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Parecon versus Peer-Produktion Teil 2: „Einkommensgerechtigkeit“ meets „Wertkritik“

Contraste-Logo[Aus der Mai/Juni-2013-Ausgabe der Contraste; Übersetzung: Brigitte Kratzwald.]

Michael Albert, der Begründer des Konzepts „Participatory Economy“, kurz Parecon, und Christian Siefkes, Vertreter der Peer-Produktion, diskutieren online ihre Ideen. Contraste bringt in vier Folgen eine gekürzte deutsche Übersetzung der Diskussion. Der erste Teil erschien in Contraste Nr. 342.

Michael Albert: Die Peer-Produktion zweifelt an Parecon?

Du bist irritiert, Christian, dass sich in Parecon alles um bezahlte Arbeit dreht, und fragst, warum „alle gezwungen werden, für Geld zu arbeiten, um die Dinge zu kaufen, die sie zum Leben brauchen“. Stimmen wir darüber überein, dass es so etwas wie gerechte und ungerechte Verteilung in dem Sinne gibt, dass eine Person zu viel oder zu wenig des Sozialproduktes im Verhältnis zu ihrer Leistung bekommt, und dass in einer gute Ökonomie Arbeit und Freizeit auf alle gleich verteilt werden sollten?

Um Gerechtigkeit herzustellen und Informationen über die Bedürfnisse der Menschen zu bekommen, schlägt Parecon vor, dass die Dauer, Intensität und Beschwerlichkeit ihrer sozial wertvollen Arbeit den Anteil am Sozialprodukt einer Person bestimmen und zwar durch partizipatorische Planung und selbstorganisierte Entscheidungen von Arbeiter- und Konsumentenräten. Du meinst deshalb, ich würde denken, „alle sind ein wenig zu faul und ein wenig zu gierig für eine Gesellschaft ohne Zwang“. Aber ich habe bereits gesagt, dass dem nicht so ist, sondern dass die Menschen einfach nicht wissen können, was verantwortungsvoll und moralisch ist. Du nennst es Zwang, ich nenne es Herstellung von Gerechtigkeit. Parecon sagt den Konsumenten, wieviel Arbeit für das, was sie haben wollen, notwendig ist. Es „zwingt“ nur Menschen, die mehr haben wollen, als ihnen für ihre Anstrengung zusteht.

Du bezeichnest „Einkommen“ als kapitalistisches Konzept. Im Kapitalismus hängt das Einkommen von der Verhandlungsmacht und/oder von Eigentum ab und nur zu einem geringen Teil von der eigenen Leistung. In Parecon bestimmt keiner dieser Faktoren das Einkommen, sondern nur die gesellschaftlich wertvolle Arbeit. Inwiefern ähnelt Parecon da nur annähernd dem „kapitalistischen Konzept von Einkommen“? Und warum soll es kapitalistisch sein, die Dauer und die Belastung durch gesellschaftlich notwendige Arbeit als Maß für das Einkommen zu nehmen? Denkst du, es ist nicht gerecht? Schafft es Klassenspaltung, zerstört es Solidarität, oder verhindert es Selbstverwaltung?

Eines deiner Bedenken war, dass es wenig bringe, wenn Menschen Dinge tun müssen, die sie nicht gut können. Das sollte in Parecon nicht passieren. Denn Einkommen gibt es nur für sozial wertvolle Arbeit. Ich kann nicht Löcher graben und wieder anfüllen und dafür ein Einkommen verlangen, egal wie lange ich das tue und wie schwierig es ist, weil diese Arbeit niemandem nützt. Nach der gleichen Logik kann ich nicht zehn Stunden mit einer Tätigkeit verbringen, für die ein kompetenter Arbeiter nur fünf braucht und dann verlangen, für zehn Stunden bezahlt zu werden, weil nur fünf Stunden als sozial wertvoll gelten würden. Es gibt also ausreichend Anreize, keine Dinge zu tun, für die ich nicht gut ausgebildet bin.

Wenn Vollbeschäftigung gesichert ist, und das tut Parecon, und wenn die Einkommen gerecht sind, und auch das garantiert Parecon, dann soll ein Unternehmen, dass Dinge nicht zu Preisen herstellen kann, die die Menschen akzeptabel finden, aufhören zu produzieren. Wir sollten nicht wertvolle Ressourcen verschwenden für unerhebliche Ergebnisse. Ich denke, diesbezüglich stimmen wir überein.

Als nächstes wendest du dich den „ausgewogenen Arbeitspaketen“ zu und fragst, warum die Arbeitsteilung innerhalb des Unternehmens zu Einkommensungleichheit führt. Das habe ich vielleicht zu wenig ausgeführt. Wenn wir die übliche Arbeitsteilung eines Unternehmens beibehalten, dann tun 20% all die ermächtigende Arbeit und 80% all die eintönige und ermüdende. Dann fühlen sich die 20% zunehmend klüger und wichtiger. Sie bestimmen, was zu tun ist, weil die Umstände ihnen das Wissen, die Werkzeuge, die Beziehungen und die Positionen dazu geben, während diese den anderen vorenthalten werden. Die 80% werden es zunehmend müde, an Treffen teilzunehmen, nur um zuzuschauen, wie andere über ihr Leben bestimmen. Sie sind erschöpft. Sie hören auf, die Meetings zu besuchen. Schließlich beschließen die 20%, die nun fast unter sich sind, ihr Einkommen zu erhöhen. Das ist keine bloße Annahme, sondern geschieht immer wieder. Nicht aus bösem Willen, sondern als natürliche Folge der unternehmensinternen Arbeitsteilung auf das Verhalten und Denken der Menschen. Deshalb sind wir für ausgewogene Arbeitspakete.

Du fragst, warum Menschen zu Tätigkeiten gezwungen werden sollen, die sie nicht tun wollen, auch wenn andere sie gerne tun würden. Wenn eine Wirtschaft so organisiert ist, dass jeder Job ein angemessenes Maß an Empowerment bietet, warum sollten wir Menschen zwingen müssen, Arbeiten zu tun, die sie nicht wollen? Denkst du, es gibt so viele Arbeiten, die Menschen nicht gern tun, dass jedes Arbeitspaket voll mit solchen Aufgaben ist – dass du keines finden kannst, das dir gefällt? Und denkst du, dass es notwendig sein wird, Menschen zur Arbeit zu zwingen, wenn diese unbeliebten Arbeiten, wie viele es auch sein mögen, fair verteilt sind, die Bezahlung dafür fair ist und sie Einfluss auf die Entscheidungen haben?

Wenn du das denkst, wie kannst du dann gleichzeitig denken, dass diese Arbeiten, die niemand tun will, erledigt werden würden, wenn jeder tun könnte, was er will, niemand tun müsste, was er nicht will, es keine Anforderungen und nur wenig Information gäbe? Denkst du, dass die Menschen so unterschiedlich sind, dass vier von fünf – wenn alle die gleiche Ausbildung haben, das gleiche Selbstvertrauen – freudig all die langweiligen und entmächtigenden Arbeiten tun würden, während nur einer davon die ermächtigenden tun möchte und alle gleichermaßen zufrieden damit sind und mit gleicher Macht ausgestattet?

Christian Siefkes: Warum ich immer noch Zweifel habe

Wie der Kapitalismus basiert Parecon auf Lohnarbeit, offensichtlich aufgrund der Annahme, dass die Menschen sonst nicht genug arbeiten würden. Michael, du scheinst Geld als bloße Information zu betrachten und dabei von einem sehr reduzierten Modell sozialer Interaktion auszugehen, wo keinerlei andere Informationen zur Verfügung stehen. Es müsste eine sehr traurige Gesellschaft sein, wenn Geld das einzige ist, das Menschen „verantwortungsvoll und moralisch“ handeln lässt. Das ist nicht die Gesellschaft, die ich mir wünsche.

Du fragst, ob wir übereinstimmen, dass es gerecht ist, wenn eine Person nur entsprechend ihrer Leistung am Sozialprodukt teilhaben kann und dass eine gute Wirtschaft ein faires Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit für alle ermöglichen soll. Nein, da stimmen wir nicht überein. Offensichtlich siehst du die Beiträge, die jemand leistet, als grundsätzlich negativ, als eine Art Opfer, das den anderen nützt, einem selber aber schadet. Daher müssen alle für ihre Beiträge belohnt, und wenn sie nicht genug beitragen, bestraft werden.

Beitragen als Opfer zu sehen mag heute angemessen sein, aber eine Gesellschaft, die den Kapitalismus überwinden will, sollte es besser machen. Dein „Gleichgewicht“ erinnert mich an das moderne Konzept der „work-life-balance“, wo Arbeit als grundsätzlich vom Leben getrennt wahrgenommen wird. Wenn du dein Leben versäumst, während du arbeitest, ist es klar, dass du dafür entschädigt werden musst!

Aber muss es so sein? Können wir nicht unsere Arbeit, unsere Beiträge, zu einem Teil des Lebens machen, so dass sie aus sich selbst befriedigend sind und keine zusätzliche Belohnung brauchen? Ich glaube wir können und sollten das tun.

In deinem ganzen Text verwehrst du dich dagegen, dass ich das Wort „Zwang“ benutze, weil du Geld als bloße Information verstehst. Das trifft aber nicht zu. Informationen ermöglichen Menschen Entscheidungen, aber Geldmangel (und die daraus folgende Notwendigkeit, es zu verdienen) zwingt sie dazu. Und das Geld zwingt die Menschen nicht nur, es setzt sie auch in Konfliktbeziehungen zueinander. Etwa Verkäufer und Käufer – je mehr Geld der Verkäufer bekommt, umso weniger bleibt dem Käufer, um andere Dinge zu kaufen; oder die Verkäufer ähnlicher Güter: wenn ein Käufer sich für einen Verkäufer entscheidet, verdienen die anderen kein Geld. Diese antagonistischen Beziehungen werden den Menschen durch Geld aufgezwungen, nicht nur im Kapitalismus, sondern wohl auch in Parecon.

Du scheinst die selbe Auffassung von Wert zu haben, die dem Kapitalismus zugrunde liegt: Der Wert eines Gutes entspricht dem durchschnittlichen Arbeitsaufwand für seine Produktion, wobei gut geschulte Arbeitskräfte und die bestmögliche Technik vorausgesetzt werden. Offensichtlich willst du nicht nur, dass Arbeiter zueinander in Konkurrenz stehen, so dass die weniger geschickten auf der Strecke bleiben, sondern auch dass Unternehmen miteinander konkurrieren, da du meinst, Unternehmen, die nicht zu akzeptablen Kosten produzieren können, sollten schließen. Auch in Parecon gewinnt der Anbieter mit dem günstigsten Preis.

In diesem Szenario wird auch das Versprechen der „Vollbeschäftigung“ zweifelhaft. Was geschieht mit Firmen, die nicht wettbewerbsfähig sind? Theoretisch müssen die dort arbeitenden Menschen „nur“ eine andere Arbeit finden (wobei sie anderswo den Wettbewerb verschärfen). In der Praxis ist das alles andere als einfach. Dass jeder irgendwo einen Job finden könnte, klingt genau so unglaubwürdig wie im Kapitalismus.

