickelt werden. Dabei müssen wir unsere Kriterien in den Traktor einschreiben: Modularität, Einfachheit, Langlebigkeit, niedriger Betriebsaufwand, geschlossene Stoffkreisläufe, Eigenbau, flexible Fertigung, hohe Leistung. Open Source ist dafür die unabdingbare Voraussetzung. Wir müssen den Traktor neu bauen in dem Maße wie wir die Gesellschaft neu bauen.

Das Projekt „Open Source Ecology“ (OSE) hat sich genau dieses Ziel gesetzt: Neuentwicklung bekannter Maschinen. Nicht nur den Traktor, sondern im ersten Schritt die 50 wichtigsten Produktionsmittel, um eine lokale Produktion aufzubauen. „Global Village Construction Set“ (GVCS) nennen sie es. Dabei handelt es sich nicht um ein warenkritisches Projekt. Sie unterliegen sogar der Illusion, das Projekt irgendwann durch den Verkauf der Produkte finanzieren zu können. Ich hoffe, dass sie erfahren werden, dass es ihre Ziele beschädigt, wenn sie sich auf den Markt ausrichten. Bislang ist es nicht nötig, da sie aufgrund großer Aufmerksamkeit ganz gut von Spenden leben können. Denn das ist klar: Die Werkzeuge zum Bau der neuen Produktionsmittel kaufen sie ganz herkömmlich ein. Bislang sind sie noch nicht zu „Investionsmitteln“ mutiert, die sich in der Verwertungslogik irgendwann wieder bezahlt machen müssen. Mal sehn, ob es so bleibt. Auch das ist ein Lernprozess.

OSE mit dem GVCS ist nur ein Beispiel aus einer Liste von 300 offenen Hardware-Projekten, die im Wiki der P2P-Foundation geführt werden (p2pfoundation.net/Product_Hacking). Nach Freier Software, Freiem Wissen und Freiem Design ist Opensourcing jetzt in der physischen Welt angekommen. Sehr wichtig finde ich auch zu beachten, dass es nicht nur darum geht, die Produktion im engeren Sinne auf eine neue Grundlage zu stellen, sondern dass sich gleichzeitig die sozialen Beziehungen verändern. Die Effekte, die du auch schon für Kooperativen berichtet hast, kommen unter Commons-Bedingungen erst recht zum Tragen. Ferne zu Markt bedeutet Entscheidungsfreiheit, aber auch Verantwortung. Wenn es den Scharfrichter des Marktes nicht gibt, müssen alle Konflikte – etwa, welche Bedürfnisse Vorrang haben sollen – direkt sozial ausgetragen werden. Dafür brauchen wir neue Formen der Kommunikation und Entscheidung. Erfahrungen wie sie im Occupy-Kontext mit den Asambleas gesammelt werden sind dabei wichtig. Allerdings könnte die Vernetzung zwischen den opponierenden und konstruktiven Bewegungen noch besser werden. Wir brauchen beides.

Bedeutet Neubau aller Mittel nicht eine ungeheuren Ressourcenaufwand, den wir uns nicht leisten können? Ist also der Open-Source-Weg keiner für die ganze Welt? Das sehe ich nicht so. Das Argument übersieht, dass der laufende Kapitalismus in ungeheurer Geschwindigkeit permanent seine komplette produktive Basis erneuert. Aus diesem Wachstums- und Erneuerungswahnsinn gilt es auszusteigen, indem nicht mehr die alten, proprietären, monolithischen Wegwerfgüter, sondern langlebige, modulare, reparierbare Open-Source-Güter produziert werden. Nur so kann die kapitalistische Produktionsweise auf der stofflichen Seite beendet werden: durch Ersetzung mit einer stofflich und sozial qualitativ neuen Produktionsweise jenseits von Ware, Markt, Arbeit, Kapital und Staat. Also: Aneignung der „alten“ Produktionsmittel ja, aber nur zum Zweck des stofflichen Ausstiegs aus der alten Produktionsweise.