Je genauer man Parecon anschaut, desto mehr ähnelt es dem Kapitalismus. Zwar finden die Verhandlungen zwischen potenziellen Zahlern und potenziellen Produzenten schon vor der Produktion statt. Doch das dürfte kaum ein signifikanter Unterschied sein und Märkte, auf denen im Voraus verhandelt wird, gibt es auch im Kapitalismus.

Du sagst, alle „sozial wertvolle Arbeit“ soll belohnt werden. Die Bezahlung folgt der Effizienzlogik: wie jeder guter Manager willst du nicht Person A für zehn Stunden bezahlen, wenn Person B die gleiche Arbeit in fünf Stunden machen kann. Für andere Aktivitäten würde diese Argumentation allerdings kaum jemand akzeptieren. „Du hast drei Wochen gebraucht, um den Roman zu lesen, während jemand anderes das in einer Woche geschafft hätte!“ – „Warum hast du mit X anstatt mit Y geschlafen? Du hättest nur halb so lang zum Orgasmus gebraucht!“ Wenn jemand etwas gerne tut, gibt es keinen Grund die Zeit, die er damit verbringt zu minimieren. Aber du scheinst nicht zu begreifen, dass „gesellschaftlich wertvolle Arbeit“ etwas anderes sein kann als ein Opfer.

Nicht einmal der Kapitalismus könnte existieren, wenn alle „gesellschaftlich wertvolle Arbeit“ der Effizienzlogik unterworfen würde. Viele nützliche Arbeiten sind mit dieser Logik unvereinbar. Menschen, die die geringstmögliche Zeit mit ihren Kindern verbringen, sind wohl kaum die besten Eltern. Kranken und alten Menschen geht es nicht besser, wenn Pfleger und Ärzte sich so kurz wie möglich mit ihnen beschäftigen.

Solche „Care“-Tätigkeiten sind die unsichtbare Kehrseite des Kapitalismus. Er braucht sie, doch sie sind meist unbezahlt und ein Großteil wird von Frauen erledigt. Werden sie in die Marktsphäre hineingeholt, ist das für die Betreuten oft von Nachteil. In diesem Bereich ist die kapitalistische Logik, „den Job möglichst schnell erledigen“, noch absurder als anderswo.

Was bedeutet es, wenn Parecon alle „gesellschaftlich nützliche Arbeit“ nach der Effizienzlogik organisieren will? Entweder gelten viele Pflegetätigkeiten nicht als „gesellschaftlich nützliche Arbeit“ und bleiben außerhalb des Bereiches, der durch partizipatorische Planung neu organisiert werden soll. Sie blieben weiterhin unbezahlt und würden wahrscheinlich großteils an Frauen hängen bleiben. Die geschlechtliche Arbeitsteilung des Kapitalismus würde ihn so überdauern. Oder Parecon fasst tatsächlich alle Pflegearbeit unter die Effizienzlogik. Das Ergebnis wäre wenig erfreulich.

Zuletzt zur Frage, wie die soziale Produktion so organisiert werden kann, dass jedes Unternehmen etwas produziert, das für jemanden nützlich ist und alle Bedürfnisse erfüllt werden können. Der Markt erreicht das, allerdings nur für zahlungsfähige Teilnehmer. Mir war unklar, wie Parecon das erreichen will. Nun scheint es, dass auch die Planungsprozesse in Parecon auf Wettbewerb aufbauen und daher möglicherweise Ähnliches erreichen können. Allerdings zum gleichen Preis: sie zwingen in Konkurrenz zueinander und schließen die aus, die nicht zahlen können. Das beantwortet meine Frage, aber nicht auf eine Weise, die mir gefällt.

Die Diskussion in voller Länge auf Englisch ist hier nachzulesen: www.zcommunications.org/znet/zdebatealbsiefkes.htm

[Teil 3]

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Demonetization – replacing transactions with social relations

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[On the Economics and the Commons Conference I gave a short input on the topic of demonetization. The following text was written afterwards and generously edited by David Bollier.]

The question of how we deal with and act within the given monetary environment is crucial for the commons movement, since the monetary logic and the commons logic are opposites. Contrary to the claims of mainstream economics, money is not neutral or simply an informational means for mediating transactions. Thus, replacing currencies with alternative currencies of different designs basically does not change the underlying monetary logic. It amounts to changing the tools while keeping the workshop.

The core element of the monetary logic is equivalent exchange and a codified set of social power relationships. It demands that »you get something only if you give something back.« This underlying logic creates relationships of guilt and subordination, as anthropologist David Graeber has convincingly shown in his history of credit over the course of human history.

The demonetization approach aims at reducing the necessity of using money both within our own commons relations and with respect to the outside »normal« market logic. It aims at strengthening social relationships instead of improving transactions, as Silke Helfrich has put it. While transactions always enforce direct reciprocities that link giving with taking, commons is about commoning – a more open, flexible system for freely determining the rules of interaction and distribution of the wealth we produce.

It is a fallacy to assume that designing an alternative currency is a form of commoning (or commoneering) because it only changes the tools, not the workshop. The social operations inscribed in the tools remain the same: performing transactions. Thus alienation is inherent in both conventional currencies as well as in alternative or complementary ones. If we want to gain self-determination we have to break with money, and if we want to break with money we have to break with direct, reciprocal exchange.

On the operational level demonetization requires that projects be carefully designed. As a general guideline projects should strive to decouple the inner social process of commoning from the the logic of transactions with “outsiders.” This means, for instance, that commoners should not resort to selling commons products on the market in order to finance a project, because it invariably means that the project must adopt market requirements to successfully sell its products. Products become commodities, and commodities must subordinate themselves to market rules and demands. Adapting to market rules gradually corrupts our own needs-driven activities. It may be a subtle process, but the more we are »successful« in the market, the more we have to postpone our own needs and wishes. An alien logic creeps into our daily activities within the commons.

Through the careful design of our projects, however, we could separate the inner (commons) logic from the outer (market) logic as much as possible. Then the “output” of our commoning can be distributed in strict conformity with our own needs-based agreements. Developing and adhering to our own rules based on our own definitions of fairness might undermine transactional rules of equivalence (“you can take only an equivalent amount to what you give”). But this “imbalance” does not matter because equivalence need only be guaranteed at the level of the whole project, not at the individual level within each single »transaction« (which is no longer a transaction then). In other words, indirect reciprocity is sufficient for assuring fairness and stability of provisioning.

How can this be organized? Assuming that a project requires some amount of monetary flow to keep it running, those revenues should not be allowed to affect the results of the projects. Such sources could be foundations, donations, crowdfunding, bidding or the like. Results could then be distributed within the commons or outside of them. A role model for this type of “decoupling the inner from the outer” market logic is Wikipedia.

Another model is a symbiotic cooperation between commons and private firms. The firm, for instance, could pay activists and innovators to do what it wants because the outcome can be directly or indirectly used by the firm to make profits. This type of financing the commons has been used to finance the development of the Linux kernel, where most of the kernel hackers are paid in a way one might call a »unconditional guaranteed income«. Obviously, this scenario may entail explicit or implicit expectations for commoners to follow the interests of the money-giver in one way or another. However, there are no black-and-white rules for determining this; most real world examples have shades of grey. It is therefore even more important for such projects to have clear criteria and social norms to prevent monetary logic from creeping into projects and influencing or corrupting our commoning activities.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Not a Free Supermarket

ZNet Debates logo[This is my final reply in the debate regarding parecon and peercommony between Michael Albert and me. I wrote it in response to Michael Albert's Replying to Siefkes Reconsideration. All articles, including Michael's concluding statement, Lost Opportunity, can be found on the debate overview page.]

Balance and Influence

Michael, you argue that “job complexes” must be carefully “balanced” per exact rules, since otherwise people will have different degrees of influence over the decisions made at their workplace:

But suppose the workplace has a corporate division of labor. I claim that in this case too, we who work there will not all have a fair share of influence.

That may or may not be true, but so what? If I work (or volunteer – the same thing) in a hospital, I might not have much influence over the bedclothes used, unless I’m actively involved with obtaining and maintaining them. Probably I’ll trust the people active in that area to make the right decisions. If not, I could get involved, arguing what should be done and why. I would need plausible arguments, and ideally some kind of track record in regard to that area if I want to be taken seriously, but then I can certainly do it. (And why should I start discussions about something I know nothing about?)

If I feel my input is not taken seriously or my contributions aren’t appreciated, I can leave the hospital, or threaten to leave it. That wouldn’t harm me, since I don’t have to work, but I’d affect the hospital, especially if other volunteers decide to do the same. A project that alienates too many of its volunteers will stagnate and die off because of a lack of participants. Peer production is self-regulating in regard to influence sharing.

No doubt, this leads to all kinds of interesting problems. What happens to the resources of a dying project (hospital ground, building, equipment)? At some time the community where the project is situated will have to get involved, claiming the resources back and handing them over to others willing to do better. And how do we ensure that people actually get a chance to learn and acquire experiences in their areas of interest, rather then being constrained e.g. by gender bias (“men are good at X, women at Y”) or lack of learning facilities? These are important challenges that a peercommony will have to address in a satisfying way in order to allow everybody to live as they prefer and reach their full potential. But the bureaucratic prescriptions of parecon, while well-intended, fail to even recognize the actual problems.

A World Without Money as a Supermarket Where All Prices Are Zero?

This remark might bring us to the heart of the matter:

In peercommony you claim we would all take an appropriate amount from the commons. [But] how do people know what is appropriate? […] If your answer is, as so far, that you think the only thing that is just is that we each take what we want – with no stipulations about how much that can be – please tell me why everyone won’t take everything they can enjoy and benefit from, regardless of how much that is.

If you say we won’t take so much because we are responsible and we care about others […] please tell me what peercommony thinks caring about others means, and how peercommony delivers information that enables us to do it.

You seem to imagine a world without money as a big supermarket where all the prices are zero. If I were to encounter such a supermarket, wouldn’t I grab as many of the cost-free goods piled up in the shelves as I can and bring them into my possession, almost regardless of whether I actually have much use for them? I probably would, if only out of fear that this wonderland scenario cannot last. There must have been some mistake, tomorrow prices will certainly return to their normal, above-zero levels, so lets make most of this mistake before it is too late!

If, however, I could trust that this is not an exceptional, temporary situation, but that all the free goods are here to stay and will be replenished in sufficient quantity before any of them can run out, then my behavior would probably be different. Why should I bother grabbing goods I don’t need, or not yet? I could be confident that they’ll still be there when I need them (if I ever do). I could simply treat the free supermarket as a big storage room, taking out of it what I need when I need it, rather than having to bother with needlessly storing stuff at home.

Still, such a “magic supermarket” scenario sounds highly implausible. I could indulge in every luxury I want, and so could everybody else. There is nothing wrong with luxury, but would the Earth’s resources be up to it? The scenario becomes even more doubtful if we move beyond supermarket goods to include the “big stuff.” Would there be a big villa for everyone, with the mountains right behind, the sea in front, and an attractive city center on the side? What if everyone takes a big car? The streets would be permanently jammed, and the climate would suffer even more than it does today! And who would produce all those magical free goods in the first place?

If you imagine peercommony like a big free supermarket I understand why you consider it unrealistic. But the supermarket scenario is misleading. The crucial point is that it is focused on things, on commodities (though in the form of strangely contradictory “free commodities”), rather than on people and their needs.

Thinking in terms of needs, we get a better picture. I need a home that is warm enough in the winter and not too hot in the summer; food when I’m hungry; new clothes and shoes when the old ones are no longer good or inappropriate for some occasion. I need mobility to move between the places where I live and work, to stay in contact with relatives and friends, to explore new things and places. I need communication for the same reasons and in order to learn what’s going on in the world. I need health care when I’m ill and to prevent me from becoming ill. I need entertainment and cultural activities. I need friends, and love, and social connectedness. And so on.

In a peercommony, things are produced not to fill shelf space in a supermarket (whether free or not) but because there is demand for them. Production is demand-driven, and we may picture society as a common mesh network for production on demand. A mesh because there is no central institution that coordinates or regulates everything, but peer projects that coordinate among themselves.

Common because the projects handling production are commons – everybody may join if they live sufficiently nearby, have the required skills, and are willing to accept the rules the project members have given themselves. (Once you have joined a project, you as well as all the other project members have a say in how the rules evolve, since projects usually decide by rough consensus.) And because the resources they use – natural resources and knowledge – are commons, not exclusively owned and controlled by any single person or institution.

Production is on demand because no reasonable project will produce anything if they cannot expect that it will be wanted and used by somebody. In capitalism, every company tries to push as many of its products into the market as it can sell at a reasonable price. Even if that means that its competitors, who try to do the same, cannot sell their products and go bankrupt. In the market, production is necessarily uncoordinated and antagonistic.

In peercommony, there is no guarantee that producers will coordinate among themselves, but it’s the reasonable thing to do. No project can gain by increasing their “market share” at the cost of others, since there is no market and they don’t sell anything. Producing more than actually needed would simply be wasted effort, and who would reasonably do that?

So I cannot simply “take” what I want, since everything already has an intended user when it is produced. Elsewhere [German] I have proposed a “subscription” model for food production in a peercommony. “Garden farms” are projects that produce food, and each person or household registers with a garden farm in their neighborhood to get food for themselves. You don’t have to pay, and you can get more (e.g. for visitors or celebrations) or less (e.g. while traveling elsewhere) when needed. But the food-producing projects will know the general need in their surroundings. They will produce and share accordingly. Nobody will stay hungry while others feast and throw food away. Maybe occasionally the food situation will be tight for everybody. But more likely there will simply be enough for everybody, especially if we consider that garden farms can share food on larger scales (up to the global level), balancing local deficits with surplus produce from elsewhere. (Next time it may be the other way around.)

Similar approaches are possible for other kinds of goods. Building projects will jointly build and maintain living spaces for everybody in the neighborhood. They will not simply build a singularly huge villa for me just because I ask them to. (Unless, maybe, if I give them a good reason that convinces them that my request makes sense. Maybe if the villa is intended not just for me but as some kind of community hub, and I agree to live in it, maintain it, and keep it open.)

So how do people know, whether, where and how much to engage? “How do I know how much work I should be doing to be caring appropriately about others who benefit from my product?” you ask.

I don’t think “how much” is the most important question. First I’ll have to decide whether and where to engage. That depends on needs. My own actual needs, my anticipated needs, and the actual and anticipated needs of people I know and care about. Maybe even of people I don’t know.

Maybe everything around me runs flawlessly, all the needs I have and can think of are taken care of. Then there is no special reason to engage anywhere at all. That’s fine. If there is no problem, we don’t need a solution. But maybe I nevertheless want to do something. People have not just consumptive, but also productive needs. I can then find out what my productive needs are – what I would like to do – and how to realize them best. Maybe there are some people somewhere – people I might not even know – that have needs that my productive needs can help satisfy? Or maybe there are people already active in my desired field of activity that wouldn’t mind doing something else for a change, or just reducing their amount of work or going idle for some time? Then I can relieve them.

But more likely, at least at first, not everything will run flawlessly. Maybe the vegetables from the garden farm are often stale, or nobody produces marmalade. Maybe the next health facility is too far away, or there aren’t enough mobile caregivers that look after old and ill people. Maybe parents have trouble finding someone who looks after their young children while they are away. Maybe the electric power supply tends to break down in the evenings since there aren’t enough wind turbines installed (nor enough storage that could preserve the solar energy collected during the day). Maybe the software we use for communication among friends and coworkers is buggy and lacks features we would like to have.

Maybe I feel that problem myself, or maybe I notice it because others complain about it. In either case, every such deficit is a hint for me and others who note it where and how to engage. I might not follow the hint, but maybe somebody else will. The more people get a hint – are directly or indirectly affected by a problem –, and the more seriously they take it, the more likely it becomes that somebody will get active on redressing the issue.

Also, if people get several hints they consider equally relevant, they will tend to get active in the area where they consider themselves most fit to make a useful contribution. I might fix the software, since that’s what I’m good at. Another person, who wouldn’t touch program code with a ten-foot pole, might nurse ill people. Somebody else might help building and installing wind turbines. But in case of an urgent crisis, say food shortage, all of us might focus on getting the local garden farms back on track, before returning to our normally preferred areas of engagement. That’s how peer production works.

Ye Olde Hierarchy

But would people in such a distributed productive mesh really produce for others? Isn’t there the risk that each small productive group would only produce for themselves, not caring for others and their needs? I don’t think that’s likely to happen, because peer producers need others. Projects need volunteers that join forces and help, otherwise they’ll shrink and die over time, as the original founders lose interest or time and retire. But many of the volunteers come out of the circle of users of a project, so if you don’t welcome new users, your project won’t prosper.

Also, even when peer producers don’t expect direct reciprocity – you don’t have to pay to play – they know that they’ll get some of form of indirect reciprocity. While they produce and care for others in one area of life, others produce and care for them in other areas. If, however, your project refuses to play nice and share with others, you may well experience a reduced willingness of others to share with you.

Even if people engage for others, as others engage for them, might not their engagement be very uneven? “How do I know how much work I should be doing,” you ask. I don’t think that, in the general case, there is too much need to worry about that. You will simple do what you choose until you conclude it is enough, or get bored, or need time for other activities. Some will do more, others less, but as long as everyone is happy with that, there is no problem.

The risks are in the extremes. Either that, as you probably worry, there could be a “race to the bottom” regarding the amount of work done. If everyone carefully monitors their neighbors and coworkers, trying not to work more than they, then all useful activity would quickly come to a halt, and society would collapse. Less extremely, if everyone shuns work, there would be social stagnation and people would suffer.

True enough, but why would people behave like that? People don’t behave like that when they go for walks, do sports, watch movies, or play games. Nor even do they behave like that when they have babies and raise children (otherwise humanity would have died out) – though that involves, without a doubt, a lot of work. If nobody worked unless paid or forced to, then digital commons such as free software and Wikipedia wouldn’t exist and neither would community spaces, many works of art, and much social/political activism. Maybe if there is other work that is much worse than all these activities, then it really won’t be done. But then we should worry how to modify such work so that people have less reasons to shun it, or how to get it out of our lives (maybe by delegating it to machines), rather than worrying about how to make people do it.

The other extreme is, for me, a more serious concern. Won’t some people work very hard, trying single-handedly to fix something that doesn’t work or to fill a gap? If this occurs, it might not necessarily be a problem, but it can be, if they are unhappy with their situation or risk burn-out. I don’t think there can be general rules to avoid such situations, except a general spirit of taking care of the people around you, offering help when they are unhappy and relieving them when necessary.

Finally, you worry that a new society will “simply reproduce old hierarchies” if it doesn’t take active care to overcome them. Some hierarchies would just disappear. There won’t be rich and poor people any more if nobody needs money. But other hierarchies and distinctions could still persist and will not necessarily disappear overnight. Does everybody have the knowledge and self-confidence necessary to do what they really like to do? Does society allow everyone to freely explore their preferences, to find out what they like to do and how? Or are there still social prejudices and restrictions to the effect that (for example) men will predominantly engage in some activities and women in others or that children will tend to follow in the footsteps of their parents?

For a peercommony to reach its full potential, it’s indeed important to overcome such prejudices and restrictions, to allow everyone to learn about fields that interest them and explore any areas of activity they like. Stigmergy is based on self-selection of people finding the tasks they like do to, and if (for example) women get discouraged when trying to discover whether they like programming and technical tasks, or men get discouraged when trying to discover whether they like caring for small children or ill people, that’s a loss for everybody.

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

»Money Doesn’t Exist in the 24th Century«

Yeah, nice often-quoted scene from Star Trek.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Freie Quellen oder wie die Produktion zur Nebensache wurde (Teil 1)

Titelbild „Etwas fehlt“[Mein Beitrag zum neuen Sammelband „Etwas fehlt“ – Utopie, Kritik und Glücksversprechen der jour fixe initiative berlin (Hg.), erschienen bei edition assemblage (Münster 2013); Lizenz: CC-BY-SA. Der komplette Artikel ist auch als PDF und EPUB verfügbar.]

Küchenfabrikation

Produziert wird in der Küche oder im Badezimmer. In den meisten Haushalten stehen produktive Automaten. Beliebt ist die 3D-Druckerfräse, die einen 3D-Drucker mit einer computergesteuerten Fräsmaschine kombiniert. 3D-Drucker stellen dreidimensionale Gegenstände her, indem sie viele Schichten Bioplastik, Metall oder Keramik übereinander drucken, bis das gewünschte Objekt fertig ist. Typische Haushalts-3D-Drucker können so innerhalb einiger Stunden Gegenstände bis zu einer Größe von 50 mal 40 mal 30 Zentimetern herstellen. Das ist eine ganze Menge; ein Großteil der im Haushalt benötigten langlebigen Dinge lässt sich so fertigen, ob Geschirr, Besteck, Spiele und Spielzeug, oder Werkzeuge. Auch elektrische und elektronische Geräte und Lampen lassen sich produzieren, bis auf die Elektronik und die Leuchten selbst. Ebenso Ersatzteile, wenn etwas kaputtgeht oder nicht passt.

Möbel und andere große Dinge, die sich nicht auf einmal ausdrucken lassen, werden in Teilen hergestellt, die man dann nur noch zusammenschrauben oder zusammenstecken muss. Häufig werden auch vorgefertigte Metall- oder Holzplatten und -stäbe integriert, um Produktionszeit zu sparen und rasch große, solide Gegenstände zusammenzubauen. Die vorgefertigten Teile werden per computergesteuerter (kurz: CNC) Fräse zurechtgeschnitten. Fräsen können auch die Oberfläche des Materials gestalten, Bohrlöcher und andere Aussparungen schneiden und Aufschriften oder Bilder eingravieren.