Theorie als Praxisreflexion

Schließen möchte ich mit dem Theorie-Praxis-Verhältnis. Hier stimme ich dir weitgehend zu, dass Theorie alleine nichts bewegen kann, aber Praxis alleine möglicherweise das Falsche. Ob dem so ist, kann man wiederum zwar gedanklich bewegen, aber nicht entscheiden, auch das ist wiederum eine praktische Frage. Jedoch halte ich den Kampf-Gegen für überbetont. Diese Überbetonung kommt aus der Hoffnung, dass irgendwann aus dem Kampf-Gegen zauberhafter Weise ein Kampf-Für wird. Das sehe ich jedoch nicht. Der letzte große Kampf-Für, nämlich der für den Sozialismus, ist scheppernd verloren gegangen, weil er – das können wir heute theoretisch erkennen – doch nur ein Kampf für eine Variante der Warenproduktion war. Auf dem Gebiet der Warenproduktion ist der Kapitalismus jedoch unschlagbar. Der Kampf-Gegen kann nur ein Kampf gegen neue Zumutungen, Einschränkungen, Bedrängnisse sein – ein Dämme-bauen, ein Verteidigen der Lebensansprüche. Die neuen Schiffe zum Übersetzen ans andere Ufer entsteht in den Werkstätten der commons-basierten Peer-Produktion, der neuen Produktionsweise, die wir schrittweise aufbauen. Eins geht ohne das andere nicht.

Nachdem ich die Differenz betont habe, möchte ich zum Schluss das Gemeinsame in der Differenz herausheben: Es ist das gemeinsame Lernen. Alle Formen, die wir ausprobieren, sind Orte des Lernens und der Reflexion. So wie du um die Grenzen der Kooperativen weißt, sind mir viele Widersprüche in der commons-basierten Peer-Produktion bewusst. Grenzen und Widersprüche gehen jedoch nicht auf unsere Dummheit zurück, sondern auf die Dummheit des kapitalistischen System, das dabei ist, sich selbst aus der Welt zu verabschieden, aber leider nicht friedlich gehen will. Wir werden noch eine Weile damit zu tun haben.

Vielen Dank, Andreas, für das Gespräch.

Andreas: Ja, es geht um das soziale Lernen. Meiner Meinung nach hast du auch den allgemeinen Stellenwert sozialer Kämpfe gut ausgedrückt. Du sprichst deren Betonung an, die wechseln kann. Die Notwendigkeit, den Kampf zu betonen, bestimmt sich, so glaube ich, über die historische Situation.

Es ist in der Tat sehr wichtig, den Inhalt der Produktion zu verändern. Gelingt das ohne Fabriken, Büros und Land zu besetzen oder sonstwie anzueignen: umso besser. Das ist aber, wie ich denke, nur zu einem Teil, meiner Meinung nach nur zum geringeren Teil möglich. Außerdem glaube ich nicht, dass Kleinheit, Einfachheit oder Dezentralität einer Technologie an sich schon Autonomie garantiert. Auch geht es ja nicht nur um den Umbau, sondern ebenso um die Stilllegung. Profitable Betriebe sperren nicht aus freien Stücken zu. Aber vielleicht widerlegt mich eine Zukunft, die angesichts der drängenden Probleme freilich auch nicht allzu fern sein sollte.

Sofern Menschen, wie etwa in Venezuela heute, einmal an dem Punkt sind, dass sie Brückenköpfe im Staat errungen haben und substanzielle Mittel in der Hand haben, die gesellschaftliche Transformation weiterzutreiben, dann sollte das Moment des Kampfes meiner Meinung nach in den Hintergrund treten.

Die Betonungen zwischen Konstruktion und Destruktion, zwischen Attraktion und Aggression ändern sich also immer wieder, und wir beide setzen sie unterschiedlich.

Ich danke dir auch, Stefan, für die Debatte.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Fetischismus und Sachzwang

Ein Gespräch zwischen Andreas Exner und Stefan Meretz

Teil 3 (Teil 1, Teil 2)

[Erschienen in: Grundrisse 42/2012]

Stefan: In dem von mir angebrachten Zitat nimmt Marx tatsächlich einen überhistorischen Standpunkt ein, in dem er die genuine Freiheit des Menschen als Kriterium für den geschichtlichen Prozess nimmt. Allerdings muss er da nichts konstruieren, sondern bewertet die ersten beiden Etappen als Verhältnisse, die auf persönlicher bzw. sachlicher Abhängigkeit basieren. Dass Marx die ersten Abhängigkeitsverhältnisse „naturwüchsig“ nennt, finde ich dabei nicht wichtig, den Feudalismus meint er damit ohnehin nicht. Das Wort „persönlich“ darfst du nicht zu eng sehen, heute würden wir vielleicht treffender von „personalen Abhängigkeitsverhältnissen“ sprechen – eine zutreffende Kennzeichnung für die vorkapitalistischen Gesellschaften wie ich finde, ebenso wie die relative individuelle Freiheit bei sachlicher Abhängigkeit im Kapitalismus.