3D-Drucker brauchen weniger Energie als fast alle früher üblichen Herstellungsverfahren, da sie das benötigte Material nur kurz erhitzen müssen, um es zu verflüssigen. (Dazu kommt die Vorverarbeitung, wo das Bioplastik in die Form eines langen Drahts gepresst und aufgerollt wird, was aber auch nicht viel Energie erfordert.) Sie gehen sehr sparsam mit dem Material um – alles landet im Endprodukt, nichts wird verschwendet oder für Formen gebraucht. Fräsen sind etwas verschwenderischer, da sie einen Teil des Materials entfernen, der aber häufig wiederverwendet werden kann. Da der grundlegende Aufbau von 3D-Druckern und Fräsmaschinen ähnlich ist, werden beide gern in einem Gerät vereint, um Platz zu sparen.

Wer etwas herstellen will, ob für den Eigenbedarf oder als Geschenk, sucht im Netz nach passenden Vorlagen. Oft wird dafür das Programm „thing-get“ genutzt, das fast alle Vorlagen kennt und die flexible Suche nach Stichwörtern und nach Kriterien für Material, Größe, Beliebtheit und so weiter erlaubt. Alle Vorlagen sind quellfrei, das heißt jedir1 kann sie nicht nur verwenden, sondern auch den eigenen Vorstellungen gemäß anpassen und an andere weitergeben. Die meisten Vorlagen sind parametrisierbar, man kann also bestimmte Parameter einstellen, um Größe, Material, Farbe und andere Eigenschaften des gewünschten Objekts zu verändern. So lässt sich aus der gigantischen Menge im Intermesh verfügbarer Vorlagen ein den eigenen Bedürfnissen entsprechender Gegenstand machen.

Hat man Sonderwünsche, für die es noch nichts Passendes gibt, ist es meistens möglich, eine als Ausgangspunkt geeignete Vorlage zu finden und weiterzuentwickeln. Im nächsten Dezentrum oder per Intermesh findet man oft auch Menschen, die einim bei der Entwicklung helfen, weil sie selbst so etwas haben möchten, weil sie die Herausforderung reizt oder sie sich nützlich machen wollen. Die meisten Vorlagen sind, wie Software und andere Werke auch, kollektive Kreationen. Sobald eine neue oder verbesserte Vorlage fertig ist, veröffentlicht man sie, damit auch andere etwas davon haben.

Seltsamerweise galt der Haushalt früher scheinbar als unproduktiver Bereich, wo nur das familiäre Leben und sogenannte reproduktive Arbeiten wie Kochen, Putzen, Kinder betreuen, Alte pflegen stattfanden. Letztere wurden oft den Frauen aufgedrückt, während sich die Männer auf dem Sofa lümmelten oder in die Fabrik oder ins Büro flüchteten. Heute würden sich die Frauen so etwas nicht mehr gefallen lassen.

Das Putzen wird mittlerweile von Haushaltsrobotern erledigt, die langsam durch alle Zimmer krabbeln und klettern, um alle Oberflächen von Staub, Schmutz und Keimen zu befreien. Zum Essen sind vorgekochte Mahlzeiten beliebt, die man oft noch nach eigenen Vorlieben würzt und mit Soßen und anderen Kleinigkeiten anreichert, ansonsten aber nur noch warm machen muss. Um die Kinder und die Alten kümmern sich alle, aber das findet nicht speziell im einzelnen Haushalt statt. Und schon gar nicht in abgetrennten Institutionen, wie es sie früher gegeben haben soll („Kindergärten“, „Schulen“ oder „Altersheime“ genannt). Dort kamen die Kinder stundenlang und die Alten sogar jahrelang fast nur mit ihresgleichen und professionellen Betreuirn zusammen; vom Rest des Lebens waren sie abgeschnitten.

In jedem größeren Haus oder Wohnzusammenhang leben alte Menschen und die anderen Bewohnirn kümmern sich um sie, soweit dies nötig ist. Das ist Gemeinschaftssache, nicht Aufgabe Einzelner, schließlich will jedir weiter teilhaben können, wenn sei irgendwann Pflege braucht, und nicht aus seisen Zusammenhängen herausgerissen werden. Kinder werden nicht nur von ihren Eltern, sondern auch von älteren Kindern und Erwachsenen in der Nachbarschaft betreut. Diese nehmen sie in ihre Projekte mit, wo sie vor Ort lernen können, was die Älteren machen, und sich Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen. Oft nehmen Mentorein die Neuen an die Hand, egal ob es Erwachsene sind oder Kinder, die nur mal reinschnuppern wollen.

Daneben gibt es Lernknoten, wo sich Leute gezielt zum Lernen und zum Fähigkeitserwerb zusammenfinden. Die unterscheiden sich aber deutlich von den Schulen von einst, wo es nicht darum ging, dass sich Leute gleich welchen Alters mit dem auseinandersetzen, was sie interessiert, sondern wo Kinder zur Beschäftigung mit Themen, auf die sie keinen Einfluss hatten, gezwungen wurden. Dass die Motivation und damit die Freiwilligkeit einer der wichtigsten Faktoren für den Lernerfolg ist, war den Menschen damals wohl nicht klar. Sie scheinen gedacht zu haben, dass Kinder nicht schreiben und nicht rechnen lernen würden, wenn man sie nicht dazu zwingt. Dabei lernten sie doch immer schon und ohne Zwang sprechen, was sicher nicht einfacher ist!

Gartenfarmen und Knotenorte

Essen baut man nicht zuhause an, das wächst in Gartenfarmen. Früher haben die Menschen unterschieden zwischen Gärten und Parks, die in erster Linie der Erholung dienten und Farmen, auf denen Agrikultur und Viehzucht betrieben wurden. Heute fällt das zusammen. Alle Gartenfarmen sind allgemein zugänglich. Sie versorgen die Menschen mit Lebensmitteln und erneuerbaren Rohstoffen, sind aber auch Orte der Erholung und Entspannung. Felder, Beete und Gehege werden durch Spielflächen und Badestellen ergänzt.

Je nach Präferenz der Betreiberprojekte werden die unterschiedlichsten landwirtschaftlichen Methoden eingesetzt. Beliebt sind Permakultur sowie Verfahren, die auf hohe Erträge selbst bei kleinen Flächen ausgelegt sind, etwa die biointensive Methode und Hügelkultur. Ebenfalls weit verbreitet, weil arbeitssparend und sehr ertragreich, ist die Pflanzenzucht in anorganischen Nährböden statt in Erde (Hydrokultur). Bei der Aquaponik wird dies mit Fischzucht in Behältern oder offenen Teichen kombiniert. Die Pflanzenbetten werden gelegentlich mit dem nährstoffreichen Wasser aus den Fischbecken getränkt, so dass auf künstliche Nährlösungen verzichtet werden kann.

Zur Verteilung ihrer Produkte wenden die Gartenfarmen das Pub/Sub-Verfahren an. Sie kündigen an, was sie produzieren wollen („publish“). Wer in einer Gegend wohnt oder sich längere Zeit aufhält, abonniert („subscribe“) das Programm einer nahe gelegenen Gartenfarm und wird von dieser dann regelmäßig mit frischen Produkten versorgt. Dabei gibt man an, was man gerne mag und was man nicht essen will oder kann (viele Leute essen kein Fleisch). Wenn man mehr braucht, weil Besuchirn kommen oder für ein Fest, sagt man am besten ein paar Tage vorher Bescheid, damit sich die Farm darauf einstellen kann. Ebenso wenn man verreist und das Abo unterbricht.

Anhand der Abos können Gartenfarmen den Bedarf nach ihren Produkten abschätzen und entsprechend produzieren. Wenn mehr nachgefragt wird, als eine Farm produzieren kann, und es nahe gelegene ungenutzte Ländereien gibt, kann sie die Produktion aufstocken und dies dem Ressourcenrat melden. Andernfalls verweist sie die zusätzlichen Abonnentein an Gartenfarmen in der Umgebung.

Die meisten Gartenfarmen haben Koch/Backfabriken auf ihrem Gelände, wo sie Brot backen, Marmeladen und andere Aufstriche vorbereiten und Mahlzeiten vorkochen. Alle Gartenfarmen sind Teil des Gartennetzes, das für das überregionale Teilen von Pflanzen, die nur in bestimmten Klimazonen gedeihen, entwickelt wurde. Jede Farm meldet ihren Bedarf für (in ihrer Gegend) „exotische“ Pflanzen an. Die Farmen in den passenden Klimazonen teilen diese zusätzlichen Bedürfnisse unbürokratisch untereinander auf und produzieren entsprechend mehr. Dieses weltweite Nehmen und Geben ist für die Beteiligten weniger aufwendig als „exotische“ Pflanzen in Gewächshäusern zu züchten (obwohl auch das vorkommt), und angenehmer, als ganz darauf zu verzichten. Auch bei lokalen Engpässen oder Überschüssen springt das Gartennetz ein.

Weitere Anlaufstellen für die Re/produktion werden als Knotenorte oder Dezentren bezeichnet. Hier finden Dinge statt, die sich nicht gut so stark dezentralisieren lassen wie die häusliche Küchenfabrikation, doch genau wie letztere basieren sie auf den Ideen der Kopierbarkeit und Adaptierbarkeit. Alles wird offengelegt, damit Leute, die passende Knotenorte in ihrer Nähe vermissen oder mit den vorhandenen unzufrieden sind, die anderswo funktionierenden Konzepte aufgreifen und nach eigenen Wünschen anpassen können. Der Sammelbegriff „Knotenort“ steht für ganz unterschiedliche Orte, die mal zusammen, mal räumlich getrennt anzutreffen sind – Lern- und Forschungsknoten, Heil- und Pflegeknoten, Vitaminfabriken, Fabhubs, Community-Cafés und anderes. All diese Orte werden von Freiwilligen betrieben, die sich zusammentun, um sie aufzubauen und in Betrieb zu halten.

Lern- und Forschungsknoten kommen oft zusammen vor – in ersteren wird gelernt, in letzteren geforscht und Wissenschaft betrieben. In Heilknoten werden Kranke und Unfallopfer behandelt, Operationen durchgeführt und Kinder zur Welt gebracht; hier bekommt man Medikamente und findet Ärzte, die sich um Zähne, Augen und andere bedürftige Körperteile kümmern. Pflegeknoten widmen sich der Körperpflege und dem körperlich/geistigen Wohlbefinden – ob Haare schneiden oder Massage. Heil- und Pflegeknoten haben normalerweise auch Teams von mobilen Pflegirn, die sich um besonders pflegebedürftige Kranke und Alte kümmern, und mobile Rettungsteams, die im Notfall erste Hilfe leisten.