Ich sehe nicht, dass die von dir auswählten Zitate das Gegenteil belegen. Marx zeigt dort nur, dass sachliche Abhängigkeitsverhältnisse personal exekutiert werden müssen. Marx ist da ansonsten ganz klar: „Diese sachlichen Abhängigkeitsverhältnisse im Gegensatz zu den persönlichen erscheinen auch so (das sachliche Abhängigkeitsverhältnis ist nichts als die den scheinbar unabhängigen Individuen selbständig gegenübertretenden gesellschaftlichen Beziehungen, d.h. Ihre ihnen selbst gegenüber verselbständigten wechselseitigen Produktionsbeziehungen), daß die Individuen nun von Abstraktionen beherrscht werden, während sie früher voneinander abhingen.“ (S. 24).

Mit sachlicher Abhängigkeit meint Marx die fetischistische Verkehrung von sozialen und sachlichen Verhältnissen, in denen die Sachzwanglogiken der Verwertung den Menschen als Fremdes in Form von Abstraktionen, wie er sagt, entgegentreten. Aus meiner Sicht ist der Wert tatsächlich und nicht nur scheinbar ein Verhältnis von Dingen, nämlich das Verhältnis der zur Herstellung der Dinge, der Waren, erforderlichen gesellschaftlich durchschnittlichen Arbeitszeit. Das begründet jedoch noch keinen Sachzwang wie du annimmst. Der Zwang kommt erst ins Spiel, wenn die Arbeitenden ihre Arbeitskraft verkaufen und die Kapitalbesitzer_innen diese kaufen und verwerten müssen, um ihre Existenz innerhalb und unter Nutzung der gegebenen Produktionsweise zu sichern.

Dass es sich dabei um ein Herrschaftsverhältnis handelt, liegt auf der Hand, erklärt aber nicht die funktionale Logik. Im Sinne des Kapitalismus spricht nichts dagegen, dass die Arbeitsklasse auch die Verwertungs- und damit Kommandofunktion übernimmt und gewissermaßen über sich selbst herrscht. Das zunehmende Selbstunternehmertum besteht im Kern genau darin. Sachliche Abhängigkeit bedeutet also im umfassenden Sinne, dass wir von sachlichen Verhältnissen abhängig sind und dabei – sofern wir entscheiden, uns in ihnen bewegen – nicht abseits der Imperative handeln können. Wert und Verwertung beruhen wesentlich nicht darauf, dass die Kapitalklasse personal über die Arbeitsklasse herrscht, sondern Kapital und Arbeit sind gesellschaftliche Funktionen, die in einem sachlichen Abhängigkeitsverhältnis zueinander existieren und irgendwie personal realisiert werden müssen, ggf. eben von ein und derselben Person oder Gruppe. Kapitalismus ohne Klassenherrschaft geht nicht, aber die Klassenherrschaft ist nicht als personales, sondern als sachliches Abhängigkeitsverhältnis zu begreifen.

Nun führst du das Adjektiv „direkt“ ein, um den Vorrang der Personalität von Herrschaft zu begründen. Schließlich seien es am Ende immer Menschen, die direkt über andere Menschen herrschen. Das trifft auch zu, nur erfasst es das Wesen der von sachlichen Abhängigkeitsverhältnissen bestimmten Herrschaft nicht, sondern ist im Gegenteil Quelle von personalisierenden Umdeutungen dieser Verhältnisse, von Ausgrenzungen, Rassismen, Sexismen etc. Es liegt dann eben nahe, sich direkt gegen Personen zu wenden, die zu Verantwortlichen gemacht werden – „die Bank(st)er“ –, anstatt zu erkennen, dass sich auch diese in einer strukturell begründeten Herrschaftsmatrix bewegen. Das bedeutet überhaupt nicht, dass man sich nicht auch personal wehren soll, das ist absolut notwendig, doch wird damit eben nur „direkt“ die eigene Existenz innerhalb des Herrschaftsverhältnisses verteidigt, das Herrschaftsverhältnis aber selbst nicht berührt. Die personale Funktionalität sachlich begründeter Herrschaft besteht gerade darin, dass es immer welche gibt, die sich „oben“ auf Kosten derer behaupten, die weiter „unten“ sind. Diese Logik gilt von „ganz oben“ bis „ganz unten“, niemand kann sich hier ausnehmen. Es handelt sich um einen strukturell verankerten Herrschaftszusammenhang, der nicht ursächlich personal auflösbar ist. Aus meiner Sicht ist stattdessen die basale Logik selbst, die „wechselseitigen Produktionsbeziehungen“ wie Marx das nennt, qualitativ zu ändern. Dabei ist die Perspektive – auch ohne Geschichtsdeterminismus – von Marx und Engels benannt worden: Statt Verhältnisse, wo sich die Einen stets nur auf Kosten der Anderen durchsetzen können, sind dies solche, in denen „freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Kommunistisches Manifest).