In Vitaminfabriken werden keine Nahrungsmittel hergestellt, dafür gibt es ja Gartenfarmen. „Vitamine“ sind die Zubehörteile für Küchenfabrikation und Fabhubs, die sich nicht effizient dezentraler herstellen lassen – insbesondere elektrische und elektronische Bauteile wie Motoren, Leuchtdioden und Mikrochips. Mikrochips, das Herz jedes Computers, ließen sich bis vor einigen Jahren nur in extrem aufwendig zu errichtenden Halbleiter-Fabs (Fabrikationsanlagen) herstellen, von denen es weltweit nur einige Dutzend gab. Manche Leute fürchteten, dass die Betreiberprojekte dieser Fabs zu mächtig werden könnten – dass sie sich zusammentun und den Rest der Welt erpressen könnten mit der Drohung, ihnen sonst den Zugang zur Chips und damit die Teilhabe an der modernen Welt zu verweigern. Diese Sorge war unbegründet, allein schon weil die Fab-Betreibirn ihrerseits ja auch viel zu abhängig von Gartenfarmen und anderen Projekten waren, als dass sie sich gegen alle anderen hätten stellen können – zumal nie so recht klar wurde, was sie mit einer Erpressung letztlich hätten erreichen können.

Inzwischen ist die Gedruckte Elektronik so leistungsfähig geworden, dass sie auch zur Herstellung von Mikrochips sinnvoll eingesetzt werden kann. Elektrodrucker funktionieren ähnlich wie Tintenstrahldrucker, arbeiten aber mit deutlich höherer Auflösung und verdrucken anstelle von Tinte verflüssigte elektronische Funktionsmaterialien (leitfähige Polymere, Silber-Partikel, Kohlenstoff). Für komplexe elektronische Elemente werden mehrere Funktionsschichten übereinander gedruckt. Da es die nötigen Geräte in den meisten Fabhubs gibt, sind die hochspezialisierten Halbleiter-Fabs heute Auslaufmodelle.

Fabhubs ergänzen die häusliche Küchenfabrikation um Maschinen, die größer und vielseitiger sind als das, was man normalerweise zuhause herumstehen hat, und die allen Menschen in ihrer Umgebung zur freien Verfügung stehen. Zur typischen Ausstattung gehört neben großen und schnellen CNC-Fräsmaschinen und 3D-Druckern eine Laserschneidmaschine, die mittels eines starken Laserstrahls beliebige Formen in Metall- und andere Platten schneiden sowie Beschriftungen und Bilder eingravieren kann. Dazu kommen die erwähnten Elektrodrucker sowie Bestückungsautomaten, die elektronische Bauelemente programmgesteuert auf Platinen platzieren und verlöten. Die Platinen selbst werden per CNC-Fräse hergestellt.

Meist gibt es auch einige Geräte zur Anfertigung von Kleidung und anderen Textilien, am beliebtesten sind Strick- und Nähmaschinen. Per CNC-Strickmaschine lassen sich Stoffe der gewünschten Größe und Form herstellen. Dank des zu Beginn der kapitalistischen Industrialisierung erfundenen Jacquard-Verfahrens können diese beliebige Muster aufweisen. Anschließend werden sie per Nähmaschine vollautomatisch zusammengenäht. Manche Leute haben kleinere Varianten dieser Maschinen zuhause, aber die meisten gehen dafür in den nächsten Fabhub.

Stigmergische Selbstauswahl

Hinter jeder Gartenfarm und jedem Knotenort steht ein Team von Kümmerirn, von Leuten, die sich um den Ort kümmern und ihn am Laufen halten. Diese Teams finden sich per Selbstauswahl – jedir entscheidet selbst gemäß den eigenen Vorlieben und Interessen, ob, wo und wie sei sich einbringt. Dabei folgt man meist Zeichen, die andere hinterlassen als Hinweis auf Aufgaben, die sie angefangen, aber nicht abgeschlossen haben, oder deren Erledigung sie sich wünschen. Knoten und Farmen sammeln ihre offenen Aufgaben in öffentlich sichtbaren Wunschzetteln und To-do-Listen, die vor allem den Nutzirn des Orts sehr präsent sind und manche von ihnen zum Handeln motivieren, etwa weil ihnen die entsprechende Aktivität Spaß macht oder sie sie erlernen wollen. Oder um Abhilfe zu schaffen, weil sie andernfalls auf etwas verzichten müssten, das ihnen wichtig ist – etwa weil im Fabhub bestimmte Maschinen fehlen oder ausgefallen sind oder weil in der Gartenfarm niemand mehr Marmelade macht.

Oft wird man so von Nutzir eines Orts zu Beitragendir, die selbst einen gelegentlichen Beitrag zum Funktionieren des Projekts leistet – vielleicht nur einmal für ein paar Stunden, vielleicht immer mal wieder, vielleicht auch regelmäßig und intensiv, wenn man an dem Projekt, der Aufgabe oder den Leuten Gefallen gefunden hat. Aber natürlich muss man etwas nicht nutzen, um dazu beitragen zu können – das beliebte Programm „task-list“ sammelt etwa alle Hinweise, die Projekte irgendwo in der Welt hinterlassen, so dass man per Schlagwort oder per Filterung nach Region, Aufgabenart, Projektart nach spannenden Aktivitäten suchen kann.

Diese Art der dezentralen Aufgabenaufteilung wird als „Stigmergie“ bezeichnet, nach dem griechischen Wort stigma, das „Markierung“ oder „Hinweis“ bedeuten kann. Stigmergie gibt es auch in der Tierwelt, so organisieren sich Ameisen und Termiten auf diese Weise. Aber während Insekten rein instinktiv handeln, beruht die stigmergische Selbstorganisation der Menschheit auf jeder Menge bewusster Entscheidungen, ob es einim individuell sinnvoll vorkommt, bestimmte Hinweise zu hinterlassen oder aufzugreifen. Dass dabei alle ihre eigenen Wünsche, Vorstellungen und Möglichkeiten einbeziehen, sorgt für eine Priorisierung der offenen Aufgaben: Was vielen Menschen ziemlich oder einigen sehr wichtig ist, wird eher erledigt als Dinge, die überall nur Achselzucken hervorrufen. Und weil sich jedir selbst aussucht, wo und wie sei sich einbringt, sind alle motiviert und die unterschiedlichen Stärken und Fertigkeiten der Menschen kommen voll zur Geltung.

Das gilt freilich nur dann, wenn sich jedir frei gemäß den eigenen Präferenzen und individuellen Stärken einbringen kann, ohne durch gesellschaftliche Erwartungen oder fehlende Lernmöglichkeiten eingeschränkt zu werden. Früher war die Vorstellung weitverbreitet, dass bestimmte Dinge eher Frauen, andere eher Männern liegen. Solche Klischees waren selbstverstärkend, weil sie es insbesondere Frauen erschwerten, sich in „Männerbereichen“ zu betätigen, und weil die, die sich davon nicht abhalten ließen, große Widerstände überwinden mussten, bevor ihre Beiträge als ebenbürtig wahrgenommen wurden. Und umgekehrt wollten sich viele Männer mit bestimmten Dingen nicht abgeben, weil sie sie für „Frauensache“ hielten. Heute achten wir sehr darauf, solchen gesellschaftlichen Zuschreibungen, wenn sie irgendwo noch auftreten, entgegenzuwirken und es allen gleichermaßen zu ermöglichen, sich in den unterschiedlichsten Bereichen zu erproben und zu entfalten.

Früher dachten die Menschen anscheinend, dass die Gesellschaft ohne Zwang nicht funktionieren könnte, weil dann niemand etwas für andere Nützliches machen würde. Zwang wurde in verschiedenen Formen ausgeübt, am häufigsten wohl in Form von „Geld“. Geld war so etwas wie Spielchips. Was wir nur aus Spielen kennen, brauche man damals zum Überleben. Die meisten konnten es nur als Belohnung für Arbeit bekommen, und wer nicht genug von diesen Geld-Chips hatte, war vom gesellschaftlich produzierten Reichtum ganz oder großteils ausgeschlossen. Das ging so weit, dass immer wieder Menschen verhungert sind, weil es ihnen an Geld fehlte!

Heute machen wir uns da keine Sorgen mehr. Für die meisten Aktivitäten finden sich ohne Weiteres genug Freiwillige zusammen. Wo das nicht der Fall ist, liegt es meist daran, dass die Sache nicht genügend Leuten wichtig ist, sondern nur eine vage Idee, bei der sich niemand hinreichend stark für die Umsetzung begeistern kann, oder Steckenpferd einiger weniger. Dann müssen die Leute, denen es wichtig ist, zusehen wie sie mit weniger Unterstützung über die Runden kommen, oder ganz verzichten. Das ist manchmal ärgerlich, wenn man viel Energie in eine Sache steckt, aus der dann nichts wird, hat aber noch niemand ernsthaft geschadet.

Dass es bei vielen wichtigen Dingen fast nie an Freiwilligen mangelt, hat auch damit zu tun, dass wir so vieles den Maschinen überlassen. Das fing schon früher, im Kapitalismus an, aber damals war es zwiespältig, weil die Leute eben Geld verdienen mussten, und wenn Maschinen ihre Tätigkeiten übernahmen, ging das nicht mehr. Heute haben wir dieses Problem nicht mehr und setzen noch viel stärker auf Automatisierung als damals. Wenn sich für eine Sache nicht genug Freiwillige finden (was früher öfter der Fall war), sind meist schnell Teams von Automatisierirn zur Stelle, die sich damit beschäftigten, wie sich die Aktivität so ummodeln lässt, dass sie ganz oder teilweise computergesteuerten Geräten anvertraut werden kann. Oft reicht es schon, bestimmte gefährliche, langweilige, übelriechende oder sonst wie unangenehme Seiten einer Tätigkeit auszumerzen, um die Sache für Freiwillige attraktiv zu machen.

Außerdem ist unsere Gesellschaft viel effizienter geworden, was das Volumen an benötigter Arbeit weiter reduziert. Im Kapitalismus war das Ziel ja gar nicht, die benötigten Dinge mit möglichst wenig Aufwand herzustellen, sondern alles drehte sich ums Geld. Der Gelderwerb funktionierte dabei wie ein Wettrennen – man musste sich gegen andere durchsetzen, die dasselbe wollten; je schlechter es den anderen ging, um so größere Chancen für einir selbst. Heute teilen wir Wissen, Software und Neuerungen, weil so alle besser vorankommen und weil die anderen oft ihrerseits weitere Verbesserungen oder Erweiterungen einbringen, auf die man selbst nicht gekommen wäre. Damals hat jedir seis Wissen, so gut es ging, geheimgehalten und sich dagegen gewehrt, dass die anderen es ebenfalls nutzen, um so vor den anderen ins Ziel zu kommen. Das hat zu unheimlich viel Mehrarbeit und Reibungsverlusten geführt.

Zudem haben die Firmen (Firmen waren etwas Ähnliches wie Projekte, aber ganz anders organisiert) versucht, den Leuten einzureden, sie würden die von ihnen hergestellten Dinge unbedingt brauchen, um so mehr Geld verdienen zu können. Und wenn Dinge kaputt gingen, oder manchmal auch schon vorher, wurden sie oft einfach weggeworfen und durch neue ersetzt. Heute setzen wir auf das Baukastenprinzip: Wenn ein Teil kaputt geht oder nicht mehr passt, muss bloß dieses Teil ersetzt oder angepasst werden.