Individualität und Peer-Produktion

In meinen Worten reformuliert geht es darum, die Produktionsweise, die auf einer Exklusionslogik basiert und diese erzeugt und dessen Bestandteil die Klassenherrschaft ist, durch eine Produktionsweise aufzuheben, die in einer Inklusionslogik gründet. Die Aufhebung der Klassenherrschaft kann nur gelingen, wenn mit ihr die zugrunde liegende sachlich strukturierte Exklusionslogik mit aufgehoben werden kann. Ein Blick alleine auf die gesellschaftliche Kapital- und Arbeitsfunktion und ihre entsprechenden Klassenrepräsentationen finde ich zu eng. Die Logik der Exklusion speist sich aus wesentlich mehr Quellen, die personale Unterschiede zur Herrschaftssicherung von „ganz oben“ bis „ganz unten“ nutzt: Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie usw.

Wie soll die gigantische Aufgabe aber gehen? Hier bringt Marx die „freie Individualität“ ins Spiel. Damit kennzeichnet Marx Verhältnisse, die weder personale, noch sachliche Abhängigkeiten kennen. Die einzige Abhängigkeit, die es dann noch gibt, ist bestimmt durch das Verhältnis von menschlichen Bedürfnissen zu den Möglichkeiten ihrer Befriedigung. Doch freie Menschen können sich zu den Begrenzungen auch frei verhalten, das heißt, mit ihnen so umgehen, dass niemand mehr unter die Räder kommt oder sich auf Kosten anderer durchsetzt. Herrschaftsverhältnisse, gleich ob personal oder sachlich strukturiert, lassen das nicht zu. Eine freie Gesellschaft, in der Menschen ihre Individualität frei entfalten, schließt strukturell aus, dass sich die einen auf Kosten anderer durchsetzen. Eine solche inklusive Struktur legt auch individuell einen völlig anderen Fokus nahe, als wir ihn heute kennen: Nicht mehr, wie ich mich gegen andere behaupte, ist mein Bestreben, sondern wie ich Entfaltung der anderen Menschen als meine Entfaltungsvoraussetzung begreife und umsetze, ist die Frage. Von heute aus gesehen mutet das als bloße moralische Anforderung an, ist es aber nicht. Entwickelt sich eine Gesellschaft strukturell auf Grundlage einer Inklusionslogik, so tun es auch die Menschen – und umgekehrt. Es ist dann das Alltägliche wie heute die Ausgrenzung.

Wie das prinzipiell gehen kann, sehen wir bei bei der commons-basierten Peer-Produktion. Dabei handelt es sich um eine Keimform einer neuen Produktionsweise. Obwohl erst im Embryonalstadium, kann man zahlreiche Entwicklungen studieren, die für eine freie Gesellschaft verallgemeinerbar sind. Ich nenne nur schlaglichtartig einige Punkte: Entkopplung von Geben und Nehmen, Beitragen statt Tauschen, Vermittlung der Bedürfnisse ex-ante statt ex-post wie beim Markt, neue Formen der Inklusion und Offenheit. Nachteile und Probleme seien nicht verschwiegen: Inselcharakter, keine Stoffkreisläufe, Dominanz von Immaterialgütern, Abhängigkeit von der alten Verwertungslogik, Import von traditionellen Exklusionsformen u.a.m.

Während sich ein Bild einer freien Gesellschaft in dem Maße entwickelt wie praktisch neue Erfahrungen mit neuen commons-basierten Logiken gemacht werden, ist die Frage der gesamtgesellschaftlichen Transformation nach wie vor unklar. Hier gibt es mehr Fragen als Antworten: Wie können vorhandene Produktionsmittel genutzt werden ohne die vergegenständlichte Logik zu importieren? Diese Frage stellt sich für Universalmaschinen wie einen Computer sicherlich anders als etwa für Spezialmaschinen wie ein Stahlwerk. Wie kann die Bedürfnisvermittlung ex-ante, also vor einer Produktion erfolgen? Wie wird gesamtgesellschaftlich entschieden, was wann und unter Einsatz welcher Ressourcen hergestellt wird? Wir wissen nur, dass es Markt und Staat nicht sind, die das erledigen. Welche neue Institutionen brauchen wir? Wie wird sichergestellt, dass sich institutionelle Eigenlogiken nicht gegen die Bedürfnisse der Menschen wenden?

Diese Fragen stellen sich nicht nur akademisch, sondern für die einzelnen „Inseln“ höchst praktisch. Sie sind den sachlichen Zwängen unmittelbar ausgesetzt und müssen etwa für eine Finanzierung sorgen, obwohl ihnen klar ist, dass langfristig das Geld abgeschafft gehört.

Eine bloß „gradualistische Transformation“, also ein schrittweises Hinüberwachsen von der einen in die andere Logik wird es nicht geben. Wie aber wird sich der notwendige Bruch zwischen der alten und neuen Produktionsweise vollziehen können? Auch hier sind alte Modelle außer Kurs gesetzt, etwa die Vorstellung, mittels Politik über den Staat revolutionär oder reformatorisch die Transformation hinzubekommen. Andererseits wird auch einiges übernommen werden müssen, etwa große stoffliche Infrastrukturen, allein schon aus Ressourcengründen. Wie ist das jedoch mit einem Bruch vereinbar? Kontinuität und Bruch sind also als dialektisches Verhältnis zu begreifen, doch was heißt das?

Viele Fragen, von denen wir die meisten nicht am grünen Tisch beantworten können.

Solidarische Ökonomien

Andreas: Was an den Aspekten von Transformation, die ich schon heute zu erkennen glaube, so spannend ist, etwa in den Solidarischen Ökonomien Boliviens oder in den städtischen Gemeinschaftsgärten der industrialisierten Länder, um nur zwei Beispiele zu nennen, ist, dass die Veränderung von alltäglichen Praktiken ausgeht. Solche Veränderungen haben lange Geschichten.

In diesen alltäglichen Praktiken verändert sich auch das Denken und der Charakter der Menschen. Das ist sogar empirisch gezeigt worden, etwa am Beispiel strategischer Nischen der sozialen Basisinnovation, wie ich sie nennen würde, nämlich an Kooperativen. Das wurde unter anderem an Beispielen in Österreich untersucht. Menschen in solchen Kooperativen sind prosozialer und gleichheitlicher orientiert als Menschen in kapitalistischen Betrieben. Und zwar nicht, weil diejenigen, die von einer Kooperative aufgenommen werden, ohnehin schon eher prosozial und gleichheitlich orientiert sind, sondern weil die kooperativen, gleichheitlichen Produktionsverhältnisse jene Menschen prägen, die sie eingehen. Man darf solche Ergebnisse freilich nicht verabsolutieren, die Produktionsverhältnisse einer Kooperative oder sonst eines Zusammenhangs haben immer eine spezifische Geschichte und eine Feinstruktur, die wesentlichen Einfluss auf das emanzipatorische Potenzial ausübt. Mondragón-Kooperativen etwa zeigen sich weniger solidarisch mit der Belegschaft kapitalistischer Firmen als diese untereinander.

Dennoch würde ich die Bedeutung der Aneignung von Produktionsmitteln recht hoch veranschlagen. Nicht nur, weil man sie stofflich braucht und weil sie eine materielle Basis des Widerstands bieten gegen das Kapital, das, vermittelt über den Staat, ab einem gewissen Punkt einschreitet, werden seine Expansionsmöglichkeiten bedroht, besonders in der Krise. Sondern auch, weil vergleichsweise kleine Schritte der Transformation wichtige Veränderungen des Gesellschafts-Charakters erzeugen können, die weitere Schritte vorbereiten. Und diese Schritte der Transformation vollziehen sich gerade in Prozessen der Aneignung. Der Weg zu einer Kooperative ist daher meiner Meinung nach ebenso wichtig wie ihre interne Struktur, denn die Dynamik und die Perspektive entscheiden über ihren emanzipatorischen Charakter.

Herrschaftsmatrix

Du meinst, die Klassenherrschaft sei nicht aufzuheben ohne dass die ihr „zugrundeliegende“ sachliche Exklusionslogik mit aufgehoben wird. Da stimme ich dir zu, wenngleich ich nicht sehen kann, dass der Klassenherrschaft eine sachliche Exklusionslogik „zugrundeliegt“, wenn man damit ein historisches Prius oder eine logische Voraussetzung ansprechen wollte. Diese sachliche Exklusionslogik setzt der Staat fortlaufend ganz unsachlich in der sachlichen Form des Privateigentums durch. Er ist die Instanz der direkten Gewalt, die das Kapital benötigt. Die indirekte, sachlich erscheinende Gewalt des Geldes besteht nicht ohne die direkte Gewalt.