Dass die Arbeit damals in Firmen organisiert war statt in Projekten, ist sicher auch ein Grund dafür, dass sich die Leute nicht verstellen konnten, dass es ohne Zwang gehen könnte. Bei Firmen gab es eine Leitungsebene, die sagte wo es lang ging, und alle anderen mussten folgen. Dass das tödlich für die Motivation war, ist klar. Man konnte vielleicht mit Glück eine andere Firma finden, die einir aufnahm, aber dann war man wieder in derselben Situation.

Dass sich die Projekte heute am Prinzip des „rough consensus and running code“ orientieren, ist gerade die Konsequenz daraus, dass sie Freiwillige organisieren und niemand zwangsverpflichten oder durch Geld bestechen können. Oft gibt es ein Kernteam oder einige Maintainer, die das Projekt gegründet haben oder per Wahl oder Kooptierung bestimmt werden. Diese koordinieren das Ganze, müssen sich aber bei allen wichtigen Entscheidungen rückversichern, dass der Großteil der Beteiligten – nicht nur aktiv Beitragende, sondern auch Nutzirn – einverstanden sind. Ohne diesen groben Konsens wird ein Projekt es nicht weit bringen, weil ihm die Freiwilligen weglaufen. Das zweite Ziel, „lauffähigen Code“ zu produzieren, erleichtert die Strukturierung der nötigen Debatten. Es geht um das Finden von Lösungen, die sich in der Praxis bewähren, nicht einfach um individuelle Präferenzen.

Anscheinend fanden die Menschen die Arbeit auch deshalb schlimm, weil sie so viel davon hatten. Die Aufteilung hat offenbar gar nicht funktioniert – einige hatten gar keine Arbeit und deshalb auch kein Geld, andere hatten zu viel Arbeit und deshalb keine Zeit. Heute haben wir alle viel Muße, zum Schlummern, Schlemmen, Spielen, Lesen, Lieben, Forschen, Filme gucken, Baden, in der Sonne liegen oder wonach uns sonst der Sinn steht. Das ist schön, aber den meisten reicht es noch nicht. Sie wollen, wenigstens ein paar Stunden pro Tag oder alle paar Tage mal, etwas machen, was auch anderen nutzt. Sie wollen mit anpacken an der Reproduktion des Alltagslebens; sie wollen etwas für die anderen, für die Community tun, weil andere so viel für sie tun. Sie wollen etwas lernen oder etwas Befriedigendes und zugleich Nützliches tun. Oder sie beteiligen sich an der Produktion eines Guts, das sie selbst gern hätten – „scratching an itch“, sich da kratzen, wo es juckt, nannte das Eric Raymond, einer der Pioniere der quellfreien Software (er sagte damals „Open Source“ dazu).

Gut funktionierende Projekte sind so eingerichtet, dass sie dies erleichtern. Sie heißen alle Neulinge willkommen und greifen ihnen bei Bedarf unter die Arme, sie integrieren Beiträge, die in die richtige Richtung gehen, und bemühen sich dort nachzuhelfen, wo es noch nicht passt. Deshalb läuft die Re/produktion heute, ohne dass wir irgendwelche Zwangsmaßnahmen brauchen. Und wenn es mal hakt, reden wir drüber und überlegen uns, wie wir mit der Situation umgehen können.

Ein Lösungsansatz für Schwierigkeiten mit der Aufgabenaufteilung sind die in vielen Gemeinden und in manchen Projekten geführten „Weiße Listen“. Dort kann jedir anonym Aufgaben eintragen, die mangels Freiwilligen immer wieder liegen bleiben oder mit denen die Freiwilligen, die sich darum kümmern, unglücklich sind. Natürlich ist niemand verpflichtet, etwas Bestimmtes zu tun, aber im Nachhinein aus einmal übernommenen Aufgaben wieder herauszukommen, fällt nicht jedim leicht, weil man vielleicht Angst hat, andere zu enttäuschen oder eine schmerzliche Lücke zu hinterlassen. Diese Aufgaben werden bei den wöchentlichen oder monatlichen Versammlungen diskutiert und wenn ein größerer Teil der Beteiligten der Meinung ist, dass sie zu Recht auf der Liste stehen, greift das Rundherum-Verfahren (round robin): Ab sofort sind alle erwachsenen Gemeindemitglieder, alle Projektbeteiligten für diese Aufgaben zuständig. Jedir sollte hin und wieder einen kleinen Teil davon übernehmen, damit sie nicht an Einzelnen hängen bleiben. Oft wird dabei ausgelost, wer wann was macht. Es gibt keine direkten Sanktionen, wenn man die Teilnahme an der Rundherum-Aufteilung verweigert, aber in der Praxis kommt das kaum vor.

Schwieriger wird es, wenn die unbeliebten Aufgaben besondere Fähigkeiten erfordern, die man sich nicht in relativ kurzer Zeit aneignen kann, doch ist das eher selten der Fall. Jedenfalls ist das Ziel, die Weißen Listen möglichst kurz werden zu lassen (am besten ganz leer, also „weiß“), indem die Aufgaben automatisiert oder so umorganisiert werden, dass sie wieder jemand Spaß machen. Oft klappt das gut. Dass die Leute früher oft unglücklich mit dem waren, was sie tun mussten, lag sicher mit daran, dass sie wenig Einfluss auf die Rahmenbedingungen und oft auch wenig Wahlmöglichkeiten hatten. Das ist heute anders.

* * *

Anhang (1): Geschlechtsneutrale Formen

männlich weiblich neutral
Nominativ er sie sei
Genitiv sein ihr seis
Dativ ihm ihr seim
Akkusativ ihn sie sei
männlich weiblich neutral
Nominativ jeder Einzelne jede Einzelne jedir Einzelne
Genitiv jedes Einzelnen jeder Einzelnen jedis Einzelnen
Dativ jedem Einzelnen jeder Einzelnen jedim Einzelnen
Akkusativ jeden Einzelnen jede Einzelnen jedir Einzelnen
männlich weiblich neutral
Nominativ der mobile Pfleger die mobile Pflegerin die mobile Pflegir
die mobilen Pfleger die mobilen Pflegerinnen die mobilen Pflegirn
Genitiv des mobilen Pflegers der mobilen Pflegerin der mobilen Pflegir
der mobilen Pfleger der mobilen Pflegerinnen der mobilen Pflegirn
Dativ dem mobilen Pfleger der mobilen Pflegerin der mobilen Pflegir
den mobilen Pflegern den mobilen Pflegerinnen den mobilen Pflegirn
Akkusativ den mobilen Pfleger die mobile Pflegerin die mobile Pflegir
die mobilen Pfleger die mobilen Pflegerinnen die mobilen Pflegirn
männlich weiblich neutral
Nominativ der nette Nachbar die nette Nachbarin die nette Nachbarei
die netten Nachbarn die netten Nachbarinnen die netten Nachbarein
Genitiv des netten Nachbars der netten Nachbarin der netten Nachbarei
der netten Nachbarn der netten Nachbarinnen der netten Nachbarein
Dativ dem netten Nachbarn der netten Nachbarin der netten Nachbarei
den netten Nachbarn den netten Nachbarinnen den netten Nachbarein
Akkusativ den netten Nachbarn die nette Nachbarin die nette Nachbarei
die netten Nachbarn die netten Nachbarinnen die netten Nachbarein
  1. Siehe die Tabelle geschlechtsneutraler Formen im Anhang dieses Texts.

[Teil 2]

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Die Geldlogik kritisieren und überwinden

react!ORAm 4. und 5. April gibt im selbstverwalteten Jugendzentrum react!OR in Kempten (Allgäu), Frühlingstr. 17, einen Doppelvortrag:

Hier die Einladungstexte:

Uli Frank, Einführung in die Kritik der Geldlogik:

Über Geld wird zwar auch in der VWL und Politik unentwegt geredet, aber ohne sein merkwürdiges Wesen wirklich zu begreifen. In meiner Präsentation versuche ich, Geld und seine Kritik aus verschiedenen Perspektiven möglichst anschaulich zu betrachten. Dabei möchte ich zeigen, dass eine grundsätzliche Kritik das Geld und die von ihm verkörperte Logik als gesellschaftliches Betriebssystem ins Visier nehmen muss. In der nachfolgenden Veranstaltung wollen Stefan und ich Perspektiven jenseits der Geldlogik aufzeigen.

Stefan Meretz, Commonismus:

Der Kapitalismus mit seiner alle Sphären durchdringenden Geldlogik gibt sich als hermetisches, geschlossenes System. Wie kann sich jemals etwas anderes als Kapitalismus durchsetzen, wo wir doch alle in und von ihm leben und ihn täglich reproduzieren? Gleichzeitig entwickeln sich praktisch immer mehr und immer wichtigere Bereiche, die sich nur noch auf »nichtkapitalistische Weise« herstellen lassen, die der Kapitalismus braucht, aber selbst nicht mehr in seiner Logik produzieren kann. Mit der commonsbasierte Peer-Produktion entsteht eine qualitativ neue Produktionsweise inmitten der alten Logik. Lässt sich Commonismus machen, ganz so wie es Marx und Engels dachten, nicht als »ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten« habe, sondern als »wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt«?

Neben mehr theoretischen Überlegungen, wie eine commonistische Gesellschaft auf ihrer eigenen Grundlage funktionieren kann und wie wir möglicherweise dorthin kommen, gibt’s viele anschauliche Beispiele, wo wir die Keimformen heute schon finden können. Genug Stoff für eine anregende Diskussion!

 

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Parecon versus Peer-Produktion Teil 1

Contraste-Logo[In den letzten Monaten habe ich mit Michael Albert über Peer Produktion und Participatory Economics, kurz Parecon, als Konzepte einer möglichen Produktionsweise von morgen diskutiert. Brigitte Kratzwald hat erfreulicherweise begonnen, die englischsprachige Diskussion in gekürzter Form ins Deutsche zu übertragen und nach und nach in der Contraste zu veröffentlichen. Dieser erste Teil ist in der Märzausgabe erschienen, weitere werden folgen. Die ganze Diskussion auf Englisch ist bei ZNet nachzulesen. Für die Übersetzung herzlichen Dank an Brigitte, die diesen Beitrag auch schon auf ihrem Blog veröffentlicht hat!]

Michael Albert: Beschreibung von Parecon

Parecon beschreibt Institutionen für eine ökologisch fundierte und klassenlose Wirtschaft, die Solidarität, Gleichheit und Sebstverwaltung stärkt. Dabei sind selbstverwaltete Arbeiter- und Konsumentenräte der zentrale Ort, an dem wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden.