Die „sachliche Exklusionslogik“ ist in der Tat eine strukturell begründete Herrschaftsmatrix. Allerdings würde ich, das habe ich schon erwähnt, auch den Feudalismus als eine strukturell begründete Herrschaftsmatrix begreifen. „Direkte Herrschaft“ ist somit nicht eine Umschreibung für den Begriff der „persönlichen“ Herrschaft. Wie gesagt halte ich die Entgegensetzung von „persönlicher“ und „abstrakter“ Herrschaft nicht für überzeugend, denke jedoch, dass eine Unterscheidung von direkter und indirekter Herrschaft sinnvoll sein könnte.

Herrschaft ist nicht souverän im Sinne von selbstbestimmt, das ist wichtig festzuhalten. Ich glaube, das siehst du, wenngleich aus anderen Gründen, ähnlich. Herrschaft ist erstens Ergebnis psychischer Formierungen, die mit den Produktionsverhältnissen in Wechselwirkung stehen, und zweitens der Zuspitzung von Abhängigkeit. Herrschaft ist der wesentliche Grund für die Aufrechterhaltung eines Systems, das ihre Reproduktion ermöglicht, sei es kapitalistisch oder feudal. Das klingt tautologisch, und so ist es auch gemeint. Herrschaft hat keinen anderen Sinn als ihre eigene Reproduktion. Sie ist nicht ein Mittel für etwas anderes, Genuss zum Beispiel. Herrschaft ist lebens- und genussfeindlich. Sie ist in die Produktionsverhältnisse eingeschrieben, reproduziert sich in ihnen und erwächst aus ihnen immer neu.

Viel ist über den anscheinenden Selbstzweck der Kapitalverwertung geschrieben worden. Und in der Tat, an der Oberfläche des Marktes betrachtet macht G–W–G’ keinen Sinn, sie erscheint wie ein automatisches Subjekt, eine metaphyische Wesenheit, etwas ganz Unbegreifliches. Ich denke allerdings, dass die soziale Form des Kapitals eben genau das ist: die strukturell begründete Matrix der Herrschaft. Die Herrschaft selbst hat einen ganz einfachen und klaren Zweck: sich zu reproduzieren. Kapitalisten trachten danach Kapitalisten zu bleiben – ich unterstelle hier, wie gesagt, keinen freien, souveränen Willen. Und sie trachten nach dem Triumph über die Konkurrenz, um ihre Position in der Statushierarchie zu wahren und zu verbessern. Sie unterliegen damit, wohlgemerkt, einem gesellschaftlichen Zwang. Dem zu gehorchen fördert keineswegs Freude und Genuss. „Arbeit“ ist das allerdings auch nicht, sonst würden Kapitalisten Mehrwert produzieren, was sie nicht tun.

Zurück zum Selbstzweck der Reproduktion der Herrschaftsposition. Zur Verwirklichung dieses Zwecks müssen sich die Mitglieder der herrschenden Klasse dem Akkumulationsimperativ fügen, der unabhängig von ihrem kollektiven Willen wirkt. Es stimmt, dass diese Herrschaftsstruktur sich unglaublich fein verästelt, etwa in den Einkommensdifferenzen. Allerdings halte ich die Klassenspaltung für ihre Grundlage.

Ohne Klassenspaltung gibt es auch keine Marktwirtschaft, Markt und Kapital gehören zusammen.

Der Wert ist in der Tat kein Trick der Kapitalisten, da gehen wir konform. Er ist allerdings auch kein einfaches Verhältnis von Dingen, Dinge können kein Verhältnis eingehen. Der Wert erscheint wie ein Verhältnis von Dingen, und dieses Verhältnis scheint paradoxerweise materielle Macht auszuüben. Tatsächlich ist der Wert aber ein gesellschaftliches Verhältnis, eine Beziehung zwischen Menschen, wenngleich in dinglicher Gestalt. Er ist weder ein physikalisches noch ein psychisches Phänomen. Daher der Begriff des Fetischismus, der Wert ist eine eigene Gegenstandskategorie, wenn man so will. Ich spreche hier von der Wertform – du sprachst oben den Wert als Verhältnis der gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit, also seine Substanz und Größe an.

Jedenfalls: Weil ich die Herrschaftsverhältnisse für letztlich bestimmend halte und das Kapital als Herrschaftsverhältnis begreife, erwarte ich mir vom Zusammenbruch kapitalistischer Produktionsverhältnisse alleine noch nichts Gutes. Herrschaft wird sich weiterhin zu reproduzieren trachten – ob nun in der Form des Kapitals, in einer Art postmodernem Feudalismus oder in welcher anderen Form auch immer. Das ist eine große Gefahr, und die sollte man sehen.

Gemeingüterbasierte Produktionsweisen wie die Peer-Produktion im Bereich Freier Software sind nicht allein nicht-kapitalistisch, sie sind auch in gewissem Ausmaß herrschaftsfrei – wenn man ihren Kontext mal vergisst, der da hineinwirkt und auch die Peer-Produktion in bestimmter Weise formt. Das ist meines Erachtens wesentlich. Das gilt aber auch für Kooperativen, mitsamt ihrer zumeist sehr widersprüchlichen Einbindung in den Markt. Ich sehe keine wesentlichen Unterschied zwischen freier Software-Produktion und einer Kooperative, die sagen wir Waschmaschinen herstellt – mit Ausnahme des Umstands, dass die Kooperative die für ihr Produkt unmittelbar notwendigen Produktionsmittel kollektiv angeeignet hat.

Dass Freie Software nicht verkauft wird, die Waschmaschinen jedoch schon, scheint mir dagegen keine wesentliche Differenz zu sein. Denn diese Software wird ja nur deshalb nicht verkauft, weil die Kosten ihrer Produktion, die notwendige freie Zeit, die Computer etc., über die Lohnjobs der Programmierenden gedeckt sind. Das heißt nicht, dass ich den Software-Produzentinnen unterstelle, ihr Motiv wäre der Verkauf. Die machen das vielmehr aus Freude und Verantwortung. Ich möchte damit allerdings sagen: Man kann auf den Verkauf dann verzichten, wenn eine Quersubventionierung möglich ist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Kooperationen einzugehen, die den Markt auflösen. Das freilich ist genau der notwendige qualitative Sprung. Auch Kooperativen, die materielle Güter herstellen, schaffen das nur in sehr wenigen Fällen und in begrenztem Ausmaß. Es scheinen mir insbesondere solche Kooperativen, die aus sozialen Kämpfen heraus entstehen, solche Beziehungen zu entwickeln. Etwa besetzte oder „wiedergewonnene“ Betriebe. Das zeigt meines Erachtens das transformative Potenzial sozialer Kämpfe.

Warum ist der Aspekt einer Bewegung von Kooperativen so wichtig, meiner Meinung nach?

Erstens wachsen in dieser Bewegung die Fähigkeiten und auch die Möglichkeiten der Kooperation. Zweitens entspringt das Wachstum einer Bewegung von Kooperativen, die transformatorische Perspektiven aufmacht, schon dem Bruch mit Marktprinzipien und staatlicher Intervention. Denn diese Bewegung braucht Produktionsmittel, die sie weder als Geschenk erhält, noch in größerem Umfang kaufen kann. Der Markt macht sich drittens ab einem gewissen Punkt ihrer Entwicklung als innerer Widerspruch und äußere Barriere bemerkbar, was die Ausweitung der Kooperation fördern kann, sodass Marktverhältnisse zwischen den Kooperativen, sofern sie noch bestehen, aufgelöst werden. Diese Barriere wird aber nicht zwangsläufig überwunden, einzelne Kooperativen oder eine kooperative Bewegung können sich wieder in die bürgerlich-kapitalistischen Formen integrieren.

Sicherlich zeigt das Selbstunternehmertum nicht das Verschwinden der Klassenspaltung an, nur um das klar zu sagen. Die Klasse ist, so denke ich, keine „personale“ Kategorie. Nur um kein Missverständnis meiner Position aufkommen zu lassen. Es ist ganz gleichgültig, ob die Eltern eines Kapitalisten Kapitalisten waren oder er selbst als Tellerwäscher begonnen hat.

Klassenkampf und die „fiktive Ware“ Arbeitskraft

Für die Transformation ist, wie ich denke, der Klassenkampf wichtig. Da haben wir allerdings mit Sicherheit unterschiedliche Begrifflichkeiten. Das beginnt schon damit, dass ich den Klassenkampf nicht ökonomistisch verstehe – ebenso wenig wie das Kapital. Silvia Federici etwa hat, so glaube ich, gezeigt, dass das Kapital zugleich patriarchal und sexistisch strukturiert ist.

Meines Erachtens gründet der Klassenkampf auf dem Widerstand dessen, was im Kapitalverhältnis eben nicht aufgeht und nicht aufgehen kann und ist damit der Ankerpunkt von Emanzipation überhaupt. Dieser Widerstand ist immer spontan, nicht das Produkt von Manifesten oder Parteien. Klassenkampf ist dieser Widerstand nicht, weil sich zwei soziologisch homogene Blöcke irgendwo gegenüberstehen, schon gar nicht physisch, sondern weil dieser Widerstand systematisch, also strukturell notwendig entlang der Klassenspaltung entsteht, die das Kapital konstituiert.