Selbstverwaltung bedeutet, dass Personen und Gruppen in dem Ausmaß Entscheidungen beeinflussen können, wie sie von diesen betroffen sind. Ist hauptsächlich eine Person betroffen, entscheidet diese alleine, auf der Basis von übergeordneten Richtlinien, die im breiten Konsens beschlossen wurden. Ist ein Arbeitsteam betroffen, entscheidet dieses, ebenfalls unter Beachtung dieser übergeordneten Richtlinien.

Der zweite wichtige Aspekt von Parecon ist die Frage der Entlohnung. Es wird weder Macht noch Eigentum belohnt und auch nicht ausschließlich der persönliche Output. Alle bekommen den ihren Bedürfnissen entsprechenden Anteil am Sozialprodukt; auch diejenigen, die nicht arbeiten, haben ein Recht auf Einkommen und medizinische Versorgung. Gleichheit bedeutet für Parecon aber nicht, dass alle das gleiche Einkommen bekommen. Wer schwerer, länger oder unter schwierigen Bedingungen gesellschaftlich nützliche Arbeit leistet, soll mehr verdienen. Kosten und Nutzen sollten sich für jeden wirtschaftlichen Akteur die Waage halten. Für interessante und befriedigende Arbeiten brauchen Menschen keine finanziellen Anreize. Aber auch in einer gut organisierten Wirtschaft gibt es beschwerliche und unbefriedigende Tätigkeiten, die gesellschaftlich unverzichtbar sind. Solche Arbeiten sollen belohnt werden.

Wenn wir Arbeit und Einkommen trennen und die Menschen arbeiten was sie wollen, wann sie wollen und wie lange sie wollen, sowie konsumieren was, wann und wieviel sie wollen – ohne Mechanismen um zwischen diesen beiden Entscheidungen zu vermitteln – würden die meisten weniger arbeiten und mehr nehmen als dem Gemeinwohl gut tut. Und zwar nicht, weil die Menschen gierig, faul oder verantwortungslos wären, sondern weil sie nicht wissen können, wieviel sie arbeiten müssen und wieviel sie haben können. Auf der anderen Seite wüssten auch die Unternehmen nicht, wieviel sie von welchem Produkt herstellen sollen oder wo sie investieren sollen.

Es gibt bereits viele Unternehmen, in denen diese beiden Aspekte von Parecon verwirklicht werden. Etwa in hunderten besetzten Fabriken in Argentinien und neuerdings auch in Venezuela. Nach einiger Zeit entstehen jedoch häufig Probleme. Die anfängliche Begeisterung schwindet und die Teilnahme an den Versammlungen geht zurück. Nur wenige Menschen beteiligen sich an den Entscheidungen, Einkommensunterschiede nehmen zu, es kommt wieder zu Entfremdung. Und die Beteiligten suchen die Schuld bei sich selbst. Es scheint, dass Herrschaft und soziale Ungleichheit in der menschlichen Natur liegen und es keine Alternative gibt.

Deshalb gibt es eine dritte Parecon Komponente, die sich „ausgewogene Arbeitspakete“ („balanced job complexes“) nennt. Bei der üblichen Arbeitsteilung üben 80% der Arbeiter Tätigkeiten aus, die sie „entmächtigen“. Es sind repetitive Routinearbeiten, die die Menschen voneinander, von den Entscheidungen, die getroffen werden müssen und von den dafür notwendigen Informationen trennen. Dadurch nehmen deren Kompetenzen, ihr Selbstvertrauen und das Wissen um die Zusammenhänge im Unternehmen ständig ab. Sie verlernen, Entscheidungen zu treffen. 20% machen Jobs, die die Beziehungen untereinander stärken, die sozialen Kompetenzen erhöhen, ihr Selbstvertrauen und das Wissen über die Zusammenhänge im Unternehmen steigern, sie also ermächtigen, Entscheidungen zu treffen. Das führt zu einer Spaltung der Arbeitskräfte im Unternehmen, es entsteht so etwas wie ein Klasse von Koordinatoren. Um wirkliche Selbstverwaltung und Klassenlosigkeit zu erreichen, braucht es also zusätzlich zu Arbeiterräten und fairer Entlohnung einen neuen Modus der Arbeitsteilung, eben „ausgeglichene Arbeitspakete“. Das sind Bündel von Tätigkeiten, die alle mit einem adäquaten Machtpotenzial ausstatten, um an der Selbstverwaltung teilnehmen zu können.

Das vierte Element von Parecon betrifft die Allokation der Güter. Wir haben dafür drei Modelle zur Auswahl: Märkte, zentralistische Planung und freiwillige Selbstregulierung. Märkte führen zu sozialer Ungleichheit, großen Machtunterschieden und in den ökologischen Wahnsinn. Sie bedrohen die Selbstverwaltung und fördern das Auftauchen einer Koordinatorenklasse. Zentralistische Planung erzeugt die gleiche Klassenspaltung und bedroht die Selbstverwaltung noch mehr. Auch sie tendiert zu ökologischem Wahnsinn und beschert den Planern Reichtum, während sie Gehorsam und Herrschaftsbeziehungen hervorbringt, die auch auf andere Lebensbereiche übergreifen.

Freiwillige Selbtregulierung ist eine großartige Idee, aber in den meisten Konzepten werden die wesentlichen Herausforderungen nicht angesprochen. Damit Menschen sich in Übereinstimmung mit den richtigen Werten und realen Möglichkeiten selbst verwalten könnnen, brauchen sie Instrumente, mit denen sie feststellen können, welches Ausmaß an Arbeit und Konsum angemessen ist, und Rahmenbedingungen, die das Wohlergehen der Einzelnen an das Wohlergehen der Anderen binden. Das Allokationssystem von Parecon heißt partizipative Planung. Arbeiter- und Konsumentenräte bringen Vorschläge ein und verhandeln so lange, bis Inputs und Outputs in Einklang sind. Es gibt kein Oben und Unten und kein Zentrum, es ist kein Wettbewerb. Es wird buchstäblich Solidarität hergestellt und nicht unsoziales Verhalten gestärkt. Die Menschen müssen dazu weder allwissend noch Heilige sein. Einfache Strukturen ermöglichen und erleichtern Ergebnisse, die den Einzelnen und der Gemeinschaft nützen.

Christian Siefkes: Meine Zweifel an Parecon

Ich stimme mit den Zielen von Parecon überein. Was mich irritiert ist, dass Parecon den Kapitalismus überwinden will, aber doch einen essentiellen Aspekt beibehält: alles dreht sich weiterhin um bezahlte Arbeit: Alle müssen für Geld arbeiten, um die Dinge zu kaufen, die sie zum Leben brauchen. Warum? Müssen wir die Menschen wirklich zur Arbeit zwingen?

Ein typischer Vertreter das Kapitalismus würde vermutlich antworten: „Ja, die Menschen sind faul. Ohne Zwang würde niemand arbeiten und die Menschheit würde untergehen.“ Michael Albert formuliert es ein wenig eleganter, aber im Grunde sagt er das Gleiche: alle sind ein wenig zu faul und wenig zu gierig für eine Gesellschaft ohne Zwang. Aber stimmt das wirklich? Und, gäbe es wirklich ein Missverhältnis zwischen „erreichbarem Output“ und „erreichbarer Nachfrage“, könnte Parecon es vermeiden? Ich bezweifle beides.

Albert spricht immer noch von „Einkommen“, auch wenn die Menschen frei wählen sollen, wieviel sie arbeiten und konsumieren wollen. Aber wenn Arbeit nicht bezahlt wird und man für Konsum nicht bezahlen muss, verlieren die Konzepte „Einkommen“ und „Geld“ jede Bedeutung. Es gäbe also keine „Nachfrage nach Einkommen“, sondern eine „Nachfrage nach Gütern“ unterschiedlichster Art. Das mögliche Missverhältnis wäre nicht nur quantitativ (nicht genug Einkommen, um die Nachfrage zu erfüllen), sondern qualitativ: zu wenig von manchen Gütern, zu viele von anderen, dazu Güter mit unpassenden Eigenschaften. Dieses qualitative Missverhältnis kann nicht einfach dadurch aufgehoben werden, dass Arbeit bezahlt wird. Parecon verfehlt genau den zentralen Punkt, wenn es weiterhin dem kapitalistischen Konzept „Einkommen“ verhaftet ist, statt an das soziale Ergebnis, an die Produktion von Gütern zu denken.

Parecon versucht dieses qualitative Missverhältnis durch „partizipative Planung“ zu verhindern, wo Arbeiter und Konsumenten ihre Vorschläge vorbringen und abgleichen. Der skizzierte Prozess erscheint mir zwar sehr formell und bürokratisch, ich stimme aber zu, dass es soziale Prozesse für die Abstimmung von Produktion und Konsum braucht. Aber wozu braucht es dann noch Geld und Lohn als zusätzliche Krücken? Die Diskussion darüber, was produziert werden soll, um die Nachfrage zu befriedigen, sollte schon alle benötigten Hinweise geben – nicht nur, ob mehr Arbeit notwendig ist, sondern auch welche Arten von Arbeit fehlen und von welchen es vielleicht schon zuviel gibt.

Es stimmt, dieses Wissen alleine garantiert noch nicht, dass sich tatsächlich Menschen finden, die die geforderten Aufgaben übernehmen. Das kann aber auch Lohnarbeit nicht garantieren, wenn sie nicht Teil eines vollständig ausgeprägten Arbeits- und Gütermarktes ist, wo diejenigen, die sich nicht in gesellschaftlich nachgefragter Weise betätigen können oder wollen, letztlich in ihrer Existenz bedroht sind. Natürlich will Albert das nicht, aber wenn er keinen Markt will, dann sollte er konsistent sein und auch die Idee der Bezahlung aufgeben. Keines dieser Konzepte macht Sinn ohne das jeweils andere.

Dies gilt insbesondere auch für die andere Seite der Medaille, den Preis der Waren. In seinem Text erwähnt Albert nicht, wie dieser bestimmt wird. Im Kapitalismus schwanken die Preise für eine Ware rund um ihren Wert, wie Karl Marx festgestellt hat. Dieser Wert ist die Menge an Arbeit, die durchschnittlich mit der bestmöglichen Technik für ihre Herstellung notwendig ist. Wenn ein Unternehmen veraltete Technik verwendet, oder Arbeiter beschäftigt, die langsamer sind oder mehr Fehler machen, kann es seine Produkte auch nicht teurer verkaufen. Wenn die Arbeiter das Problem sind, dann kann das kompensiert werden, indem sie weniger bezahlt bekommen oder entlassen werden. Parecon fordert aber, „die Bezahlung soll sich danach richten, wie lange jemand arbeitet“. Also erhält ein langsamer Arbeiter den gleichen Stundenlohn wie ein schneller. Aber wären die Konsumenten bereit, von einer Kooperative zu kaufen, die viele langsame Arbeiter beschäftigt, obwohl sie dasselbe Produkt bei einer anderen Kooperative mit schnelleren Arbeitern billiger bekämen? Wohl kaum.

Ohne den Wettbewerbsdruck des Marktes wird das Konzept „Preis“ bedeutungslos. Gundsätzlich scheint mir, dass Parecon als Reaktion auf die Auswirkungen von Marktkräften konzipiert wurde, während es gleichzeitig antritt, um den Markt zu überwinden. Wenn Letzteres gelingt, ist ersteres aber nicht mehr nötig. Das wird am deutlichsten wenn Albert die „ausgewogenen Arbeitspakete“ begründet.

Er sagt, die Arbeitenden kommen nicht mehr zu Versammlungen und darum nehmen Einkommensunterschiede zu. Wie das? Erhalten manche Menschen mehr Einkommen, weil sie länger arbeiten statt zu Treffen zu gehen? Oder bekommen die anderen mehr Einkommen, etwa als Kompensation für die langweiligen Treffen? Beide Begründungen scheinen gleich wenig plausibel. Viel plausibler ist, dass Kooperativen – wie alle anderen Marktteilnehmer – im Wettbewerb bestehen müssen und es deshalb für sie schwierig ist, die interne Einkommensgleichheit aufrecht zu erhalten. Hat eine Kooperative hohe Löhne, so sind ihre Produkte teurer als die der Konkurrenz. Sind die Löhne niedrig, findet sie keine gut qualifizierten Arbeitskräfte. In beiden Fällen kann sie am Markt nicht bestehen. Das trifft auch auf alle anderen Faktoren zu, mit denen sich eine Kooperative von traditionellen Unternehmen unterscheiden will. Es ist wenig überraschend, dass die Unterschiede zu anderen Unternehmen geringer werden, je länger Kooperativen auf dem Markt überleben.

Gäbe es ohne den Druck des Marktes noch Gründe, Menschen „ausgewoge Arbeitspakete“ aufzuzwingen? Ich denke nicht. Ohne Markt und ohne die Notwendigkeit einen Lebensunterhalt zu verdienen, würden die Beschäftigungen der Menschen sowieso viel abwechsungsreicher sein als heute. Aber wenn ich mit einer Beschäftigung glücklich bin, warum sollte ich zu anderen gedrängt werden? Es ist sinnvoll, eine größere Vielfalt an Beschäftigungen zu fördern, aber nicht, alle mit bürokratischen Mitteln dazu zu zwingen.

Was, wenn es wirklich ein Missverhältnis gibt zwischen der Summe aller Produktions- und Konsumpräferenzen; wenn etwa niemand fischen will und die Menschen trotzdem Fisch essen wollen? Dann müssen die Leute, die Fisch essen wollen, entweder verzichten oder aber eine Lösung finden, um an Fische zu kommen. Das würde nicht notwendigerweise bedeuten, dass jemand fischen muss. Vielleicht wäre eine Automatisierung von Fischzucht und -verarbeitung möglich. Es müssten sich zwar immer noch Menschen damit beschäftigen, ein solches System zu entwickeln, aber die Aufgabe wäre eine ganz andere und möglicherweise auch für Menschen attraktiv, die nicht fischen wollen.

Bleiben unangenehme Arbeiten offen, bei denen weder Automatisierung noch Umorganisation eine realistisch Option sind, schlage ich vor, sie in „Aufgaben-Pools“ zu sammen und auf alle zu verteilen. Dann machen alle einige Stunden in der Woche oder im Monat Arbeiten, die sie nicht wirklich gerne tun. Weil aber die Päferenzen der Menschen so unterschiedlich sind, glaube ich nicht, dass dieses Problem oft auftreten würde. Etwas zu tun, was von anderen gebraucht wird, ist zudem befriedigender als nur für den Papierkorb zu arbeiten. Und obwohl die meisten Menschen auch Muße genießen, würden nur wenige damit voll ausgefüllt sein.

Märkte können den Abgleich zwischen Angebot und Nachfrage leisten, allerdings nur für diejenigen, die bezahlen können, und zu enormen sozialen Kosten. Bürokratische Verfahren, wie in Parecon angedacht, können das möglicherweise zu einem gewissen Grad, aber die sozialen Kosten, – z.B. alle Menschen zu zwingen, bestimmte Arbeiten zu tun, auch wenn andere sie gerne machen würden und viel Zeit für Planungstreffen aufzuwenden – scheinen mir immer noch höher zu sein als nötig. Zudem hat es noch nie ein bürokratisches Regime gegeben, aus dem keine privilegierte Klasse von Bürokraten entstanden wäre. Parecon versucht, das zu verhindern, doch ob es gelingen würde, bleibt fraglich.

[Teil 2]

From: keimform.deBy: Christian SiefkesComments

Perspektiven jenseits der Geldlogik

Vortrag und Diskussion beim Kongress Solidarische Ökonomie in Wien (22.-24.2.2013). Ich habe die Diskussionsbeiträge in die Folien zum Mitlesen hineingesetzt, weil sie akustisch nicht immer gut zu verstehen waren. In den Download-Folien sind sie nicht enthalten. Download: Folien (ODP, PDF), Audio (OGG, MP3). Am Anfang fehlt ein Stück vom Mitschnitt, deswegen die sanfte Einblendung zu Beginn. Teil 1 des Kombivortrags zur »Einführung in die Kritik der Geldlogik« von Uli Frank findet ihr unten.

 

Hier der Vortrag von Uli Frank: »Einführung in die Kritik der Geldlogik« (kompletter Audio-Mitschnitt, inkl. Intro und Diskussion: OGG, MP3):

 

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Gesellschaft jenseits von Tausch und Geld

Video einer Podiumsdiskussion mit Alfred Fresin, Franz Nahrada und Ed Landson (Moderation: Stefan Meretz) vom 23.2.2013 beim Kongress Solidarische Ökonomie 2013. Thesen zur Vorbereitung der Veranstaltung gibt’s im TheorieKultur-Wiki. Mitschnitt von Eat Simple Food.

Veranstaltungstipp: „Commons und Globale Dörfer: Visionen für das gute Leben nach dem Kapitalismus“ mit Brigitte Kratzwald und Franz Nahrada. Eine Veranstaltung von IOPS Austria am 15. März 2013, 18.00 Uhr, Amerlinghaus (Großer Saal Erdgeschoss), Stiftgasse 8, 1070 Wien. Weitere Informationen hier.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments

Commons-based Society as a Thought Experiment

In preparation of the Commons Economics Conference which will be held in Berlin on May 22-24, there have been three “Deep Dive Workshops” around the world (Bangkok, Mexico City, Paris). I had the opportunity to participate in the European Meeting in Pontoise near Paris. David Bollier generously wrote an interpretative summary based on notes from a pirate pad, which was collectively used by the participants. In his blog he published some excerpts from the lengthy paper which seem interesting to him. During the workshop I did a Though Experiment on how a commons-based society could function. Here is the respective part taken from the summery:

Stefan Meretz’s Thought Experiment

Stefan Meretz presented his vision of how a commons-based society could function with a very different logic and values than that of the capitalist market economy. He said that this vision seeks to fulfill a Hegelian expression, aufheben, which has three separate ideas wrapped into one: the idea of abolishing the existence of something, preserving it, and taking it to a new level. In the same vein, Meretz’s idea consists of “something that needs to be removed; something that needs to be re-arranged; and something that needs to be taken to a new level.”

Capitalism posits that the most elementary form of mediating social relations is the commodity. It is considered the primary means for producing our livelihoods. The commons-based economy instead regards the commons as the most important social form for producing our livelihoods. “What the commodity is for capitalism, the commons is for a free society,” said Meretz.

How do the commons and commodity differ? First, in a commons, production and consumption are not separated from each other. Second, and more important, the producers themselves are not separated from each other, while in capitalism they are. Capitalism’s producers always have to speculate about future demand in order to assure that their products will be sold. These producers must always transform commodities into money in order to buy other commodities that fill their needs. This is an indirect way of satisfying needs – so there is always an uncertainty about whether our needs can and will be satisfied after production, via the market.

In a capitalist order, needs only exist as market demands. Lots of other needs exist beyond a given product or market transaction, of course, but they have no standing without monetary “demand.” Therefore, in the capitalist system, there are many externalities that are produced in the process of trying to make profits from invested money. Because of this logic, a “negative reciprocity” between people is dominant, especially between sellers and buyers, and among producers as competitors.

By contrast, in a commons, people’s needs are central and come first. A broad variety of needs exist, which means that you have to mediate and prioritize among many different, sometimes-conflicting needs. The solution is not to produce first and query about actual needs later. This is not only inefficient but environmentally wasteful. The goal is to take the needs of all commoners into account in the first place, and then to choose among many creative solutions that meet problems while avoiding externalities.

In a commons-based society, old notions of labor do not apply because spheres of work, leisure, etc. are not segregated, but integrated. Moreover, the point is to meet everyone’s needs and shared goals, not compete in meeting private, conflicting goals. There is thus a “positive reciprocity” among people. Or as Marx put it, “The development of the individual requires thedevelopment of all.” This is the commons. The challenge is to find a way to scale this inclusivist logic.

Since no single commons could serve everyone’s personal needs, people in a commons-based society would participate in many different commons. They are not on the same “horizontal” level, but nested in each other, at many different levels. Today’s “division of labor” would be a “division of activity” among different commons. In the triple meaning of aufheben, some activities (previously done through commodified-labor) would no longer be done because they are not necessary, or a waste. Other activities would be maintained, and many other activities would be increased or added, especially those which have to do with repairing the global damages of capitalism.

A commons-based society can promise better lives because the wasteful aspects of running a monetary sphere would be unnecessary. There would no longer be a need to navigate the division between paid and unpaid, or productive and reproductive labor. Instead, we would simply live. Our lives would be more integrated. The more urgent question would be, How can human and commons-based productivity go to the places where they are needed? New technologies, especially the Internet can mediate these issues through better social communication. Freed from market imperatives, people would have plenty of time to deal with really important questions.

Meretz argued that we should try to eliminate money as a driving force behind commodity production and profit. This is not possible today, because money is still needed. But we should try to de-couple the external logic of money from the internal logic of commons. This means de-coupling giving from taking (exchange), and enabling a positive reciprocity via social inclusion and trust.

As a working example, Meretz cited CSAs [community supported agriculture] and, in particular, the Garden Cooperative Freiburg. Instead of selling its produce – which means that poorer people still have to pay the same amount as rich people – a CSA could host a bidding process to raise the sums needed to meet costs. If costs are not met, a second round would be held. Once the necessary revenues are raised, then production takes place. Many necessary contributions can be performed as in-kind services by cooperative members themselves (e.g. transportation using “cargo-bikes”). In de-coupling exchange from market principles, users who were at first too shy to take the vegetables that they really needed, could take more. Meretz: “We have to unlearn habits that regard giving and taking as a calculation, and learn how to act from our needs. We have to learn how to ‘undo capitalism’ as it has been internalized.

Two objections were raised to Meretz’s scenario for a commons-based society: First, that it would not be feasible in practice to reach a consensus about all the problems the society faces and therefore which needs to address first (before production); and second, the temptation or likelihood that the society would entrust expert-technicians with the authority to solve the complicated problems.

From: keimform.deBy: Stefan MeretzComments