Der Klassenkampf lässt sich meiner Meinung nach nicht auf einen immanenten Interessenkampf reduzieren. Ein Kampf, besser: ein Antagonismus immanenter Interessen, der also die Identität des Individuums mit der gesellschaftlichen Form voraussetzt, besteht zwischen Käufer und Verkäufer, und zwar, meines Erachtens, lediglich am Markt für Produktionsmittel. Am Markt für kapitalistisch hergestellte Konsumgüter kaufen die Lohnabhängigen lediglich einen Teil ihres Produkts zurück, sie erneuern die Abhängigkeit vom Kapital.

Betrachten wir den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit: Der Punkt ist hier, dass im Grunde der „Arbeitsmarkt“ kein Markt ist, die „Arbeitskraft“ keine Ware und die Arbeit kein Tausch. In Termini der bürgerlichen Ökonomie ausgedrückt sehr wohl. Aber das ist Ideologie, die man dechiffrieren muss. Karl Polanyi nannte die Arbeitskraft daher eine „fiktive Ware“.

Erstens ist das Ziel der arbeitenden Klasse primär nicht, Lohn zu erhalten. Wenn man um den Lohn nichts kaufen kann, ist er kein Ziel des Klassenkampfes. Der Lohn dient einem anderen Zweck, der Aneignung eines Teils des Produkts der arbeitenden Klasse, der zum Leben notwendig ist. Dieser Zweck, die Aneignung von Lebensmitteln, bleibt auch im Kommunismus bestehen, wird dann aber freilich kollektiv und ohne Marktvermittlung realisiert. Sekundär kommt der Lohn zum Zweck eines differenzierten Statuskonsums zum Einsatz und stabilisiert damit die Klassenspaltung. Der Profit des Kapitalisten ist dagegen vorrangig ein Mittel um seine Statusposition zu reproduzieren und erst in zweiter Linie das Einkommen, das sein Leben ermöglicht. Dafür würden ja auch der Lohn oder die Subsistenzproduktion genügen oder der Kommunismus.

Weil der Klassenkampf-von-unten nicht im Kapital aufgeht, kann er sich unter bestimmten Bedingungen auf die Aneignung der Produktionsmittel richten, von Fabriken, Land, etc.

Zweitens hat der Klassenkampf ein „Interesse“ im ökonomischen oder politischen Sinn gar nicht zur Voraussetzung. Ich spreche hier, nota bene, einmal ausschließlich vom Kampf zwischen arbeitender und kapitalistischer Klasse. Das ist allerdings weniger als die halbe Story. Meines Erachtens ist der Kampf zwischen den bäuerlich Produzierenden und dem Kapital sowie dem Kleinbürgertum, der so genannten Mittelschicht, wozu man wohl die unternehmerischen Farmer rechnen muss, wichtiger.

Analytisch ist der Klassenkampf meines Erachtens also nach wie vor eine wichtige Kategorie. Man muss dazu allerdings den Blick von oben, den Blick der herrschenden Klasse, der Partei, der intellektuellen Avantgarde oder des Kapitals mitsamt dem Co-Management der Gewerkschaft, aufgeben. Wie auch immer man dieses Moment nennen will, Demonetarisierung als eine emanzipatorische Perspektive hat es nicht nur mit Nischen sozialer Basisinnovationen zu tun, sondern ebenso mit der Frage der Aneignung von Produktionsmitteln verschiedener Art.

Deine Ausgangsfrage war, wie die Widersprüche in der Übergangsphase beschaffen seien, und wie gewährleistet werden kann, dass sich die „nach vorne“ hin auflösen. Entscheidend ist für mich, dass die Bewegungen der Demonetarisierung-durch-Aneignung sich gegen die Institutionalisierung in Parteien, im Staat, und gegen das Kapital richten. Der Aufbau des Neuen und die Ablehnung dieser Elemente des Alten sind ein- und dasselbe, von zwei Seiten aus betrachtet.

Wie siehst du das Verhältnis demonetarisierter, herrschaftsfreier Produktionsverhältnisse und der Aneignung dafür nötiger Produktionsmittel? Woher kommen deiner Meinung nach die sozialen Kräfte, die eine solche Aneignung vollziehen und stabilisieren – wenn du eine Aneignung überhaupt für notwendig hältst.

(→Teil 4 und Schluss)

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments